# taz.de -- Bundespräsidentenwahl in Österreich: Stabilität in der Wiener Ho… | |
> Amtsinhaber Alexander Van der Bellen hat die Bundespräsidentenwahl | |
> deutlich gewonnen. Die Ergebnisse sagen viel über Österreich aus. | |
Bild: Wahlparty mit Alexander van der Bellen am 9. Oktober in Wien | |
WIEN taz | Mit Alexander Van der Bellen hat Österreich ein Votum für | |
Stabilität abgegeben. Der am Sonntag mit rund 56 Prozent der gültigen | |
Stimmen wiedergewählte Bundespräsident zeigte sich nach den ersten | |
Hochrechnungen „dankbar für die Vermeidung der Stichwahl“. Angesichts der | |
großen Dichte von Gegenkandidaten hatte in seinem Lager zuletzt Nervosität | |
geherrscht. | |
Als Wahlmotiv hatten Befragte seine [1][politische Erfahrung und seine gute | |
Amtsführung] genannt. Außerdem sei der 78-Jährige sympathisch. Van der | |
Bellen hat das Land 2019 während [2][der Ibiza-Krise] mit sicherer Hand von | |
einer kollabierenden Rechtsregierung über eine Beamtenregierung zur | |
Koalition von ÖVP und Grünen geführt, ohne dass je eine Staatskrise gedroht | |
hätte. | |
Er meldete sich immer zu Wort, wenn sich Verunsicherung breitmachen wollte. | |
Als vor bald zwei Jahren eine 15-jährige, in Österreich geborene Schülerin | |
nach Georgien abgeschoben wurde, fragte er öffentlich, ob es nicht auch | |
andere Lösungen gegeben hätte. Der Verwaltungsgerichtshof sollte ihm später | |
recht geben. | |
Walter Rosenkranz, Kandidat der rechten FPÖ, blieb mit rund 18 Prozent | |
unter den Umfragewerten seiner Partei. FPÖ-Generalsekretär Michael | |
Schnedlitz wurde allerdings nicht müde zu betonen, dass der Amtsinhaber | |
„von den Grünen, der ÖVP, den Roten und Rosaroten unterstützt“ worden se… | |
Gemessen daran sei sein Sieg bescheiden ausgefallen. Rosenkranz seinerseits | |
hatte Konkurrenz, die „im selben Wählerteich“ gefischt hätten. | |
## Satiereprojekt wird bierernst | |
Gemeint sind Tassilo Wallentin, der Anwalt und ehemalige Kolumnist der | |
auflagenstarken Kronen Zeitung, der Haider-Zögling Gerald Grosz und der | |
Chef der Impfgegnerpartei MFG, Michael Brunner. Bei Wallentin, der auf 8,2 | |
Prozent kam, kann man eine erstaunliche Korrelation zwischen seinem | |
Abschneiden und der regionalen Verbreitung der „Krone“ feststellen. | |
Sein relativer Erfolg dürfte die FPÖ wohl besonders schmerzen, da | |
Parteichef Herbert Kickl ihn gerne als Quereinsteiger ins Rennen um die | |
Hofburg geschickt hätte. Sollte er eine eigene Partei gründen wollen, würde | |
den Rechtspopulisten mittelfristig ein lästiger Rivale erwachsen. | |
[3][Van der Bellen schnitt besonders gut] in den westlichen Bundesländern | |
Tirol, Vorarlberg und Salzburg sowie in Wien ab. Da erreichte er über 60 | |
Prozent. Unter der 50-Prozent-Marke blieb er einzig in Kärnten. Dort konnte | |
Walter Rosenkranz sogar in 22 Gemeinden eine relative Mehrheit erreichen. | |
Das einst von Jörg Haider regierte Bundesland beherbergt also noch immer | |
eine starke rechte Minderheit. SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser muss bei | |
den nächstes Jahr anstehenden Landtagswahlen gewarnt sein. | |
Wien ist wieder einmal anders: Vor der Auszählung der bundesweit über | |
900.000 Wahlkarten herrschte dort ein technisches Patt um den zweiten | |
Platz. Rosenkranz und [4][Dominik Wlazny] lagen Kopf an Kopf bei 10,9 | |
Prozent. Der 35-jährige Punk-Musiker, der sich Marco Pogo nennt, kam vor | |
allem bei Jungwählern gut an. Inhaltlich vertritt er ähnliche Positionen, | |
wie die Grünen: Frauenrechte, flexiblere Zuwanderungspolitik, mehr Raum für | |
Kultur. | |
## Trump wirkt auch in Österreich | |
Bei den unter Dreißigjährigen erreichte der Gründer des Satireprojekts | |
Bierpartei landesweit 20 Prozent. Insgesamt belegte er mit 8,4 Prozent den | |
beachtlichen dritten Platz. Das zeigt: Der Übergang vom Spaßprojekt zur | |
ernsthaften politischen Kraft ist bei den Wählern angekommen. In Wien sitzt | |
die Bierpartei seit zwei Jahren in elf Bezirksvertretungen. | |
Das Sozialforschungsinstitut SORA hat in einer repräsentativen | |
Nachwahlbefragung einen klaren Zusammenhang zwischen ökonomischer Lage und | |
Zustimmung für Van der Bellen festgestellt. Jene, die mit ihrem | |
Haushaltseinkommen nur schlecht auskommen, tendieren hingegen | |
überdurchschnittlich zu den rechten Kandidaten. Die Auswirkungen des | |
Trumpismus aus den USA machen sich auch bemerkbar. 58 Prozent der Wähler | |
von Walter Rosenkranz gaben an, sie würden einen von ihnen nicht gewählten | |
Kandidaten nicht als Präsidenten anerkennen. | |
Vor der Wahl wurde viel über das drängende Problem diskutiert, dass viele | |
in Österreich Geborene mangels Staatsbürgerschaft nicht wählen dürfen, | |
insgesamt 1,4 Millionen Menschen. Demgegenüber standen 6,36 Millionen | |
Wahlberechtigte. Österreich hat eines der strengsten | |
Staatsbürgerschaftsgesetze und Vertreter von ÖVP und FPÖ verweisen gerne | |
auf die Staatsbürgerschaft als „hohes Gut“. Umso erstaunlicher war, dass | |
bei einer Diskussionsrunde nach der Präsidentenwahl Vertreter dieser beiden | |
Parteien das demokratiepolitische Problem anerkannten und sich für | |
flexiblere Gesetze aussprachen. | |
10 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Bundespraesidentenwahl-in-Oesterreich/!5886690 | |
[2] /Bundesparteitag-in-Graz/!5626106 | |
[3] http://xn--Van%20der%20Bellen%20verlngert%20direkt-8vc | |
[4] /Bundespraesidentenwahl-in-Oesterreich/!5882487 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Präsidentschaftswahlen Österreich | |
Bundespräsident Österreich | |
Alexander Van der Bellen | |
FPÖ | |
ÖVP | |
Präsidentschaftswahlen Österreich | |
Österreich | |
Österreich | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bundespräsidentenwahl in Österreich: Generationswechsel steht bevor | |
Alexander Van der Bellen bleibt Bundespräsident. Er steht für Stabilität – | |
aber sein Rückhalt war unter den Jüngeren geringer als im Durchschnitt. | |
Bundespräsidentenwahl in Österreich: Punk für die Hofburg | |
Dominik Wlazny von der Bierpartei will österreichischer Präsident werden. | |
Er könnte Amtsinhaber Van der Bellen den Sieg im ersten Wahlgang | |
vermasseln. | |
Krise bei Österreichs Konservativen: ÖVP zieht die „Asylkarte“ | |
Seit dem Abgang von Exparteichef Kurz herrscht bei der ÖVP | |
Orientierungslosigkeit. Jetzt hat Generalsekretärin Sachslehner ihren | |
Rücktritt erklärt. |