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# taz.de -- Dokumentarfilm über „Area 52“: Schweigen in Utah
> In Utah testet die US-Armee Waffen. Jasmin Herold und Michael David
> Beamish zeigen in ihrem Dokumentarfilmen die verwundbaren Seiten der
> Region.
Bild: Kevin Bushling sucht in „The Gate“ Antworten zum Verschwinden seines …
Mit einem einfachen Blatt Papier, vollgeschrieben mit Namen, Stichworten
und Telefonnummern begann vor Jahren für Kevin Bushling die Suche nach
seinem Sohn. Mehr als zehn Jahre später ist das Blatt nur eines von vielen
in einem Ordner, gefüllt mit Dokumenten, Hinweisen, Notizen, manche davon
durchgestrichen, nachdem sie zu nichts geführt haben.
Nun sitzt Bushling am Tisch in seinem Wohnzimmer und zeigt den
Dokumentarfilmer:innen Jasmin Herold und Michael David Beamish den
Ordner: „Ich habe gedacht, das werde ich eines Tages gebrauchen können. Das
wird helfen, herauszufinden, was passiert ist. Niemand kann mir sagen, was
genau passiert ist, ich bekomme noch nicht mal einen zeitlichen Ablauf, der
für mich Sinn ergibt.“
Alles, was Bushling weiß, ist, dass sein Sohn Joseph, der als Soldat auf
dem Dugway Proving Ground der US-Armee diente, in einer Nacht im Mai 2011
verschwunden ist. Die Antworten, die Josephs Vater seither von der US-Armee
bekommen hat, widersprechen einander.
Die Suche des Vaters nach seinem Sohn ist der rote Faden, dem Herold und
Beamish in [1][„The Gate – Ein Leben lang im Krieg“ folgen. Premiere
feierte der Film auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar-
und Animationsfilm].
Mitten in der Wüste von Utah, etwa 140 Kilometer von Salt Lake City
entfernt und in direkter Nachbarschaft zur Skull Valley Indian Reservation,
testet die US-Armee auf dem Gelände seit den 1940er Jahren Kampfmittel,
Schutzkleidung, Munition. Etwa 20 Kilometer weiter nördlich liegt die Utah
Test and Training Range, auf der auch die Einheit trainierte, die die
Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abwarf.
## Waffen und Religion allgegenwärtig
Shane Whitney, Joseph Bushlings ehemaliger direkter Vorgesetzter, und seine
Frau Melinda gehören zu den wenigen, die dem Vater bei der Suche helfen.
Für Whitney ist diese Unterstützung auch Hilfe, um seine eigenen Traumata
aus seiner Zeit bei der Armee zu überwinden.
Ausgehend von dieser Haupterzählung porträtieren die beiden
Filmemacher:innen eine Region, in der Waffen und Religion
allgegenwärtig sind und in der man sich der Präsenz der Armeebasis nicht
entziehen kann.
„The Gate“, das Tor, trennt vermeintlich die Welten dieser
Armee-Einrichtungen von der zivilen Welt, die sie umgibt. Wie Herold und
Beamish deutlich machen, ist diese Trennung in der Praxis weniger klar.
Unverarbeitete Traumata sind allgegenwärtig.
Um die Spurensuche von Kevin Bushling, der mit Hilfe von Privatdetektiven
allmählich ein zumindest vages Bild der letzten Bewegungen seines Sohns
bekommt, gruppieren die Regisseur:innen eine Reihe weiterer
Erzähllinien. Mary Allen, eine der wenigen Goshute, die noch in der Skull
Valley Indian Reservation leben, berichtet von der Landnahme, die das
Testgelände darstellt.
Der Armeegeistliche Tim Clayson beobachtet, wie sein unterdessen
erwachsener Sohn seinerseits als Hubschrauberpilot zur [2][Armee] geht, und
spricht über die Ängste, Sorgen und Erinnerungen, die dessen Einsätze in
ihm als Vater wachrufen.
Tosh Kano berichtet von seinem Leben als jüngster Überlebender des
Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Als die Atombombe fiel, war seine Mutter
noch mit ihm schwanger. Die Ärzte gaben ihm kaum eine Chance zu überleben,
doch die Mutter brachte ihn durch. Nun, im Alter, holen ihn die Spätfolgen
der Strahlenexposition ein. Kano ist am Erblinden.
In ihrem ersten Film „Dark Eden“ widmeten sich Jasmin Herold und Michael
Beamish 2018 den Zerstörungen und Gesundheitsschäden, die im kanadischen
Fort McMurray mit der Gewinnung von Öl durch Fracking verbunden sind. Wie
in diesem ist die Landschaft auch in „The Gate“ allgegenwärtig.
## Menschliche Versehrungen und weite Landschaften
Der Film kontrastiert die menschlichen Versehrungen mit der imposanten,
weiten Landschaft [3][Utahs,] nutzt die Natur, um das eingespielte
Übersehen zu thematisieren. So steht gegen Mitte des Films ein Rehbock
zwischen Bäumen. Einen Schnitt später liegt ein toter Rehbock am
Straßenrand, Autos fahren ungerührt vorbei.
„The Gate“ urteilt nicht über die individuellen Lebenswege seiner
Protagonist:innen. Stattdessen arbeiten die Regisseur:innen eine
Struktur militärischer Verantwortungslosigkeit heraus. Die Spurensuche von
Joseph Bushlings Vater ist das Flehen darum, die US-Armee möge sich zu dem
Tod des jungen Mannes verhalten.
Stattdessen begegnet Kevin Bushling dasselbe Schweigen, dem sich Shane
Whitley gegenübersah, als er sich mit seinen Traumata an die
Veteranenversorgung wandte. Mary Allen wiederum berichtet von der
Kommunikationsverweigerung gegenüber den Goshute ebenso wie der sonstigen
Zivilbevölkerung, wenn es um Zwischenfälle geht wie den Tod Tausender
Schafe Ende der 1960er Jahre nach Chemiewaffenversuchen oder dem Versand
lebendiger Milzbrand-Bazillen 2015.
„The Gate“ gibt einen eindrucksvollen Einblick in das Leben mit einer
Armee-Einrichtung, die tief in das Leben der Umgebung eingreift und sich
allen Nachfragen beharrlich entzieht.
8 Aug 2024
## LINKS
[1] /Festival-Dok-Leipzig/!5963516
[2] /Der-Film-Human-Terrain-ueber-US-Militaers/!5127207
[3] /Der-Gottesstaat-Utah/!5135983
## AUTOREN
Fabian Tietke
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