| # taz.de -- Von der Leyen soll Präsidentin bleiben: Schachern für die Mehrheit | |
| > Vor dem EU-Gipfel steht bereits fest: Ursula von der Leyen soll | |
| > Kommissionspräsidentin bleiben. Das erfreut nicht alle. | |
| Bild: Ziemliche neue beste Feinde? Giorgia Meloni neben Ursula von der Leyen be… | |
| Brüssel und Rom taz | Auf Ursula von der Leyen folgt – Ursula von der | |
| Leyen. Die CDU-Politikerin soll auch in den kommenden fünf Jahren die | |
| EU-Kommission führen und damit die mächtigste Frau in Europa bleiben. | |
| Darauf haben sich, rund zwei Wochen nach der Europawahl, sechs Staats- und | |
| Regierungschefs der EU geeinigt. Sie wollen [1][ihr Personalpaket] beim | |
| EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel präsentieren. | |
| Zu dem Deal, den Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Staatschef Emmanuel | |
| Macron und vier weitere EU-Politiker im Namen der drei großen | |
| Parteienfamilien (Konservative, Sozialdemokraten und Liberale) ausgehandelt | |
| haben, zählen noch zwei weitere Top-Jobs: Der Portugiese António Costa soll | |
| ständiger Ratspräsident werden, die Estin Kaja Kallas bekommt den Job der | |
| EU-Außenbeauftragten. | |
| Costa gilt als jovialer und ausgleichender Politiker; der frühere | |
| portugiesische Regierungschef soll künftig die EU-Gipfel vorbereiten und | |
| Kompromisse suchen. Kallas eilt hingegen der Ruf voraus, besonders | |
| kompromisslos zu sein – vor allem, wenn es um Russland und den Krieg in der | |
| Ukraine geht. Sie soll die Interessen der Balten und der Osteuropäer | |
| vertreten, Costa dürfte mehr für Südeuropa sprechen. | |
| [2][Mit dem Ergebnis der Europawahl] hat dieses Paket wenig zu tun, die | |
| Posten wurden nach parteipolitischem Proporz vergeben. Von der Leyen steht | |
| für die konservative Europäische Volkspartei EVP, Costa für die | |
| Sozialdemokraten, Kallas für die Liberalen. Die Rechtspopulisten der | |
| „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) wurden nicht | |
| berücksichtigt, obwohl sie stärker geworden sind. | |
| ## EU weiter auf Kurs halten | |
| Ist das demokratisch? Und kann das gut gehen? Das ist die Frage, die den | |
| bereits zweiten EU-Gipfel nach der Europawahl beherrschen dürfte. Beim | |
| ersten Spitzentreffen vor zehn Tagen waren sich die EU-Chefs noch nicht | |
| einig geworden. Die Konservativen hatten mehr Macht gefordert und damit | |
| Scholz und seine Genossen vor den Kopf gestoßen. Es herrschte dicke Luft, | |
| die Entscheidung wurde erst mal vertagt. | |
| Beim zweiten Anlauf stehen die Chancen besser. Denn die Sechsergruppe | |
| verfügt unter den 27 Mitgliedsstaaten über die nötige [3][qualifizierte | |
| Mehrheit]. Sie sehen sich nicht nur als Cheerleader für von der Leyen, | |
| sondern auch als Speerspitze der „Pro-Europäer“, die Populisten und | |
| Nationalisten widerstehen und die EU weiter auf Kurs halten. | |
| Doch zumindest zwei Verhandlungsführer – Macron und der niederländische | |
| Premier Mark Rutte – sind angeschlagen. Macron hat die Europawahl in | |
| Frankreich gegen die Nationalisten krachend verloren und hat deshalb | |
| Neuwahlen ausgerufen, die der EU große Sorgen bereiten. Und Rutte wurde am | |
| Mittwoch zum neuen Nato-Generalsekretär ernannt. Er kann schwerlich noch | |
| für die Niederlande sprechen. | |
| Außerdem wäre da noch die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni. | |
| Ihre „Fratelli d’Italia“ (Fdl) haben bei der Europawahl [4][hinzugewonnen… | |
| ihre Parteienfamilie – die EKR – wurde gestärkt. Meloni ist deshalb mehr | |
| als verärgert, dass ihre Regierung bei den Verhandlungen über die | |
| europäischen Top-Jobs keinerlei Rolle spielte und zu keinem Zeitpunkt | |
| konsultiert wurde. „Wir sind EU-Gründerstaat, wir sind die dritte | |
| Volkswirtschaft, der zweitgrößte Industriestandort, das nach Bevölkerung | |
| drittgrößte Land“, sagte sie in einer Regierungserklärung zum anstehenden | |
| EU-Gipfel am Mittwochvormittag. | |
| Vor allem aber rechnete die Postfaschistin vor, dass in Deutschland, | |
| Frankreich und Spanien die Regierungen die europäischen Parlamentswahlen | |
| verloren hätten, während sie selbst einen klaren Sieg verbuchen konnte. | |
| „Eine fragile Mehrheit“ schicke sich da an, in Europa die Entscheidungen zu | |
| treffen, in exklusiven „Kaminrunden“, angeblich vorbei an den Bürgern, die | |
| ein „konkreteres und weniger ideologisches Europa“ wollten. Schluss müsse | |
| sein mit „jenen Führungsklassen in Europa“, die weiter versucht seien, „… | |
| Staub unter den Teppich zu kehren und in ihren alten, enttäuschenden | |
| Logiken weiterzumachen“, kommentierte die Ministerpräsidentin den | |
| Personaldeal scharf. | |
| ## Melonis Position auf dem EU-Gipfel unklar | |
| Nachdem Scholz, Macron und Sanchez so ihr Fett wegbekommen hatten, ließ | |
| Meloni offen, wie sie sich auf dem EU-Gipfel positionieren will. Als | |
| mögliches Szenario gilt italienischen Medien zufolge, dass sie sich bei der | |
| Abstimmung über die Top Jobs der Stimme enthält und so ihren Dissens | |
| manifestiert. | |
| Das würde den Deal erst mal nicht platzen lassen, aber es gibt noch ein | |
| weiteres Problem: Das Europaparlament muss von der Leyens zweiter Amtszeit | |
| als Kommissionschefin zustimmen. Konservative, Sozialdemokraten und | |
| Liberale verfügen zwar rechnerisch über eine knappe Mehrheit. Doch da es in | |
| der Straßburger Kammer keine Fraktionsdisziplin gibt und von der Leyen | |
| viele Gegner hat, könnte es eng werden. | |
| Und da kommt Meloni ins Spiel. Während die italienische Ministerpräsidentin | |
| und von der Leyen monatelang untereinander [5][gedeihliche Beziehungen] | |
| aufgebaut haben, könnte Meloni der Kommissionspräsidentin jetzt in den | |
| Rücken fallen. Denn Meloni ist Vorsitzende der rechtskonservativen EKR. Und | |
| es stellt sich die Frage, wie deren 83 Abgeordnete, darunter 24 von Melonis | |
| „Fratelli d’Italia“ (FdI), im Juli votieren werden, wenn von der Leyen si… | |
| der Abstimmung im EP stellen muss. | |
| Deshalb geht der europäische Machtkampf weiter. Die Grünen würden gern mit | |
| von der Leyen gehen, fordern dafür aber ein klares Nein zu | |
| Rechts-Bündnissen. Doch die CDU-Politikerin hält sich alle Optionen offen. | |
| Sie könne sich durchaus vorstellen, mit einzelnen Politkern der | |
| rechts-konservativen EKR zusammenzuarbeiten, hat sie im Wahlkampf gesagt. | |
| Auch mit Meloni wolle sie weiter kooperieren. | |
| Am Ende könnte sie sich mithilfe der Grünen wählen lassen – und mit Stimmen | |
| der Rechten. Dann hätten die „Pro-Europäer“ zwar ihre Wunschbesetzung | |
| bekommen – doch die viel beschworene Brandmauer gegen Rechts wäre | |
| gebrochen. | |
| 26 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
| Michael Braun | |
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