# taz.de -- Netflix-Serie „Der Leopard“: Ohne Biss | |
> In einer Miniserie will Netflix die Geschichte „Der Leopard“ neu | |
> erzählen. Trotz Sizilien-Sehnsucht kommt die Neuauflage nicht an | |
> Viscontis Verfilmung heran. | |
Bild: Benedetta Porcaroli als Fürstentochter Concetta | |
Die neue Netflix-Serie „Der Leopard“ macht vor allem eins: Sehnsucht nach | |
Sizilien. Die unwiderstehliche Melancholie dieser Insel, auf der so gut wie | |
alle europäischen Herrscher seit der Antike ihre Spuren hinterlassen haben, | |
zeigt die Serie mit umwerfend schönen Bildern des Lands, [1][wo die | |
Zitronen blühen]. | |
Die italienisch-englische Miniserie (sechs Folgen) versucht sich an der | |
Verfilmung des gleichnamigen Romanklassikers „Il gattopardo“ von Giuseppe | |
Tomasi di Lampedusa, der 1959 von dem linksradikalen Verleger Giangiacomo | |
Feltrinelli publiziert wurde. Im Mittelpunkt steht die sizilianische | |
Adligenherrschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert, die von der | |
Rothemdenbewegung um General Garibaldi bekämpft wurde, die die Grundlage | |
für das bürgerliche Zeitalter und die nationalstaatliche Einheit Italiens | |
legte. | |
Das Thema des „Leopard“ ist also Zeitenwende. Die zentrale Figur heißt Don | |
Fabrizo, genannt il gattopardo. Er ist Fürst von Salina, besitzt große | |
Ländereien, prächtigen Landsitz und großen politischen Einfluss. Seinen | |
abenteuerlustigen Neffen Tancredi Falconeri liebt er mehr als seine Söhne, | |
doch der Draufgänger schließt sich Garibaldi an und wird zum Feind des | |
Fürsten. | |
Die hinter Oleander, Bougainville und Aloe Vera schon verfallende Pracht | |
der Paläste des Leoparden symbolisiert die verfallende Bourbonenherrschaft | |
des stolzen, großmütigen und schlauen Fürsten. | |
## Sehnsucht nach Sizilien | |
Den berühmtesten Satz des Romans, „Wenn alles bleiben soll, wie es ist, | |
muss sich alles ändern“, sagt Tancredi zu seinem Onkel, als er sich auf dem | |
Weg zu den Aufständischen macht. Der Fürst aber ist ihm nicht gram. Er will | |
zwar seine Privilegien nicht verlieren und schickt seine Töchter lieber ins | |
Kloster, als sie Männern zu überlassen, die ihm nichts nutzen, aber er weiß | |
auch, dass er mit den Rothemden eine strategische Partnerschaft eingehen | |
muss, um nicht alles zu verlieren. | |
Er lädt die Rothemden zu sich ein, bewirtet sie üppig und lässt den | |
Anführer die Fresken an seiner Decke bewundern. Anders als andere Adelige | |
weiß der Leopard, dass die Rothemden nicht nur Bauern sind, sondern Bürger, | |
die die Kunst zu schätzen wissen. Er erwirbt sich damit die Gunst des | |
Anführers, der ihm im Gegenzug freies Geleit auf den Sommersitz Donnafugata | |
gewährt. Die Aussicht darauf, Concetta, der schönen Tochter des Fürsten, | |
näherzukommen, spielt ebenfalls eine Rolle. | |
Und noch eine andere schöne Tochter spielt eine Rolle: Angelica Sedara, das | |
Kind des listigen Bürgermeisters von Donnafugata. Über die ungleich jüngere | |
Frau würde der Fürst am liebsten selbst „wie ein Hirsch“ herfallen, aber … | |
zügelt seine Fantasien und verkuppelt aus Gründen des Machterhalts seinen | |
aufständischen Neffen mit ihr. | |
## Wenig überraschende Regieeinfälle | |
Zwar beeindrucken die prächtigen Kulissen und Kostüme, doch leider | |
verströmt die Netflix-Serie ansonsten die statische Atmosphäre von | |
deutschen 80er-Jahre-Serien über Familienimperien wie „Das Erbe der | |
Guldenburgs“ oder die „Buddenbrooks“-Verfilmung von Heinrich Breloer | |
(2008). Zu viel kitschige Inszenierung und Erzählung, zu wenig | |
überraschende Regieeinfälle und trotz guter Schauspieler*innen | |
letztlich unbeseelt bleibende Figuren. | |
Nun ist es natürlich so, dass die Serie in einem großen Schatten steht: dem | |
der [2][meisterhaften Verfilmung] des „Leopards“ von Luchino Visconti | |
(1963) mit der legendären Starbesetzung von Burt Lancaster als Fürst von | |
Salina, Alain Delon als Tancredi und Claudia Cardinale als Angelica Sedara. | |
Nie wurde der Niedergang einer Epoche so elegisch und bezaubernd zugleich | |
dargestellt. Unvergessen der Staub im Gesicht des Fürsten und seiner | |
Familie, der in Sizilien die historischen Schichten bedeckt und die | |
Vergänglichkeit jeder Herrschaft versinnbildlicht. | |
Dennoch sei die Serie auch zur Verarbeitung aktueller Zeitenwenden | |
empfohlen: Alles geht eben mal zu Ende, zurzeit der Westen, wie wir ihn | |
kannten. | |
5 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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