| # taz.de -- Antisemitismus an US-Universität: Nicht aus heiterem Himmel | |
| > Die Architekturschule der Columbia University in New York hat sich zum | |
| > Mekka des Israelhasses entwickelt. Leider war das absehbar. | |
| Bild: Am 30. April und 1. Mai wurde der von pro-palästinensischen Protestieren… | |
| Die Hamas-Attacke des 7. Oktober 2023, auf die Israel seit dem 27. Oktober | |
| 2023 mit einer Bodenoffensive im Gazastreifen reagiert, führt in fast allen | |
| kulturellen Milieus zu großen Verwerfungen. Auch in der Architekturwelt. | |
| Davon zeugen nicht zuletzt die zahllosen offenen Briefe. So wurde am 14. | |
| November 2023 der „Call for Immediate Action“ veröffentlicht, der von einer | |
| Gruppierung namens Architects and Planners Against Apartheid lanciert | |
| wurde. | |
| Mit keinem Wort wird darin der Hamas-Terror erwähnt und einseitig der | |
| palästinensischen Seite die Solidarität ausgesprochen. Israel wird sowohl | |
| Genozid als auch Urbizid vorgeworfen. Dass die Hamas seit ihrer | |
| Machtergreifung im Gazastreifen im Jahre 2007 immer wieder Raketen auf | |
| Israel abschoss und dabei die eigene Zivilbevölkerung als menschliche | |
| Schutzschilde benutzte, ist den Autor*innen keine Notiz wert. | |
| Mehr als 2.000 Personen aus aller Welt haben diesen Aufruf unterschrieben. | |
| Die proportional meisten – 58 insgesamt – stehen in Verbindung mit der | |
| Graduate School of Architecture, Planning and Preservation (GSAPP) der | |
| Columbia University in New York. Dass sich diese Schule nach 10/7 zum Mekka | |
| des institutionalisierten Israelhasses im Architektur- und | |
| Urbanismusbereich entwickelt hat, ist nicht auf eine plötzliche | |
| antisemitische Eruption zurückzuführen, sondern hat eine lange Geschichte | |
| vor Ort. | |
| So wurde die Hochschule stark geprägt von Edward Said, dem | |
| US-amerikanischen Literaturwissenschaftler palästinensischer Herkunft, der | |
| ab 1963 als Assistenzprofessor und von 1966 bis 2003 als Ordinarius für | |
| Englische Literatur und Komparatistik an der Columbia lehrte. In dieser | |
| Zeit erschienen viele seiner bekanntesten Bücher, zu denen neben dem | |
| postkolonialen Standardwerk „Orientalismus“ (1978) auch „The Question of | |
| Palestine“ (1979) gehört. | |
| Verharmlosung der „jüdischen Nakba“ | |
| Darin stellt Said wahrheitswidrig den Zionismus als eine Bewegung dar, die | |
| auf einer „völlige(n) Leugnung der palästinensischen Präsenz“ aufgebaut | |
| hätte. Auch verharmlost er die „jüdische Nakba“, also [1][die Vertreibung | |
| und Enteignung von rund 850.000 Jüdinnen und Juden misrachischer und | |
| sefardischer Herkunft aus arabisch und islamisch geprägten Ländern] nach | |
| der Staatsgründung Israels, zu einer Art freiwilligem Umzug – und spricht | |
| von „Juden, die die arabischen Länder verließen, um nach Israel zu kommen�… | |
| Seit 2003 lehrt an der Columbia auch Rashid Khalidi, ein weiterer | |
| US-Amerikaner mit palästinensischen Wurzeln, als Edward Said Professor of | |
| Modern Arab Studies. Der BDS-Unterstützer lehnt jegliche Entschädigung | |
| jüdischer Vertriebener aus arabischen Ländern rigoros ab. | |
| Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, dass der „Call for Immediate | |
| Action“ von vielen Architekturprofessor*innen der Columbia | |
| unterschrieben wurde. So von Cruz Garcia und Nathalie Frankowski, die in | |
| sozialen Medien durch besonders militante antiisraelische Äußerungen | |
| auffallen. | |
| Sie sehen in Israel ein Synonym für „75 Jahre Okkupation“ und einen „off… | |
| genozidalen rassistischen Staat“, bezeichnen „Friede“ als ein Wort von | |
| weißen Menschen, erachten die Entkopplung von Rassismus und Antisemitismus | |
| als einen „Schachzug weißer Suprematisten“, betrachten den Zionismus als | |
| „die regressivste Erfindung der modernen Welt“ und machen sich die | |
| antisemitischen Äußerungen von Malcolm X zum „Zionist dollarism“ zu eigen. | |
| BDS-nahe Aktivist*innen | |
| Auch das Architekturtheoriejournal Avery Review, das vom Office of | |
| Publications der GSAPP betrieben wird, ist geprägt von BDS-nahen | |
| Aktivist*innen, wie spätestens mit dem am 13. Oktober publizierten offenen | |
| Brief „Solidarity with Palestine“ öffentlich bekannt wurde. Nur sechs Tage | |
| nach dem Massaker erklärt darin die gesamte Redaktion nicht nur ihre | |
| Unterstützung für das „palästinensische Volk in seinem Kampf gegen | |
| israelische Besatzung, Apartheid und ethnische Säuberung“, sondern sie | |
| spricht darüber hinaus auch noch von „Israels 75-jähriger kolonialer | |
| Besatzung durch Siedler“. | |
| Es geht hier also um nichts weniger als die Infragestellung der | |
| Existenzberechtigung Israels. Das Magazin fordert „nicht nur einen | |
| Waffenstillstand von der internationalen Gemeinschaft und ein Ende des | |
| anhaltenden Völkermords in Gaza“, sondern auch „eine Friedensidee, die die | |
| vollständige Entkolonialisierung und das Ende des unterdrückerischen | |
| Siedlerkolonialprojekts in Palästina zum Ziel hat“. | |
| Schließlich sei auch Hiba Bou Akar erwähnt, die den „Call for Immediate | |
| Action“ ebenfalls signierte. Stolz vermerkt die Columbia-Professorin am 23. | |
| April 2024 in sozialen Medien, dass sie ihre „letzte Unterrichtseinheit des | |
| Semesters“ innerhalb des [2][„Gaza Solidarity Campus“ auf dem Gelände der | |
| Columbia University] abhielt. Dieses wurde am 30. April und 1. Mai 2024 auf | |
| Bitten der Columbia-Präsidentin Nemat „Minouche“ Shafik von der Polizei | |
| geräumt, nachdem es zu Attacken gekommen war. | |
| Shafik sieht sich spätestens seither zwei massiven Fronten gegenüber: | |
| Während sie von der einen Seite zu hören bekommt, dass sie unmittelbar nach | |
| 10/7 keine deutlichen Worte zur Hamas und zu antisemitischen Vorfällen auf | |
| dem Campus fand, kritisiert die andere den Einsatz der „militarisiertesten | |
| Polizeimacht des Planeten“ auf ihrem Campus-Gelände. | |
| So steht es in einem am 3. Mai 2024 veröffentlichten „Statement of Columbia | |
| University Urban Planning“, das die „Arroganz und Inkompetenz der | |
| Universitätsleitung“ kritisiert und Bou Akar als Erstunterzeichnerin führt. | |
| Veröffentlichungen aus dem Jahr 2016 | |
| So wie die Entwicklung an der Columbia insgesamt nicht aus heiterem Himmel | |
| fiel, so waren auch die GSAPP-Entwicklungen nach 10/7 nicht völlig | |
| unabsehbar. Beispielsweise war im Jahre 2016 das Buch „The Arab City: | |
| Architecture and Representation“ im universitären Hausverlag Columbia Books | |
| on Architecture and the City veröffentlicht worden, herausgegeben von der | |
| damaligen Dekanin Amale Andraos gemeinsam mit Nora Akawi, einem ebenfalls | |
| radikal antiisraelisch auftretenden Jurymitglied der letzten | |
| Architekturbiennale in Venedig. | |
| Die Publikation steht unter dem Eindruck spektakulärer Architektur- und | |
| Stadtentwicklungsprojekte in arabischen Staaten, aber auch dem | |
| gescheiterten Arabischen Frühling 2011, dem dadurch ausgelösten Bürgerkrieg | |
| in Syrien und der Gründung und Ausbreitung der Terrorgruppierung | |
| Islamischer Staat im Irak. | |
| Es geht darin viel um Identität – um „Arab identity“, „Emirati identit… | |
| „Quatari identity“ etc., und teilweise versucht man sich auch an einer | |
| Dekonstruktion dieser Identitätssuche –, doch dass Jüdinnen und Juden | |
| historisch mal Teil der arabischen Welt waren und aus dieser um 1948 | |
| weitgehend vertrieben wurden, wird in den Texten verdrängt. | |
| Israel taucht entweder als Sieger von 1967 auf, der die arabischen Staaten | |
| in einen allgemeinen „Stimmung der Melancholie und des verletzten Egos“ | |
| gestürzt hat, oder als Aggressor, der besetzt, zerstört und mit | |
| ferngesteuerten Caterpillars in Gaza wütet. | |
| Akawi, die seit 10/7 mit „From the River to the Sea“-Slogans und vielen | |
| Hamas-unterstützenden Posts in sozialen Medien auffällt, warnt zwar mit | |
| Said vor einem „Pakt, den Universitäten mit dem Staat oder mit der | |
| nationalen Identität schließen“ – dieser habe gerade arabische | |
| Universitäten in die Falle einer postkolonialen, aber gleichzeitig | |
| regierungstreuen „Arabization“ bugsiert. Doch wird ihr eliminatorischer | |
| Israelhass aus eben genau diesem arabischen Nationalismus gespeist, zu dem | |
| sie rhetorisch auf Distanz geht. | |
| Lieblingsforscher Eyal Weizman | |
| Jeglicher Versuch, Israel nicht in einem einseitig negativen Licht eines | |
| zeitgenössischen „Täterstaates schlechthin“ erscheinen zu lassen, ist in | |
| diesen Hochschulkreisen tabuisiert. Entsprechend ist auch nur ein jüdischer | |
| Israeli in diesem Buch vertreten: [3][Eyal Weizman, der | |
| Forensic-Architecture-Gründer] und Lieblingsforscher der Israel bashenden | |
| Internationalen innerhalb der Architektur- und Kunstwelt, durfte einen Text | |
| zu „The Nakba Day Killings“ von 2015 beitragen, bei dem in Beitunia im | |
| Westjordanland zwei palästinensische Teenager von israelischen Soldaten | |
| erschossen wurden. | |
| Das Buch „The Arab City“ ging aus zwei Konferenzen hervor, die 2013 in | |
| Amman, Jordanien, und 2024 in New York stattfanden. Die Konferenz in Amman | |
| fand am dortigen Columbia Global Center statt, einem der elf | |
| internationalen „research outposts“ der Universität, denen die Aufgabe | |
| zukommt, als „knowledge hubs“ zu fungieren mit dem Ziel, „durch Forschung, | |
| Dialog und Handeln zu erziehen und zu inspirieren“. | |
| Im April 2023 gab die Columbia University bekannt, dass sie nun auch in Tel | |
| Aviv einen dieser Global Centers gründen wolle. Die Folge war ein | |
| Protestbrief, der damals von 95 Fakultätsmitgliedern unterzeichnet wurde. | |
| Auch wenn es einen Gegenbrief gab, der von 172 Lehrenden signiert wurde, | |
| hat das Tel Aviver „Global Center“ bis heute nicht eröffnet. | |
| 15 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Arabische-Juden/!5894964 | |
| [2] /Proteste-an-der-Columbia-University/!6004757 | |
| [3] /Kritik-an-Forensic-Architecture/!5983353 | |
| ## AUTOREN | |
| Stephan Trüby | |
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