| # taz.de -- Ausstellung über Dada-Künstlerinnen: Die Falle des Flüchtigen | |
| > Viele Protagonistinnen des Dadaismus sind heute vergessen. „der die Dada. | |
| > Unordnung der Geschlechter“ im Arp Museum Remagen stellt sie vor. | |
| Bild: Marta Hegemann, Ohne Titel (Selbstporträt als Torso vor Buch mit Katze),… | |
| Sie schrieb Gedichte mit erotischen Provokationen. Die Textzeilen, in | |
| Deutsch und Englisch, waren manchmal wie Treppenstufen angeordnet. Sie | |
| zeichnete. Sie ließ sich von Man Ray als Akt fotografieren, sie tanzte in | |
| exotischen und dadaistischen Kostümen. Eine kleine Skulptur aus | |
| Fundstücken, Federn, Zahnrädern und anderen mechanischen Elementen nannte | |
| sie 1922 „Porträt von [1][Marcel Duchamp]“. | |
| Dass Duchamp, berühmt als Erfinder des Readymade, mit der Baroness [2][Elsa | |
| von Freytag-Loringhoven] nicht nur befreundet war, sondern sie sich auch | |
| gegenseitig befeuerten im Spiel mit den Geschlechterrollen, im heute | |
| sogenannten Crossdressing, aber auch in der Arbeit mit vorgefertigten | |
| Waren, wurde lange nicht beachtet. Seit ihrer Wiederentdeckung wird häufig | |
| diskutiert, wie viel Baroness in Duchamps Werken steckt. | |
| Elsa von Freytag-Loringhoven ist eine der vielen schillernden und lange nur | |
| in Nebenrollen erwähnten Protagonistinnen aus dem weiten Feld von Dada in | |
| Zürich, New York, Paris, Köln und Berlin, die in der Ausstellung „der die | |
| Dada. Unordnung der Geschlechter“ im [3][Arp Museum] in den Mittelpunkt | |
| gerückt werden. | |
| Aus Dada New York wird auch Beatrice Wood vorgestellt, die mit Duchamp und | |
| anderen die dadaistische Zeitschrift „The Blind Man“ herausgab, Essays | |
| schrieb und in ihre Zeichnungen und Collagen Wortspiele einbaute. | |
| Hannah Höch und ihre Puppen | |
| Dada, oft nur eine kurze Periode mit weitem Nachhall, scheint ein | |
| eigentlich gut ausgeleuchtetes Gebiet in der Kunstgeschichte. Als | |
| Künstlerin bekannt ist [4][Hannah Höch], die in der Ausstellung mit Puppen | |
| dabei ist. Sie wirken wie improvisiert aus diesem und jenem Materialrest | |
| zusammengefügt, fragil und aufmüpfig. | |
| Viele der Frauen aber, die mit auftraten in den dadaistischen Aktionen des | |
| Angriffs auf das Gewohnte, die schrieben, performten und ihre oftmals | |
| bekannteren Künstlerfreunde unterstützten, sind kaum sichtbar in der | |
| Geschichte. | |
| Die Ausstellung, die dies ändern will, ist ein Projekt von Julia Wallner, | |
| seit zwei Jahren Direktorin im Arp Museum im Bahnhof Rolandseck (nahe | |
| Bonn). [5][Zuvor leitete sie in Berlin das Georg Kolbe Museum] und nutze | |
| auch dort viele Gelegenheiten, Künstlerinnen aus Kolbes Umfeld, darunter | |
| [6][Tänzerinnen der Zeit,] vorzustellen. | |
| „der die Dada“ folgt der These, dass das Vergessen der Beiträge von | |
| Künstlerinnen einerseits oft darauf beruhte, dass sie am Flüchtigen und | |
| Ephemeren auf den Dadabühnen mitarbeiteten und auch nicht immer Anspruch | |
| auf die Autorenschaft erhoben. Andererseits wurden sie, wenn sie etwa | |
| Kostüme entwarfen wie Sonia Delaunay für ein Stück von Tristan Tzara in | |
| Paris, oft dem minder beachteten Kunstgewerbe zugeschlagen. | |
| Die Streuung des Dada-Geistes | |
| Hans Arp, dem das Museum gewidmet ist, war nicht nur bei Dada in Zürich | |
| dabei, der ersten Keimzelle ab 1916, sondern spielte, wie Julia Wallner | |
| betont, eine große Rolle bei der Streuung des Dada-Geistes, in | |
| Zeitschriften, als Verleger, oft auch durch die Gestaltung grafischer | |
| Elemente. | |
| [7][Emmy Hennings, die mit Hugo Ball in Zürich 1916 das berühmte Cabaret | |
| Voltaire eröffnet hatte], beanspruchte, den Namen „Dada“ ins Spiel gebracht | |
| zu haben. In einer seltsamen Fotografie ist sie als Spinne auf einer | |
| kleinen Bühne zu sehen. Als Autorin hatte sie für die Zeit ungewöhnlich | |
| offen über Sexualität, Begehren, Drogen oder Abtreibung geschrieben. Ihr | |
| Leben war von vielen Entbehrungen gezeichnet, auch von der Erfahrung | |
| erzwungener Prostitution. | |
| Von Reinhold Rudolf Junghanns sind Aktzeichnungen von ihr zu sehen, die das | |
| Düstere und Verstörende im Umgang mit einem Körper zeigen, der nicht zur | |
| Ruhe kommen kann. | |
| Zu Dada in Köln gehörten Agnes Arntz, Angelika Hoerle und Marta Hegemann. | |
| Letztere hat 1926 August Sander fotografiert, mit einer Zeichnung von zwei | |
| Vögeln im Gesicht, die über ihre Wange fliegen. Von ihr zeigt die | |
| Ausstellung eine fantastische Landschaft (1939), in der Hände und | |
| Vogelköpfe aus amorphen Formen steigen: Sind es Hilferufe in einer Kulisse | |
| voller Ruinen? In einem Selbstporträt (mit kurzem Haarschnitt) hat sie sich | |
| als Torso dargestellt, eine klassische Form der Kunstgeschichte, in der ihr | |
| aber mit den Armen jeglicher Handlungsspielraum fehlt. | |
| Teilweise wenig dokumentiert | |
| Nicht alle der vorgestellten Frauen haben ein künstlerisches Werk so wie | |
| Hegemann hinterlassen, oft verlieren sich ihre Spuren auch in wenigen | |
| Dokumenten. Von Luise Straus-Ernst, der ersten Frau von Max Ernst, ist nur | |
| eine kleine Assemblage zu sehen. Sie war bei den ersten Ausstellungen von | |
| Dada in Köln dabei, die teils behördlicherseits verboten wurden. Trotzdem | |
| kennt man kaum noch Arbeiten von ihr. | |
| Vor dem Nationalsozialismus flüchtete sie nach Frankreich und wurde von | |
| dort 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. So sind es oft auch die | |
| Biografien der Frauen, die von harten Ausschlüssen erzählen. Auch deshalb | |
| scheint es ein notwendiges Anliegen, wieder an sie zu erinnern. | |
| Dass bei der Suche nach den Spuren vergessener Künstlerinnen die | |
| Materiallage oft erschreckend dünn ist, ist das eine. Dass die Bilder, die | |
| wir heute von ihnen entwerfen, aber teils auch Wunschbilder von | |
| emanzipierten Pionierinnen sind, ist das andere. Auch davon erzählt die | |
| Ausstellung, mit einem Film, den Barbara Visser über Elsa von | |
| Freytag-Loringhoven gemacht hat. Etwas sophisticated, aber mit Witz lässt | |
| ihre filmische Spurensuche auch die Wunschproduktion erahnen, die in den | |
| Lücken des gesicherten Wissens so gut gedeihen kann. | |
| 16 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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