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# taz.de -- Krise bei Österreichs Konservativen: ÖVP zieht die „Asylkarte“
> Seit dem Abgang von Exparteichef Kurz herrscht bei der ÖVP
> Orientierungslosigkeit. Jetzt hat Generalsekretärin Sachslehner ihren
> Rücktritt erklärt.
Bild: „There is no way“: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) stellt seine A…
Wien taz | Wieder einmal sorgt das Thema Asyl für Unruhe in Österreichs
ÖVP-Grünen-Koalition. Geopfert wurde die ÖVP-Generalsekretärin Laura
Sachslehner, die am Samstag überraschend ihren Rücktritt erklärte. Sie
hatte zuletzt für Wirbel gesorgt, weil sie die Auszahlung eines Klimabonus
von 500 Euro an Asylwerber ablehnte.
Die [1][Kompensation für steigende Energiekosten] wurde bereits vor einem
Jahr von den Koalitionspartnern ausgehandelt, noch unter [2][Sebastian Kurz
als Parteichef]. Sachslehners Polemik, der Bonus sei für Menschen gedacht,
die „hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, jeden Tag aufstehen und ihr
Bestes geben“, widersprach dem, was die Parteiführung paktiert hatte:
Begünstigt werden alle, die seit mehr als sechs Monaten legal in Österreich
leben.
ÖVP-Fraktionschef August Wöginger erkannte die Gefahr für die Koalition und
legte der 28-Jährigen den Rücktritt nahe. Sachslehner gehorchte, stach aber
in ein Wespennest. „Momentan ist der Kurs, für den ich brenne, nicht
derjenige, der von der Bundesebene gerade gewünscht wird“, vertraute sie
dem Boulevardblatt Kronen Zeitung an. Sie weiß, dass ihr Rechtskurs von
einem großen Teil der Basis geteilt wird.
Die Grünen zu provozieren und ein vorzeitiges Ende der Koalition zu
riskieren, kann aber nicht im Sinne der Partei liegen. In Umfragen liegt
die ÖVP bundesweit mit knapp über 20 Prozent klar hinter der SPÖ (rund 30
Prozent) und Kopf an Kopf mit der FPÖ – weit entfernt von den 37,5 Prozent,
die Kurz 2019 eingefahren hatte.
Im Bundesland Tirol, wo die ÖVP seit Menschengedenken regiert, hat
Landeshauptmann Günther Platter seinen Abgang angekündigt. Bei den
Landtagswahlen am 25. September muss sein Nachfolger Anton Mattle den
angekündigten Absturz unter die 30-Prozent-Marke ausbaden. Das wäre mit
einem Minus von 15 Prozentpunkten zwar noch der erste Platz, doch würde
eine Zweierkoalition wohl nicht mehr ausreichen.
## ÖVP will Schleppern das Handwerk legen
Mattle versuchte sich zuletzt dadurch zu profilieren, dass er die
EU-Sanktionen gegen Russland in Frage stellte. Er zeigte sich „offen“
gegenüber dem Vorstoß des oberösterreichischen Landeshauptmanns Thomas
Stelzer (ÖVP), die Sanktionen gegen Russland auf „Treffsicherheit zu
überprüfen“. Dieses Abweichen von der Parteilinie wird als Versuch gesehen,
im Teich der Putin-freundlichen FPÖ zu fischen. Umfragen zeigen, dass 40
Prozent der Menschen angesichts explodierender Energiekosten „sehr“ oder
„eher“ dazu tendieren, Putin im Ukraine-Krieg entgegenzukommen.
Immer wenn es der ÖVP schlecht geht, so haben Leitartikler beobachtet,
ziehe sie die „Asylkarte“. So kam es nicht überraschend, dass Innenminister
Gerhard Karner (ÖVP) Ende August eine Kampagne präsentierte, die den
Schleppern das Handwerk legen soll. Griffige Botschaften, wie „Du kannst
nicht bleiben“, oder: „Du wirst scheitern“, illustriert mit Fotos
martialischer Grenzpolizisten mit Kampfhunden, sollen ab Januar in den
sozialen Medien von Indien, Tunesien und Marokko platziert werden. Die
Anzahl von Asylwerbern aus diesen „Urlaubsländern“ habe nämlich in den
letzten Monaten sprunghaft zugenommen.
Die Orientierungslosigkeit der einst staatstragenden Konservativen ist seit
dem Abgang des einst [3][wie ein Messias gefeierten Sebastian Kurz]
offensichtlich. Das Dreigestirn aus Kurz, Exfinanzminister Gernot Blümel
und Exlandwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, das Österreich „neu
regieren“ wollte, hat nach seinem politischen Scheitern blitzschnell hoch
dotierte Posten in in- und ausländischen Spekulationskonzernen gefunden und
kann jetzt richtig Kohle machen.
11 Sep 2022
## LINKS
[1] /Entlastungspaket-in-Oesterreich/!5861392
[2] /Oesterreichs-Ex-Kanzler-Kurz/!5816029
[3] /Aufarbeitung-der-Kurz-Aera-in-Oesterreich/!5837966
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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