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# taz.de -- Bundespräsidentenwahl in Österreich: Punk für die Hofburg
> Dominik Wlazny von der Bierpartei will österreichischer Präsident werden.
> Er könnte Amtsinhaber Van der Bellen den Sieg im ersten Wahlgang
> vermasseln.
Bild: Liegt in Umfragen bei acht Prozent: Dominik Wlazny alias Marco Pogo, Grü…
Wien taz | „Wie ist das möglich, dass in Österreich der Kandidat einer
Satirepartei in Umfragen für die Wahl des Bundespräsidenten auf acht
Prozent kommt?“ Ein Redakteur eines spanischen Senders, der sich mit dieser
Frage telefonisch meldete, sorgt sich, dass die Österreicher völlig
durchgeknallt seien. Dominik Wlazny, Gründer der Punkband Turbobier (2014)
und des Satireprojekts Bierpartei (2015), beantwortet im taz-Interview
diese Frage zunächst schlagfertig: „Ich bin auch überrascht, dass Walter
Rosenkranz antritt.“
Rosenkranz, Ombudsmann und Mitglied einer schlagenden Burschenschaft ist
der Kandidat der rechten FPÖ, der einzigen im Parlament vertretenen Partei,
die einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt.
Denn alle anderen Parlamentsparteien unterstützen mehr oder weniger
deutlich den als überparteilich antretenden Amtsinhaber Alexander Van der
Bellen. Der 78-jährige Wirtschaftsprofessor und frühere Chef der Grünen
muss um seine Bestätigung im Amt nicht bangen. Fraglich ist nur, ob es
einer Stichwahl bedarf oder ob er schon an diesem Sonntag die erforderliche
absolute Mehrheit einfahren wird.
Der Wahlkampf spielt sich in den sozialen Medien ab und verläuft
unaufgeregt. Van der Bellen mit seinem unverzichtbaren Dreitagebart lächelt
von Plakaten mit Alpenkulisse und will damit den gerne von den Rechten
reklamierten Begriff „Heimat“ besetzen. Er schaut in Großportraits
nachdenklich oder freundlich und macht sich im Fernsehen rar. Debatten mit
seinen Herausforderern stellt er sich nicht. Das sei mit der Würde des
Amtes nicht vereinbar, erklärt sein Büro.
## Die meisten Herausforderer wollen sich rechts überholen
Man kann ihn verstehen. Die Auswahl der Gegenkandidaten hat schon manchen
Leitartikler für das Leben des amtierenden Präsidenten beten lassen nach
dem Motto: „Man stelle sich vor, dem Mann passiert etwas. Dann würde einer
von denen Bundespräsident werden.“
FPÖ-Kandidat Rosenkranz bekommt vor allem Konkurrenz von rechts. Da ist
einmal der Jörg-Haider-Verehrer Gerald Grosz, der 2005 mit seinem Idol von
der FPÖ zum inzwischen verblichenen Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ)
wechselte und seit einigen Jahren im Privatsender oe24.tv des
Boulevardkönigs Wolfgang Fellner als rechter Widerpart des linken
Tierschutz- und Klimaaktivisten Sebastian Bohrn Mena für unterhaltsame
Streitgespräche gut ist. Für Quote sorgt dabei sein Vokabular aus der
Gosse.
Auch der Rechtsanwalt Tassilo Wallentin bedient die rechte Klientel. Als
Kolumnist der bunten Sonntagsbeilage der Kronen Zeitung verbreitet er gern
Verschwörungserzählungen, von denen er auch nicht ablässt, wenn ihm vor
laufender Kamera nachgewiesen wird, dass er Nonsens erzählt. So geschehen
im Interview mit ORF-Anchorman Armin Wolf in „Zeit im Bild2“.
Der Kandidat der Kronen Zeitung wird vom steirisch-kanadischen Milliardär
Frank Stronach gesponsert, dessen eigene politische Ambitionen vor einigen
Jahren von der Wählerschaft zu wenig gewürdigt wurden.
Aus dem Dunstkreis der Verschwörungserzähler kommt auch Michael Brunner von
der monothematischen Impfgegnerpartei MFG. Er hält das Maskentragen „durch
eine erhöhte CO2-Rückatmung oder Heranbildung von Pilzen und
Bakterienkolonien im Maskeninneren“ für gefährlicher als das Virus selbst.
## Der Punkmusiker Marco Pogo ist zugleich Dr. Dominik Wlazny
Da ist es nicht weit zum Waldviertler Schuhfabrikanten und Finanzrebell
Heini Staudinger, der sich auch nicht impfen lassen will, Verständnis für
Putin äußert und die #MeToo-Bewegung für eine Erfindung der CIA hält.
Kein Wunder, dass sich der Punkmusiker Marco Pogo, wie sich Dominik Wlazny
lange nannte, als vergleichsweise seriöser Kandidat für die Hofburg
profilieren konnte. Als promovierter Arzt hat er vor einem Konzert selbst
schon zur Spritze gegriffen, um seine Fans zu immunisieren.
Und seit nach der Wien-Wahl 2020 elf Vertreter der Bierpartei in
Bezirksvertretungen sitzen, ist aus dem Satireprojekt eine ernsthafte
politische Kraft geworden. „Das war ein klarer Wählerauftrag und da hätte
ich es schade gefunden, weiterhin nur satirisch tätig zu sein“, sagt der
35-Jährige im Interview in „Pogo’s Empire“, seinem Studio im Wiener
Arbeiterbezirk Simmering. Im Bezirk werde über Parteigrenzen hinweg
konstruktiv gearbeitet. Das finde er „eigentlich total angenehm“.
## Wlazny hat an Van der Bellen wenig auszusetzen
Die meisten seiner Forderungen fallen zwar nicht in die Kompetenz des
Staatsoberhauptes, doch sind sie durchweg vernünftig, etwa ein Verbot von
Abschiebungen in Österreich geborener Kinder. Marco Pogo ist keiner, der
auf der Bühne Gitarren zertrümmert und Dr. Dominik Wlazny fällt nicht durch
extreme Reformvorschläge auf. Er wirkt so brav, dass sich nicht nur
Jungwähler von ihm angezogen fühlen.
Wahlplakate, Broschüren, PR-Leute und Spin-Doktoren sucht man in seinem
Büro vergebens. Auf Wlaznys Schreibtisch liegt eine kommentierte Ausgabe
der Bundesverfassung. Zumindest die für sein angestrebtes Amt relevanten
Artikel hat er auch gelesen. Der großgewachsene, schlanke Punker mit dem
schulterlangen Haar würde sich als Bundespräsident mehr politisch
einbringen.
Sonst hat Wlazny an Van der Bellen wenig auszusetzen. Für ein Szenario, in
dem er tatsächlich Bundespräsident werden könnte, fehlt ihm spontan die
Fantasie. Aber sollte Van der Bellen die absolute Mehrheit nicht auf Anhieb
schaffen, dann liegt es vielleicht auch an ihm.
6 Oct 2022
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
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