Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuer Fluchtbericht von UNHCR und IOM: „Extremer Horror“ auf de…
> Von Versklavung bis Entführung: Die UN-Organisationen UNHCR und IOM
> berichten, was Flüchtende auf dem Weg zum Mittelmeer erleiden.
Bild: Gerettete Migrant:innen an Bord eines Patrouillenboots der zypriotischen …
Berlin taz | Er habe „Angst gehabt, was wir finden würden“, sagte Vincent
Cochetel, der Sonderbeauftragte des UN–Flüchtlingswerks UNHCR für das
Mittelmeer. Die Antwort stand schon in der Ankündigung für die Vorstellung
des [1][UN-Berichts] am Donnerstag in Genf: Es sei „extremer Horror“, dem
Flüchtlinge und Migrant:innen auf dem Weg zum Mittelmeer ausgesetzt
seien. Es ist eine ungewöhnlich drastische Formulierung, die UNHCR und die
UN-Migrationsorganisation IOM wählten, um auf ihre Befunde aufmerksam zu
machen „an die wir uns nicht gewöhnen dürfen“, wie Cochetel sagte.
31.500 Menschen hatten UNHCR und IOM in den vergangenen drei Jahren in
Italien und afrikanischen Ländern dazu befragt, was ihnen auf der Flucht
Richtung Europa widerfahren war. „Das ist eine Masse an Evidenz, die nicht
ignoriert werden kann“, sagte Cochetel.
Die Befragten berichteten von Folter, körperlicher Gewalt, willkürlicher
Inhaftierung, Tod, Entführung zur Erpressung von Lösegeld, sexueller Gewalt
und Ausbeutung, Versklavung, Menschenhandel, Zwangsarbeit, Organentnahme,
Raub, kollektiver Ausweisung und Abschiebung. Und in allen Bereichen sei
bei der nun durchgeführten Befragung ein höherer Anteil Betroffener
festgestellt worden als in frühreren Jahren, so Cochetel.
Schon 2019 hatte Cochetel die Befürchtung geäußert, dass in der [2][Sahara]
womöglich mehr Menschen zu Tode kommen könnten als auf dem Mittelmeer. Erst
vor wenigen Tagen waren die Leichen von 20 Menschen in dem Wüstengebiet
zwischen Kufra im Südosten Libyens und der Grenze zum Tschad gefunden
worden. Der Fahrer war vom Weg abgekommen, er und alle Passagiere starben.
## 700 Prozent mehr Tote innerhalb eines Jahres
Cochetel fürchtet, dass die Dunkelziffer solcher Unglücke sehr hoch liegt.
„Wir wünschten, wir hätten so viel harte Daten für die Toten auf den
Landrouten, wie wir sie heute für das Meer haben“, sagt er. Wenn Menschen
wegen der enormen Strapazen auf den mehrtägigen Touren krank würden oder
sterben, würden sie von den Pick-Ups geworfen oder fielen herunter, sagt
Cochetel. „Nicht jeder, den wir in Lampedusa befragen, hat auf dem Meer
jemand sterben sehen. Aber jeder, der die Wüste durchquerte, sah, wie
jemand dabei starb.“
Bram Frouws, Leiter des Mixed Migration Center (MMC), einem Ableger der
IOM, wies auf einen Anstieg der Toten auf der Route von Westafrika zu den
Kanaren um 700 Prozent innerhalb eines Jahres hin. Rund 5.000 Menschen
sollen auf dieser Route seit Januar ertrunken sein.
Flüchtlinge und Migrant:innen seien auf See und auf den Landrouten
„weiterhin extremen Formen von Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und
Ausbeutung ausgesetzt“, heißt es in dem Bericht. Ursachen seien die sich
verschlechternde Situation in den Herkunfts- und Aufnahmeländern, der
Ausbruch neuer Konflikte in der Sahelzone und im [3][Sudan], die
Auswirkungen des Klimawandels sowie ein Anstieg von Rassismus gegen
Flüchtlinge und Migrant:innen.
Im Transit seien Menschen oft gezwungen, Gebiete zu durchqueren, in denen
aufständische Gruppen, Milizen und kriminelle Banden Menschenhandel,
Entführung zur Erpressung von Lösegeld, Zwangsarbeit und sexuelle
Ausbeutung betreiben. Schmuggelrouten verlagern sich in entlegenere
Gebiete, um Konfliktzonen oder Grenzkontrollen zu vermeiden. So seien die
Menschen auf der Flucht noch größeren Risiken ausgesetzt.
## Entlang der Fluchtrouten braucht es Schutz
Bram Frouws kritisierte eine „nahezu vollständige Straflosigkeit“ von
kriminellen Gangs und Staatsbediensteten für ausgeübte Gewalt gegen
Migrant:innen. Es könne nicht darum gehen, einzelne Pick-Up-Fahrer in Niger
ins Gefängnis zu stecken, „aber die direkt Verantwortlichen für all diese
Gewalt weiter gewähren zu lassen.“
Die Menschen müssten entlang der Fluchtrouten besser geschützt werden,
verlangen die Organisationen. Fluchtursachen müssten besser bekämpft
werden, unter anderem durch mehr Friedensanstrengungen, mehr
Armutsbekämpfung und konkrete Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen des
Klimawandels.
Die Angst vor der irregulären Migration verhindere oft, dass klar benannt
und kritisiert werde, was auf den Migrationsrouten geschehe. „Das ist
völlig inakzeptabel,“ so Frouws.
5 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.unhcr.org/media/abuse-protection-and-justice-along-routes-betwe…
[2] /Verschleppte-Fluechtlinge-in-Nordafrika/!6009839
[3] /Hungerkatastrophe-im-Sudan/!6016585
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
UNHCR
Mittelmeer
Sahel
Sahara
Ampel-Koalition
Seenotrettung
Niger
Mauretanien
Social-Auswahl
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Faeser will keine Verlängerung: Wieder Debatte um Grenzkontrollen
Mit Ende der EM laufen die verschärften Grenzkontrollen wieder aus. Union
und FDP aber wollen eine Verlängerung. Faeser ist dagegen.
Migrationsroute über das Mittelmeer: Mehr als 100 Flüchtlinge gerettet
Zwei deutsche Seenotrettungsschiffe haben Dutzende Flüchtlinge aus dem
Mittelmeer gerettet. Dieses Jahr sind schon mehr als 1.000 ums Leben
gekommen.
Allianz der Sahel-Staaten: Putschisten gründen „Konföderation“
Die Putschregierungen von Niger, Mali und Burkina Faso haben große Pläne.
Die Bundeswehr zieht ihre letzte Militärpräsenz in der Sahelzone ab.
Geflüchtete in Mauretanien: Bis hier und nicht weiter
In Mauretanien sammeln sich Geflüchtete aus ganz Afrika. Spanien und die EU
bezahlen das Land dafür, Menschen mit dem Ziel Kanaren aufzuhalten.
Verschleppte Flüchtlinge in Nordafrika: Die Sahara als Waffe
Tausende Afrikaner werden auf ihrer Flucht nach Europa verschleppt. Die EU
zahlt dafür Geld an nordafrikanische Länder.
Gewalt gegen Migrant:innen: Jede 40. Person stirbt
Die UN melden für 2023 eine Rekordzahl an Todesfällen auf Migrationsrouten.
Seenotretter:innen berichten von Schüssen und Festsetzungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.