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# taz.de -- Europawahl und Bier: Mit der Trinkerwelt auf du und du
> Politiker:innen fürchten am Sonntag leere Wahllokale. Und so locken
> manche das Wahlvolk mit Freibier. Toppen kann das nur die Bier-Partei.
Bild: Hinten Anstellen! Und nur ein Bier pro Briefwahlantrag!
Wir müssen über Bier reden. Kein [1][Getränk mit Wumms] ist langweiliger
als das Gebräu aus Hopfen und Malz. Okay, [2][für mache ist es ein
Volksgetränk], für mich ist jeder Schluck, als würde man mich in eine
Lederhose mit Enzian am Brustgurt pressen.
Ich hatte gehofft, um eine Bierkolumne drumrum zu kommen. Aber angesichts
der Bierschwemme, die Deutschland mit den Europawahlen ereilt hat, kann
sich selbst eine Bierignorantin wie ich dem nur schwer entziehen. Und das
nicht, weil Bier und Politik mittlerweile eine untrennbare Einheit sind.
Man kennt das ja allein vom [3][„politischen Aschermittwoch“], bei dem
ständig Trachtenjanker, Dirndl, Humpen durchs Fernsehbild getragen werden,
während CSU-Chef Markus Söder sich größte Mühe gibt, mal Sätze ohne
„Kifferconnection“, „Politiksimulaten“ und „wokenessfreie Zone“ zu
formulieren, die aber trotzdem bierselig sein sollen. Vermutlich kann das
selbst jeder Bierliebhaber nur mit drei Maß ertragen.
Auch die Bier-Partei hätte ich easy-peasy ignorieren können. Die hat mit
ihrer Kandidatur für die Europawahlen schon jetzt ihren Wahlkampf für
[4][die nächste Bundestagswahl 2025] klargemacht. Jedenfalls sagte
Spitzenkandidat [5][Dominik Wlazny, ein österreichischer Kabarettist,
Musiker und Arzt], sinngemäß, dass man bis nächsten Herbst getrost
durchtrinken könne. Das passt, finde ich, vor allem zum Wahlslogan: „Mut
zur Dichtheit“.
## Bier-Tasting mit Pub-Quiz
Diese Bierkolumne muss sein, weil die [6][Parteien offenbar große Angst vor
dem Sonntag] haben. Werden genug Bürger:innen an die Wahlurnen kommen?
Wissen die eigentlich, was wir in Brüssel so machen? Kennt man uns
überhaupt? Aber Parteien sind pfiffig. Jedenfalls die SPD in Elmshorn. Das
ist eine Stadt in Schleswig-Holstein mit knapp 50.000 Einwohner:innen
und einer Brauerei. In die hatte die SPD im Mai zu einem Bier-Tasting mit
Pub-Quiz eingeladen. Die Sozis schmissen Runde um Runde Freibier und wer
die meisten Quizfragen beantwortete, gewann eine Reise nach Brüssel.
Oder Duisburg in Nordrhein-Westfalen. Da fürchtete nicht allein die SPD,
die hier stärkste politische Kraft ist, sondern gleich mal die gesamte
Stadt, dass die Wahlhelfer am Sonntag die einzigen Gäste in den Wahllokalen
sein werden. Und wieder mal bewiesen die Sozialdemokraten Einfallsreichtum.
Wie bewegt man die Kumpel in der Stadt mit dem Status des ewigen
Kohlereviers? Klar, mit Bier. Wer an einem sonnigen, luftigen Tag mit einem
ausgefüllten Briefwahlantrag im Stadtteil Beeck zur SPD an den Infostand
kam, der konnte seinen Zettel gegen ein Freibier tauschen. Es gab aber nur
ein Bier pro Briefwahlantrag – damit war ein Besäufnis mit der SPD Beeck
ausgeschlossen. Wäre es aber auch so, das Bier war alkoholfrei.
Ob das Bier alkoholfrei war, zu dem Landwirtschaftsminister Cem Özdemir mal
in einen Stuttgarter Klub eingeladen hatte, ist mir nicht bekannt. Am
Sonntag wählt nämlich nicht nur Europa, sondern auch Baden-Württemberg,
nämlich neue Gemeinderats- und Kreistagsabgeordnete. Cem Özdemir hat dort
im Mai die Grünen unterstützt. Die Idee „Auf ein Bier mit Cem Özdemir“
fanden die Schwaben aber super, das Event war rege besucht. Wer wollte
nicht schon mal wissen, ob [7][Özdemir mit Bier genauso gut umgehen kann
wie mit Cannabis]?
Manche sagen, Cannabis ist keine Droge, sondern eine Ersatzreligion. Kann
schon sein, mit Religion kenne ich mich nicht sonderlich gut aus. Aber
nicht nur Politiker:innen wissen, wie man das misepetrige Volk an die
Wahlurnen kriegt, sondern auch Kirchenväter. In Bayreuth wird im Juni das
Kreuzlai-Bier ausgeschenkt. Ein spezielles Gebräu, das die Katholiken in
Oberfranken zu den Kirchenvorstandswahlen locken soll. Auch so eine Wahl
ist Politik in Europa. Denn Franken, ganz gleich ob in Ober-, Mittel- oder
Unterfranken, regieren insgeheim die Katholiken. Nach dem Desaster bei der
Landtagswahl im vorigen Herbst erwähnt man dort besser nicht, dass man noch
SPD-Mitglied ist.
Die Bier-Partei sollte in Bayern – Stichwort Oktoberfest – die besten
Chancen haben. Doch ganz so süffig, wie die Partei selbst glaubt, ist sie
gar nicht. Auch wenn ihr Lieblingsort, das Bierhaus Urban in der Berliner
Urbanstraße, 24/7 geöffnet ist. Als Parteizentrale keine schlechte Wahl,
will man die Funktionäre rund um die Uhr treffen. Man kann aber auch einen
Profijob übernehmen. Momentan sucht die Bier-Partei laut ihrer Website eine
oder einen Officemanager. Interessanter erscheint mir allerdings die
[8][Stelle der Communitymanagerin,] die ebenfalls ausgeschrieben ist. Man
kann es auch so formulieren: mit der Trinkerwelt auf du und du. Aber ich
trinke ja kein Bier.
8 Jun 2024
## LINKS
[1] /Trinkkur-in-Karlovy-Vary/!6009520
[2] /Trinkkultur-und-Kritik/!6011466
[3] /Unberechenbarer-Hubert-Aiwanger/!5995175
[4] /Europawahl-am-9-Juni/!6010644
[5] /Bundespraesidentenwahl-in-Oesterreich/!5883728
[6] /Die-EU-vor-der-Europawahl-2024/!6004924
[7] /Hanfaktivist-ueber-neues-Cannabisgesetz/!6010877
[8] https://www.bierpartei.eu/jobs/
## AUTOREN
Simone Schmollack
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