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# taz.de -- Gedenken an getöteten Polizisten: „Blutiger Terrorakt“
> Bundespräsident Steinmeier legt Blumen am Tatort in Mannheim ab. Mit
> Hunderten Menschen erinnert er an den getöteten Polizisten Rouven Laur.
Bild: Bundespräsident Steinmeier bei der Gedenkveranstaltung für den getötet…
Mannheim dpa | Eine Minute der Stille. Danach schlägt die Glocke im Turm
des Alten Rathauses am Mannheimer Marktplatz einmal. Menschen fangen an zu
klatschen, erst zögerlich, dann stärker. Die Mutter des getöteten
Polizisten Rouven Laur bricht in Tränen aus. Sie steht mit ihrem Mann und
weiteren Angehörigen neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier,
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und
Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Gemeinsam mit mehr als 1.500 Menschen haben sie am Freitag um 11.34 Uhr auf
dem Platz des getöteten Beamten gedacht, der hier [1][vor einer Woche von
einem 25-jährigen Afghanen niedergestochen wurde.] Im ganzen Land erinnern
zu diesem Zeitpunkt Polizisten an den im Dienst tödlich verletzten
29-Jährigen.
Später bezeichnet Steinmeier den Messerangriff nach einem Gespräch mit
Polizeibeamten und Angehörigen von Rouven Laur als „blutigen Terrorakt“.
Der Täter habe offenbar aus einem politischen, mutmaßlich islamistischen
Hintergrund gehandelt.
Man habe in den vergangenen Wochen mit Angriffen auf [2][Bürgermeister,
Minister, Abgeordnete und Ehrenamtliche] weitere „abscheuliche Akte
politisch motivierter Gewalt erlebt“, sagt Steinmeier. „Wir, die
Demokratinnen und Demokraten dieses Landes, dürfen und werden uns an Gewalt
in der politischen Auseinandersetzung niemals gewöhnen.“ Die Gewalt müsse
aufhören, fordert der Bundespräsident.
Viele Menschen legen am Freitag noch Blumen am Tatort nieder. Renée
Reichert, 33, ist mit seinem kleinen Sohn gekommen, um eine Kerze
anzuzünden, wie er selbst sagt. Sie wollen damit Rouven Laur gedenken. „Das
ist einfach schlimm“, sagt der 33-Jährige über die Tat. Die Stimmung in der
300.000-Einwohner-Stadt im Norden Baden-Württembergs beschreibt er als
„sehr angespannt“.
Sorgen bereiten der Stadt eine Woche nach der Tat auch für den Nachmittag
und Abend geplante Demonstrationen, wie Oberbürgermeister Christian Specht
(CDU) sagt. Unter anderem wollte die AfD um 18 Uhr auf dem Marktplatz gegen
Islamismus demonstrieren. Zeitgleich soll eine Gegendemonstration der
Antifa stattfinden. Specht sagt, man habe bereits am Sonntag Erfahrungen
mit beiden Gruppen gemacht. „Da war es sehr schwer, die Gruppen
auseinanderzuhalten und die Situation friedlich zu halten.“
Ob die AfD tatsächlich auf dem Marktplatz demonstrieren darf, war zunächst
noch unklar. Am Donnerstag gab das Verwaltungsgericht Karlsruhe einem
Eilantrag der AfD gegen eine Allgemeinverfügung der Stadt statt, wonach
Veranstaltungen wie Demonstrationen auf dem Marktplatz derzeit verboten
sind. Die Stadt hatte am Dienstag den Marktplatz vorläufig zum Gedenkort
für den toten Polizisten erklärt und Kundgebungen verboten. Sie legte
Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ein. Die Stadt sieht
für die Demo den nahegelegenen Paradeplatz vor.
„Wir wollen zwei Tage vor der Europawahl genau dort demonstrieren, wo der
islamistische Terror zugeschlagen hat, um ein klares politisches Signal in
die ganze Republik zu senden“, hatte der AfD-Landesvorsitzende Markus
Frohnmaier mitgeteilt.
## Fünf Verletzte des Angriffs leiden weiter an Schmerzen
Die fünf Verletzten vom vergangenen Freitag leiden indes eine Woche nach
der Tat weiter an den Folgen, sie haben alle noch Schmerzen, wie Stefanie
Kizina von Pax Europa sagt. „Wir sind alle noch unter Schock“, erzählt die
Schatzmeisterin. „Man reißt sich zusammen, man muss das erst mal
verarbeiten. (…) Man hat ja immer in der Gefahr gelebt, aber irgendwie ist
man immer davon ausgegangen, es passiert schon nichts, wird schon nicht so
schlimm.“ [3][Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger] habe ein weiteres
Mal ins Krankenhaus gemusst wegen seines hohen Blutverlusts durch die
Verletzungen. Der 59-Jährige werde auf jeden Fall vier bis acht Wochen
ausfallen.
Die Bewegung werde jetzt noch stärker auf die Sicherheit der Mitglieder
achten, sagt Kizina. „Es wird jetzt auch keine Veranstaltung mehr ohne
Schutzgitter geben. Die Polizeibeamten passen jetzt halt noch mehr auf uns
auf.“
Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer,
zeigt sich berührt von der großen Anteilnahme am Tod von Rouven Laur.
Allerdings mische sich rund eine Woche nach dem Angriff in die Trauer auch
Wut. „Die Leute sind natürlich auch enttäuscht“, sagt er über die Stimmu…
unter Polizisten. „Der Frust gegenüber der Politik ist riesig.“
Nach Taten wie diesen gebe es umfassende politische Diskussionen und
Forderungen, aber letztlich ändere sich nichts. So müsse beispielsweise
konkret über Fortbildungen für Polizisten gesprochen werden, über
Ausrüstung zum Schutz und für die Behandlung von Wunden nach Angriffen.
## Psychologische Hilfe für beteiligte Polizisten
Wie es den am Einsatz beteiligten Polizisten eine Woche nach der
Messerattacke geht, ist nicht bekannt. Ein Sprecher der Polizei Mannheim
sagt am Donnerstag, man wolle sich zu dem Thema nicht äußern. Die
Präsidentin des Mannheimer Polizeipräsidiums, Ulrike Schäfer, hatte am
Dienstag lediglich mitgeteilt: „Diejenigen, die mit Laur zusammengearbeitet
hatten und bei dem verhängnisvollen Einsatz dabei gewesen waren, werden
derzeit psychologisch betreut.“
Kriminal- und Polizeipsychologin Ursula Gasch sagte dem „Mannheimer Morgen“
(Freitagausgabe): „Ereignisse wie diese Messerattacke mit tödlichem Ausgang
führen zu einer kollektiven Reaktion der Erschütterung und Betroffenheit.
Oft ist die Rede von einer spezifischen „Polizeikultur“, das hat mitunter
einen abwertenden Klang, ist aber etwas Positives.“
Denn die besondere kollegiale Verbundenheit spiegele eine
überlebensnotwendige Haltung von Polizisten im Hinblick auf oft nur im Team
zu meisternde Gefahrenlagen, die dieser Beruf mit sich bringe, erklärte die
Fachfrau. „Der Angriff auf einen Polizisten wird folglich als Angriff auf
jeden Polizisten verstanden, und zwar überall.“
Der Angreifer wurde bei der Attacke von einem anderen Polizisten
angeschossen. Wegen seiner Verletzungen wurde er operiert. Der 25-Jährige
war in den vergangenen Tagen nicht vernehmungsfähig. Er kam nach
Informationen der Deutschen Presse-Agentur 2013 als Teenager nach
Deutschland und stellte einen Asylantrag.
Der Antrag wurde 2014 abgelehnt. Es wurde allerdings ein Abschiebeverbot
verhängt, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Im hessischen
Heppenheim wohnte der Täter zuletzt mit seiner Ehefrau und zwei
Kleinkindern. Die Generalbundesanwaltschaft hat die Ermittlungen in dem
Fall übernommen.
Die Tat hat auch eine intensive Debatte über striktere Abschiebungen
ausgelöst. Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke will
[4][Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Abschiebung von Schwerstkriminellen
nach Afghanistan und Syrien] wieder ermöglichen. „Solche Straftäter gehören
abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte der
SPD-Politiker am Donnerstag im Bundestag. „Schwerstkriminelle und
terroristische Gefährder haben hier nichts verloren.“
Wie genau er das ermöglichen will, sagte der Kanzler in seiner
Regierungserklärung noch nicht. Das Bundesinnenministerium arbeite an der
praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans
im Gespräch.
7 Jun 2024
## LINKS
[1] /Nach-Messerangriff-in-Mannheim/!6011617
[2] /Angriffe-auf-demokratische-Politikerinnen/!6005890
[3] /Messerattacke-in-Mannheim/!6014193
[4] /Straftaeter-nach-Afghanistan-abschieben/!6012059
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