# taz.de -- Computerspiele per Rundfunkgebühr?: Der schmale Grat | |
> Der SWR hat ein Computerspiel vorgestellt, das sich hart an der Grenze | |
> dessen bewegt, was definierte Aufgabe des öffentlich-rechtlichen | |
> Rundfunks ist. | |
Bild: „GreenGuardiansVR“: Zocken für den Klimaschutz? | |
Wer vor dem Bildschirm mit einer Laserkanone „fliegende Öldrohnen | |
eliminiert“ (O-Ton SWR) – kann der für das Thema Klimawandel sensibilisiert | |
werden? Und vor allen Dingen: Ist es Aufgabe des öffentlich-rechtlichen | |
Rundfunks (ÖRR), mit der Rundfunkgebühr Computerspiele zu entwickeln? | |
Diese Fragen stellen sich, nachdem der SWR auf der Gamescom, der | |
weltgrößten Messe für [1][Computer- und Videospiele], in den letzten Tagen | |
sein „Virtual Reality Game zum Klimawandel“ präsentierte. Es heißt | |
[2][„GreenGuardiansVR“] und soll – Motto: „Rette die Welt“ – für | |
Jugendliche ab 14 Jahren geeignet sein. | |
In dem Spiel gehe es darum, so formuliert der SWR, „dass Hindernisse mit | |
erneuerbaren Energie-Packs (Blaster) weggeräumt werden“. Es werde „nicht | |
auf Personen ‚gestrahlt‘“, beteuert eine Sprecherin des Senders, nachdem | |
der Trailer (das Spiel selbst soll erst im Herbst herauskommen) durchaus so | |
interpretiert werden kann, dass hier auf Vertreter der Lobby der fossilen | |
Energien gezielt wird. In sozialen Medien war bereits die Rede davon, es | |
werde auf „Andersdenkende“ und „Klimaleugner“ gefeuert. | |
Für Menschen unter 25 Jahren, so erklärt der Sender, sei „die Klimakrise | |
oft abstrakt, bedrückend oder beides“. Deswegen vermittle man mit Green | |
Guardians „spielerisch Fakten und Informationskompetenz“. Man betreibe | |
damit „Klimajournalismus mit weniger Schock und Zukunftsangst, dafür mit | |
mehr Interaktion und Teamwork, Action und Humor“. Das Spiel verbinde somit | |
„Gaming und Journalismus“, behauptet der SWR. Projektleiter Tim Philipp vom | |
SWR-Innovationslab sieht sich damit in einer Nische „zwischen | |
anspruchsvollen Game-Inhalten, also Interaktion, und den Inhalten, die | |
dort erzählt werden“. | |
## Aus anderen Bereichen umgeschichtet | |
Mit dem Slogan „Zocken ohne Extra-Kosten“ preist der SWR sein Spiel an, | |
denn es werde für die Nutzer „dank Rundfunkbeitrag“ werbefrei und kostenlos | |
angeboten. | |
Welche Summe aus den Rundfunkgebühren für das Spiel aufgewandt wurde, teilt | |
der Sender auf Anfrage allerdings nicht mit – „aus Rücksicht auf | |
Vertragspartner“. Ohnehin kosteten Spiele „in der Regel nur einen Bruchteil | |
im Vergleich zur linearen Sendung“, erklärt eine Sprecherin und fügt hinzu, | |
dass es dafür „kein zusätzliches Geld“ aus der „solidarisch finanzierte… | |
Rundfunkgebühr gebe. Das Geld werde vielmehr „aus anderen Bereichen und | |
Projekten umgeschichtet“. | |
Formal ist das Angebot eine Gratwanderung. Die öffentlich-rechtlichen | |
Rundfunkanstalten dürfen nämlich „bisher nur eingeschränkt im | |
Gaming-Segment agieren“, wie aus aktuellem Anlass auch [3][das | |
Branchenmagazin Medieninsider] erklärte. Im Medienstaatsvertrag gibt es | |
nämlich eine Negativliste, und durch diese sind „Spieleangebote ohne Bezug | |
zu einer Sendung“ explizit unzulässig. Pflichtschuldig erklärt der SWR | |
daher, das Spiel gehöre zur Einzelsendung „KlimaZeit – Klimawirksame | |
Lügen“, die am 9. August auf Tagesschau24 gelaufen sei. Mithin sei es also | |
ein „sendungsbegleitendes Spiel“ und entspreche damit den formalen | |
Anforderungen an die Verwendung der Rundfunkgebühren. | |
Allerdings ist im Medienstaatsvertrag auch das Ziel verankert, dass die | |
Sender „den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den | |
gesamtgesellschaftlichen Diskurs in Bund und Ländern fördern“ sollen. Aber | |
trägt ein Spiel dazu bei, das Jugendliche (laut SWR richtet es sich „an die | |
Generation Z“) am Bildschirm motiviert, bemannte Flugkörper abzuschießen? | |
Hierzu teilt der SWR mit: „Das Game ist ein Multiplayer-Game, also ein | |
kollaboratives Spiel, das Menschen zusammenbringt.“ Und das Zusammenspiel, | |
so der SWR, „bringt alle weiter“. | |
Solche Spiele, geschaffen von den gebührenfinanzierten Sendern, könnten in | |
Zukunft häufiger werden. Denn wie Medieninsider weiter berichtet, wolle | |
„die Politik das Zocken im öffentlich-rechtlichen Auftrag nun fördern“ – | |
was zugleich aber auch die Debatte über die ureigenen Aufgaben des ÖRR noch | |
befeuern dürfte. | |
25 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Games-im-Schulunterricht/!5955176 | |
[2] https://greenguardiansvr.swr.de/ | |
[3] https://medieninsider.com/ | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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