# taz.de -- Hitzewelle in Kairo: 40 Grad, kein Grün weit und breit | |
> Ägyptens Hauptstadt Kairo leidet seit Wochen unter einer Hitzewelle. Das | |
> liegt am Klimawandel, aber auch am Städtebau. | |
Bild: Ein Blick über die Dächer Kairos – kein Grün, dafür viel Hitze | |
Kairo taz | Eine Gruppe Arbeiter hat sich im Zentrum Kairos in den Schatten | |
eines der wenigen Bäume geflüchtet. Sie trinken Tee und rauchen | |
Wasserpfeife. In den Autowerkstätten der Straße liegt die Arbeit still, wie | |
jeden Mittag in den letzten Wochen, in denen Kairo fest im Griff einer | |
Hitzewelle ist. Es hat um die 40 Grad. „Was soll ich machen? Ich muss | |
meinen Lebensunterhalt verdienen und die Rechnungen bezahlen, egal wie heiß | |
es ist“, sagt der Mechaniker Abdelwahab Mamduh. Er versuche aber, mittags | |
nicht zu arbeiten. | |
Mahmud Abdallah, der neben ihm sitzt, ist dieser Tage ein gefragter Mann. | |
Er repariert Klimaanlagen, meist draußen an den Häuserwänden, damit es | |
andere in ihren vier Wänden kühler haben. „Ich fange früh an zu arbeiten, | |
damit ich mittags für ein paar Stunden Pause machen kann, und dann geht es | |
bis in die späten Abendstunden weiter.“ Vermeidet es, nach draußen zu | |
gehen, lautet der Rat der Behörden. Für Millionen Menschen in Kairo, die im | |
Freien arbeiten, ist das ein fast zynischer Vorschlag. | |
Seit Wochen leiden die Menschen in Kairo unter der Hitzewelle. An guten | |
Tagen bleibt die Temperatur unter 40 Grad, immer öfter steigt sie auch | |
darüber. Hinzu kommen Stromausfälle von bis zu drei Stunden am Tag. Der | |
Staat möchte das in Ägypten geförderte Erdgas sparen, um es für harte | |
Devisen nach Europa zu exportieren. Deswegen wird der Strom der Reihe nach | |
in den verschiedenen Stadtvierteln zeitweise abgeschaltet. Dann stehen | |
Ventilatoren und Klimaanlagen still. „Gott helfe uns, und dann auch noch | |
diese täglichen Stromausfälle. Gott habe Gnade, wir haben kleine Kinder, | |
die sterben fast in dieser Hitze“, sagt Tarek Hamuda auf einer der Straßen | |
Kairos. | |
Dass die Sommer immer unerträglicher werden, hat nicht nur mit dem | |
Klimawandel zu tun, der die sommerlichen Hitzewellen immer länger macht. | |
Hinzu kommt der sogenannte [1][Städtische Hitzeinsel-Effekt]. Der Asphalt | |
und der Zement treiben die Temperaturen in der Stadt noch weiter hoch. | |
Dabei verschiebt und verlängert sich der Zeitpunkt der täglichen | |
Höchsttemperatur. „Vor zwanzig Jahren war der Hitzehöhepunkt um zwei oder | |
drei Uhr nachmittags erreicht. Jetzt kommt er später, weil der Zement und | |
der Asphalt die Hitze speichern“, erklärt Ahmad Zaazaa, ein ägyptischer | |
Städteplaner mit Schwerpunkt Klimawandel und urbane Zentren. Nicht einmal | |
mehr nachts kühle es richtig ab, die Hitzewelle ziehe sich bis nach | |
Mitternacht. | |
Gute Nachricht: Ein Umdenkprozess findet statt | |
Das Problem sei, dass sich Kairo in einem urban frency befinde, sagt Zazaa, | |
einer Art „städtischen Rage“, vor allem in den letzten zehn Jahren. Die | |
20-Millionen-Stadt hat einen wahren Bauwahn erlebt. Bäume wurden gefällt, | |
um breiteren Straßen Platz zu machen. Riesige Asphaltschneisen dienen als | |
Stadtautobahnen. Grünflächen werden vermietet und kommerziell bebaut. „In | |
nur einem Jahr wurden so viele Straßen erweitert und neu gebaut, dass wir | |
Grünflächen in einer Größenordnung von 54 Fußballfeldern verloren haben. | |
Und Kairo war schon zuvor nicht mit viel Grünfläche gesegnet.“ | |
Gegenmaßnahmen gäbe es viele, sagt der Städteplaner: Vom Aufhalten des | |
Verstädterungsprozesses, dem Verwenden von Naturmaterialien beim Bau, die | |
die Hitze weniger speichern, bis hin zu einer landesweiten Strategie für | |
mehr Grünflächen in den Städten. Aber in Kairo passiere derzeit das | |
Gegenteil. Zazaa hofft, dass zumindest andere vom Beispiel der ägyptischen | |
Hauptstadt lernen: „Versucht, möglichst wenig Grünflächen zu versiegeln“, | |
rät er, „denn das ist einer der Hauptfaktoren für den städtischen | |
Hitzeinseleffekt.“ | |
Langsam findet dabei in Kairo ein Umdenkprozess statt. „Dass sie so viel | |
Bäume gefällt haben, ist einer der Gründe für diese Hitze. Das sollte | |
verboten sein und jeder sollte gezwungen werden, vor seinem Haus einen Baum | |
zu pflanzen“, meint die Hausfrau Umm Jussuf, die verschwitzt ihre Einkäufen | |
durch die Gasse der Autowerkstädten trägt. Immerhin: Der neue | |
Bürgermeister, Ibrahim Saber, hat vor wenigen Tagen verkündet, dass es | |
künftig einer Genehmigung bedarf, bevor ein Baum gefällt wird. Angesichts | |
früherer Aussagen der Umweltministerin Jasmin Fuad verspricht das | |
allerdings wenig Veränderung. In einem Interview hatte sie erklärt, dass | |
das Fällen von Bäumen gut sei für die Umwelt – weil der Verkehr dann besser | |
fließe. | |
19 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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