# taz.de -- Tod des Schauspielers Alain Delon: Weniger Engel als Bandit | |
> Der jüngst verstorbene Schauspieler Alain Delon sah nicht nur gut aus, | |
> sondern war auch höchst kontrovers. Als Männlichkeitsideal ist er passé. | |
Bild: Alain Delon in „Joy House“, 1964 | |
Schön war er. In dem Punkt herrscht in den Nachrufen zum Tod des | |
französischen Schauspielers Alain Delon Einstimmigkeit. Und was das Magazin | |
Le Nouvel Obs zu diesem „Film eines Lebens“ schreibt, trifft zumindest für | |
die ersten Nachkriegsgenerationen zu: Welcher Knabe oder Mann habe nicht | |
davon geträumt, wenigstens 15 Minuten auszusehen wie Alain Delon, schön wie | |
ein Engel und ein Bandit, verführerisch, aber auch bedrohlich? | |
Ohnehin ist Schönheit halt ein trügerischer und mit der Geschichte | |
schwankender, sich mit neuen Ansichten und Erkenntnissen ändernder Begriff, | |
was schon so manchen Nationalheiligen vom Sockel gefegt hat. Alain Delon | |
war [1][schon zu seinen Lebzeiten nicht unumstritten]. Bei allem Respekt | |
für ein beachtliches Filmwerk wird die Nachwelt nicht nachsichtiger sein | |
als die Kritik der letzten zwei, drei Jahrzehnte. Zu viel tönt heute in den | |
Nachrufen nostalgisch, dabei ist Delon als Symbol gelinde gesagt passé. | |
Mehr als jeder andere Filmheld der 50er, 60er und 70er Jahre verkörpert | |
Delon, was man in Frankreich wegen der Zweideutigkeit und | |
Widersprüchlichkeit einer solchen Ikone ein „monstre sacré“ mit nennt. Er | |
war der Letzte dieser Kategorie. | |
## Ein „monstre sacré“ | |
In einer journalistischen Verkürzung könnte man Delon mit [2][Brigitte | |
Bardot] auf dieselbe Stufe stellen: Was „BB“ in ihrer Zeit als Filmstar als | |
weibliches Schönheits- oder Sexsymbol darstellte, war Delon als Ikone einer | |
Virilität, die uns heute ebenso überholt bis irritierend vorkommt. Dank | |
jahrzehntelanger (vorab feministischer) Kämpfe und Diskussionen über | |
Geschlechter, Rollen, Rechte und Maßstäbe sind beide als eventuelle | |
Vorbilder völlig passé. Der Tod von Alain Delon ist auch ein Anlass, sich | |
dessen bewusst zu werden. Nein, heute ist das kein Wunschtraum, als | |
Leinwand-Macho wie Delon bewundert und beneidet werden zu wollen! | |
Die von ihm versinnbildlichte Männlichkeit war nicht bloß eine Filmrolle. | |
Delon räumte gern ein, dass er vor allem den Start seiner | |
Schauspielerkarriere ausschließlich den Frauen verdankte, die ihn liebten. | |
Er sagte aber später auch, es sei ihm egal, als (gewaltsamer) Macho zu | |
gelten, wenn Ohrfeigen zu geben „machistisch“ sei. Sein jüngster Sohn, | |
Alain-Fabien, beschuldigte ihn 2013, seiner Mutter Rosalie Van Breemen die | |
Nase und acht Rippen gebrochen zu haben. | |
Das passt nicht zum Fan-Foto des romantischen Liebhabers an der Seite von | |
[3][Romy Schneider], überrascht aber auch nicht, da die Schattenseiten des | |
verehrten Stars von Beginn bekannt waren und mitprägend zu seinem Image | |
eines „bad boy“ gehörten. Er brüstete sich mit seinem Erfolg als Verführ… | |
und seinen zahllosen „Affären“. Als er als Soldat aus dem Kolonialkrieg in | |
der ehemaligen französischen Kolonie Vietnam zurückkehrte, sei er ein | |
„Voyou“ (kleiner Gauner) gewesen, der, statt in den Film zu gehen, genauso | |
gut hätte Zuhälter werden können. | |
## Zutiefst homophob | |
Delon scheint sein Leben lang eine gewisse Bewunderung für die wirklichen | |
Banditen und Schurken gehabt zu haben, die er fürs Kino bloß imitierte. Bei | |
einer aus Sicherheitsgründen angeordneten Hausdurchsuchung fand die Polizei | |
in Delons Anwesen in Douchy 72 Feuerwaffen und 3.000 Patronen. Fasziniert | |
war Delon, der sich politisch immer als „konservativ“ verstanden hat, auch | |
vom [4][Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen], dessen Ideen er weitgehend | |
geteilt und den er ab den 80er Jahren als persönlichen Freund bezeichnet | |
hat. Auch in diesem Punkt gibt es Parallelen zu Brigitte Bardot, die in | |
ihrer zweiten Lebenshälfte nach dem Film im Sumpf der rassistischen Rechten | |
landete. | |
Delon war auch zudem zutiefst homophob, er war 2014 aktiv an der Kampagne | |
gegen die Legalisierung der „Ehe für alle“ beteiligt. Für einen Großteil | |
der Mitbürger*innen, die ihn als Protagonisten auf der Leinwand bewundert | |
hatten, ging damit etwas definitiv zu Bruch. Nun ist er tot. | |
Wegen der Devise „De mortuis nil nisi bene“ muss indes nicht alles, was | |
Abneigung auslöst, unter den Tisch gewischt werden. Alain Delon war gewiss | |
in den rund 100 Filmen der bekanntesten Regisseure einer der besten | |
Schauspieler seiner Zeit. Das waren jedoch stets Rollen und nicht der Delon | |
als Mensch mit den immer wieder störenden Flecken auf dem für das Publikum | |
bestimmten Bild. | |
18 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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