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# taz.de -- Religion in der Ukraine: Fünf Jahre Haft für Kirchenmann
> Der Metropolit Ionafan soll den russischen Angriffskrieg geleugnet und
> die Integrität der Ukraine in Frage gestellt haben. Nun muss er ins
> Gefängis.
Bild: Gottesdienst im Höhlenkloster in Kyjiw
Berlin taz | Das Urteil ist hart: Ein Gericht in der ukrainischen Stadt
Winnyzja hat den Metropoliten Ionafan (Anatoli Jelezkich) von der
Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchiat), der der Diözese
Tultschinski vorsteht, zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zudem wird sein
Eigentum beschlagnahmt.
Angeklagt war der Metropolit (eine Art Erzbischof) in vier Punkten: Angriff
auf die territoriale Integrität der Ukraine, Aktionen, die auf einen
gewaltsamen Machtwechsel abzielen, Leugnung einer bewaffneten Aggression
Russlands gegen die Ukraine sowie Verletzung der religiösen Gleichheit der
Bürger*innen.
So soll der Metropolit, geleitet von „prorussischen ideologischen Motiven“,
im Januar 2022 auf der Website der Diözese einen Artikel über die
dominierende Rolle des „Moskauer Patriarchats“ im orthodoxen Christentum
veröffentlicht und die Unabhängigkeit der Orthodoxen Kirche der Ukraine
geleugnet haben.
Angaben des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes (SBU) zufolge soll Ionafan
unter den Gläubigen Propagandamaterial verteilt haben. Darin habe er
aufgerufen, die Macht in der Ukraine zu ergreifen und ihre Grenzen zu
verändern. Auf einer Webseite der Kirche habe er Beiträge „zur
Unterstützung der russischen Besatzer und ihrer Kriegsverbrechen“
bereitgestellt.
## Segen für Soldaten
Wie nicht anders zu erwarten, äußerte sich das Oberhaupt der
Russisch-Orthodoxen Kirche zu dem Fall des Metropoliten. Der Moskauer
Patriarch Kyrill, der gerne Soldaten aus der Russischen Föderation vor
ihrem (letzten) Weg in die Ukraine segnet, steht stramm an der Seite von
Präsident Wladimir Putin.
Das Urteil sei eine eklatante Verletzung der Religionsfreiheit und ein
Beispiel für die Verfolgung von Menschen wegen ihres Glaubens, heißt es auf
der Webseite der Kirche. Und: „Alle Anschuldigungen sind absolut
unbedeutend und die sogenannten Beweise gefälscht.
Ionafan betet wie die ganze Kirche für Frieden und ruft zur geistigen
Einheit der Heiligen Rus auf. Er verteidigt die Rechte der Ukrainischen
Orthodoxen Kirche, indem er die Unwahrheit der Spaltung anprangert. Dafür
wurde er verurteilt.“
Mit der Spaltung (Schisma) ist der Umstand gemeint, dass es zwei orthodoxe
Kirchen in der Ukraine gibt. [1][Die Orthodoxe Kirche der Ukraine] entstand
2018 durch den Zusammenschluss zweier nationaler Kirchen, sie wurde am 6.
Januar 2019 vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel für
eigenständig erklärt. Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (Moskauer
Patriarchiat) erklärte sich nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg
gegen die Ukraine für unabhängig von Moskau, wenngleich dieser Schritt
juristisch nicht vollzogen wurde.
## Unter verschärfter Beobachtung
Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (Moskauer Patriarchiat) steht seit Monaten
unter verschärfter Beobachtung des SBU, da deren Vertreter nach wie vor als
verlängerter Arm Moskaus gelten. [2][In Gotteshäusern und Klöstern finden
regelmäßig Razzien statt], gegen Priester und andere Kirchenobere werden
Sanktionen verhängt.
Vor wenigen Tagen war Pawel Lebed, ebenfalls Metropolit der
Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchiat) und Vorsteher des
berühmten Kyjiwer Höhlenklosters, aus der Haft entlassen worden. Dafür
wurde eine Kaution in Höhe von umgerechnet rund 730.000 Euro hinterlegt.
Diese Summe sollen angeblich 1000 Spender*innen aufgebracht haben.
Am 1. April 2023 war Pawel unter anderem wegen Rechtfertigung von Russlands
Angriffskriegskrieg gegen die Ukraine zu Hausarrest verteilt worden. Zudem
musste er eine elektronische Fußfessel tragen.
Im Juli kam ein weiterer Anklagepunkt hinzu: Leugnung der Existenz der
Ukraine als souveräner Staat sowie Bezeichnung von Russlands Aggression
gegen die Ukraine als „Bürgerkrieg“. Kurz darauf kam Pawel in
Untersuchungshaft.
## Kritik an Kyjiw
Das Vorgehen der Kyjiwer Behörden gegen die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche
(Moskauer Patriarchiat) stößt auch auf Kritik. In einem Bericht des Hohen
Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) vom
vergangenen März ist von einer möglichen Diskriminierung der Kirche die
Rede. Im Fall eines Strafverfahrens müssten die Rechte von Personen auf
einen fairen Prozess gewährleistet werden.
Eine offizielle Reaktion ließ nicht auf sich warten. Die Ukraine sei ein
demokratischer Staat, in dem die Religionsfreiheit garantiert sei, schrieb
der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko, auf
Facebook. „Gleichzeitig ist Freiheit nicht dasselbe wie das Recht, sich an
Aktivitäten zu beteiligen, die die nationale Sicherheit gefährden. Wir
fordern das OHCHR auf, von unausgewogenen politischen Einschätzungen
Abstand zu nehmen und seine Berichte auf Fakten zu stützen.“
Volkes Stimme hält sich mit solchen Feinheiten der Argumentation nicht auf.
Als Reaktion auf die Verurteilung von Ionafan schreibt ein Nutzer in den
sozialen Netzwerken: „99 Prozent der Priester der Russisch-Orthodoxen
Kirche sind Tschekisten. Wenn sie in der Ukraine inhaftiert werden, wird es
mir nicht leidtun.“
9 Aug 2023
## LINKS
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[2] /Russlandnaehe-bei-ukrainischer-Kirche/!5897777
## AUTOREN
Barbara Oertel
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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