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# taz.de -- Verdrängung von Obdachlosen: Sauber rausgekickt
> Aufenthaltsorte von obdachlosen Menschen in Mitte werden vermehrt
> geräumt. Streetworker:innen sehen die EM als Auslöser.
Bild: Zur EM unerwünscht – Zeltlager von Obdachlosen
berlin taz | Seit dem Start der EM vor einer Woche hat sich das Stadtbild
verändert. Für die internationalen Fußballfans wurde besonders an
öffentlichen Plätzen und in touristischen Gegenden ein riesiges
Aufräumprogramm durchgeführt. Die Leidtragenden dieser Maßnahmen sind
obdachlose Menschen. Gegen sie wurde in den vergangenen Wochen verstärkt
vorgegangen, mehrfach kam es in Mitte zu größeren Räumungen ihrer
Schlafplätze.
„Die Räumungshäufung und -dichte ist sehr auffällig“, sagt Juri Schaffra…
von [1][„Gangway“, einer Organisation für Straßensozialarbeit], der taz.
Unter anderem kam es an der Jannowitzbrücke und der Liebknechtbrücke zu
Auflösungen. Sechs größere Schlafflächen seien geräumt worden, sagt
Schaffranek. Er gehe daher von 50 bis 60 betroffenen Menschen aus. Die EM
sieht er als „eindeutigen Auslöser“ für das verstärkte Vorgehen der
Behörden.
Das Bezirksamt Mitte streitet das gegenüber der taz ab: „Einen Zusammenhang
mit der Euro 24 gibt es nicht.“ Bevorzugte Räumungen an touristischen Orten
würden nicht stattfinden. Denkbar sei jedoch, dass hier das
Beschwerdeaufkommen durch die Sichtbarkeit größer sei und deswegen teils
mehr geräumt werde, so eine Sprecherin.
## Räumungen auch in anderen EM-Städten
Stefan Schneider von der Wohnungslosen Stiftung dagegen schließt sich der
Gangway-Einschätzung an. Im Gespräch mit der taz sagt er: „Geräumt wird
permanent, das ganze Jahr über“, einen Zusammenhang mit der EM gebe es ihm
nach trotzdem. Denn auch in anderen EM-Austragungsstädten sei es zu
verstärkten Räumungen gekommen.
Aus den wohnungslosen Magazinen Hinz&Kunzt in Hamburg und Bodo in
[2][Dortmund] wisse man: „Dort passiert genau das gleiche.“ Außerdem fiele
auf, dass die Räumungsaktionen meistens nur mündlich kommuniziert würden
und demnach nur schwer überprüft werden könnten. Dass eine Fläche
EM-bedingt geräumt wird, würden die Zuständigen nie öffentlich oder
schriftlich zugeben, so Schneider.
## Verdrängung löst keine Probleme
Gangway-Streetworker Schaffranek bemängelt zudem, dass es nicht ausreichend
[3][einfach zugängliche Hilfsangebote] nach Platzverweisen und Räumungen
gebe. Die Obdachlosen würden sich selbst überlassen, das sei „psychosoziale
und gesundheitliche Verelendung“. Der Bezirk Mitte rechtfertigt sich: Dem
Ordnungsamt sei zwar „bewusst, dass die betroffenen Personen teilweise
gesundheitliche Einschränkungen und schwere Schicksale hinter sich haben“,
diese Tatsache sei jedoch „kein ausreichender Grund für eine Duldung
illegaler Camps zu Lasten der allgemeinen Sicherheit und Ordnung“. Gangway
sieht dieses Vorgehen kritisch: „Verdrängung löst eben blöderweise kein
einziges Problem.“
Das zeige auch das seit Februar laufende [4][BVG-Projekt
„Reinigungs-Streife“], das entlang der U8 für mehr Sicherheit und
Sauberkeit sorgen soll. Dabei würden auch obdachlose und suchtkranke
Menschen verdrängt. Das führe dazu, dass sich diese Menschen verstärkt in
den umliegenden Kiezen aufhielten, was wiederum für Ärger mit den
Anwohner:innen sorge. Schaffranek befürchtet, dass solche
Verdrängungsmaßnahmen sich nach der EM noch verstärken könnten. Denn wenn
Anwohner:innen sich einmal an aufgeräumte Plätze und saubere,
Obdachlosen-freie U-Bahnhöfe gewöhnten, wollten sie auch, dass es so
bleibt. Auch, wenn das auf Kosten der Obdachlosen passiert.
21 Jun 2024
## LINKS
[1] /Streetworker-ueber-Wohnungslosigkeit/!5915475
[2] /Angriffe-gegen-Obdachlose/!6000243
[3] /Aktionsplan-gegen-Wohnungslosigkeit/!6004827
[4] /Pilotprojekt-in-Berliner-U-Bahn/!5996046
## AUTOREN
Luise Greve
## TAGS
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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