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# taz.de -- Nachruf auf Sängerin Jane Birkin: Halb gestöhnt, ganz geliebt
> Frankreich und nicht nur Frankreich trauert. Die britische Schauspielerin
> und Chanteuse Jane Birkin, ist 76-jährig gestorben. Ein Nachruf.
Bild: Jane Birkin war zu allen Zeiten Stilikone, geschmackvoll gekleidet und fr…
Es hieß, sie sei doch recht zufrieden, inzwischen, ließe sich anfügen, mit
dem künstlerischen Debüt, [1][das sie buchstäblich über Nacht zu einer
Berühmheit nicht nur in Frankreich] machte.
Es war das Lied, besser: das Couplet „Je t’aime … moi non plus“, das ihr
damaliger Freund, der Musikproduzent und Liederkomponist Serge Gainsbourg
eigentlich als Duett mit seiner Verflossenen, der Jet-Set-Prominenten und
Schauspielerin Brigitte Bardot, eingesungen hatte – allerdings war die
Bardot derweil mit dem St. Tropez-Milliardär und Motorradfahrer Gunter
Sachs verheiratet und bat Gainsbourg darum, die Aufnahme nicht zu
veröffentlichen.
Woran der als heterosexueller Charmanz-Unhold bekannte Gainsbourg sich auch
hielt – und dafür die noch eher unbekannte Britin Ms Birkin engagierte.
Heraus kam 1969 ein Stück Popgeschichte, das schaffte, worauf sonst teuer
bezahlte Marketingagenturen hinwirken: Ein Chanson ist ein Skandal ist ein
Chanson!
## Im Orgasmus münden
Denn was zu hören war, auch in deutschen Räumen, in denen Klassenfeten
gefeiert wurden, waren mehrere Minuten lang Sex zweier Menschen, der in
einem Orgasmus mündet. Die Birkin hatte somit ihren Platz in der Hall of
Fame der popularen Künste sicher – aber so wollten sie es, [2][Tochter
bestsituierter Eltern aus der britischen Künstler- und Militärbohème], die
im Frankreich der Bardots, Jeanne Moreaus und Françoise Hardys, der Romy
Schneiders und Alain Delons mitmischen wollte, gern an der Côte d’Azur und
in welcher Disziplin auch immer, Musik (fast immer: Gainsbourg) oder Film
(„Tod auf dem Nil“), egal.
Nach dem von Gainsbourg gefertigten Popklassiker folgten für sie weitere
Hits, Schallplattenaufnahme, Filmengagements: Jane Birkin, die mit ihrem
Serge die später ebenso berühmte Tochter Charlotte zur Welt brachte, war
eine gefeierte Engländerin in Frankreich, für ihren untilgbaren britischen
Akzent geliebt, wie Paris' Bürgermeisterin Anne Hidalgo in einem Tweet
betonte („die Pariserischste“ überhaupt) für ihre elegante, aber über
Jahrzehnte in Form gehaltenen Ton der Frische unsterblich geworden.
Mit den achtziger Jahren begann sie sich auf Musiken und Filme zu verlegen,
die eher im Kulturmilieu ankommen sollte, mehr Arthouse in jeder Hinsicht.
In Deutschland trat sie immer wieder in Konzerten auf, in der Berliner
Philharmonie oder in der Elbphilharmonie zu Hamburg – Locations, die auf
Anteilnahme literarisch oder musikästhetisch interessierter Kreise setzte,
nicht so sehr auf Pop.
Also mehr Tom Waits-, Neil Young- oder Kate Bush-Adaptionen als solche
[3][ihres allerersten Ehemannes John Barry, Komponist etlicher
James-Bond-Soundtracks].
## Die Ikone des Stils
Sie war, das als Pointe ihres Umzugs aus elterlichen Umgebungen ins
glamourösere Frankreich jener Zeit, die populärste Engländerin in ihrer
zweiten Heimat, eine Legende zu Lebzeiten, an deren Leukämieerkrankung vor
Jahren die halbe Nation mitlitt. Jane Birkin war zu allen Zeiten immer auch
Stilikone, geschmackvoll gekleidet, verhalten fröhlich in der
beabsichtigten Ausstrahlung – und immer bereit, sich neue Kompositionen zu
erarbeiten und sie auch auf (internationalen Bühnen) vorzustellen.
Die Künstlerin, deren größtes Kunstprojekt sie selbst womöglich war, und
das ja mit Erfolg, wusste um ihre Fragilität, gesundheitlich vor allem.
Sonntag wurde sie im Alter von 76 Jahren von Angehörigen in ihrer Pariser
Wohnung leblos aufgefunden. Frankreich, und nicht es allein trauert.
16 Jul 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
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Musikerinnen
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