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# taz.de -- Pistorius' Pläne zur Wehrpflicht: Rekrutierung mit Fragebogen
> Braucht Deutschland eine Wehrpflicht? Unsere Kolumnistin findet die Pläne
> von Verteidigungsminister Pistorius nicht schlecht. Mit Vorbehalten.
Bild: „Wer ist eigentlich da?“, fragt Verteidigungsminister Pistorius. Im B…
Das wirkt doch erst einmal ganz überzeugend, wie der Verteidigungsminister
Boris Pistorius das mit dieser Wehrnichtpflicht machen will. Das ganze
Gerede über die Spitzenpersonaltaktik ringsherum – ob nun Olaf Scholz den
Minister zwischendurch klein gemacht hat und was das über wessen
Kanzlertauglichkeit zu sagen hat – darf dann auch mal zurückgestellt
werden. Es war ja relativ klar, dass es bis zur nächsten Bundestagswahl nur
einen Einstieg in ein „Unsere Truppe muss wachsen“-Programm geben konnte.
Wenn die Union nun herumheult, [1][sie hätte doch etwas Größeres]
mitgetragen – also das volle Pflichtprogramm inklusive Grundgesetzänderung
–, so hätte ich mich da jedenfalls auch nicht drauf verlassen. Jetzt aber
soll eben ein ganzer Jahrgang Post bekommen, und die Jungs müssen antworten
und sich gegebenenfalls mustern lassen, niemand wird zum Waffendienst
gezwungen.
Damit müssten doch ein paar Tausend Leute mehr für die Bundeswehr zu
gewinnen sein als bisher, zumal, wenn zum Beispiel ein Führerschein dabei
herausspringen sollte, was angesichts der letzthin komplett [2][irre
gewordenen Fahrschulkosten] für viele junge Menschen ein echtes Argument
sein könnte.
Erst mal müsse man ja überhaupt herausfinden: „Wer ist eigentlich da?“
sagte [3][Pistorius am Mittwoch im ZDF]. Auch über die Reservisten gebe es
leider gar keinen Überblick. Auf die mehreren Hunderttausend Ex-Gedienten
hat der Minister auch ein Auge geworfen und hofft, einen gewissen Teil von
ihnen dazu bewegen zu können, sich mal wieder bei der Bundeswehr zu melden.
Womit aber auch deutlich wird, dass die ganze Personalgewinnungsaktion
zunächst in genau das ausarten dürfte, was die Bundeswehr besonders gut
kann: sich in bürokratischen Vorgängen verzetteln.
## Brauchen wir mehr Soldaten wegen Russland?
Die Adressen der 18-Jährigen scheinen zwar bereits da zu sein, sie werden
ja jetzt schon angeschrieben, nur eben mit Werbung und nicht mit
Fragebogen. Ich gehe aber manche Wette ein, dass ein Gutteil der
bevorstehenden Berichterstattung davon handeln wird, dass wegen der nicht
gegebenen Digitalisierung diverser Unterbehörden leider soundsoviel
Zehntausend Menschen nie erreicht wurden oder keiner musternden Lokalität
zugeordnet werden konnten – oder wie auch immer.
Wobei ich mit solchen Spekulationen nicht über den ernsten Hintergrund der
Sache hinwegalbern möchte. Es ist überaus plausibel, dass wir mehr
SoldatInnen brauchen als heute, um einer Bedrohung aus Russland etwas
entgegenzusetzen.
Nur leidet die Diskussion darüber, was zur Abwehr eines skrupellosen
Aggressors wie Wladimir Putin zu unternehmen sei, seit dem ersten Kriegstag
enorm an einem Gegensatz, der sich unter solchen Umständen wohl immer
auftut: zwischen dem beliebig riesengroß vermutbaren Risiko einerseits und
den eingeübten bundesdeutschen Verwaltungsrealitäten andererseits. Das
eine, das Kriegsszenario, ist so fürchterlich, dass das andere, der
vertraute, zivil geprägte politische Handlungsspielraum, stets läppisch
dagegen wirkt. Und doch müssen dazwischen argumentative Brücken gebaut
werden.
Heißt aber auch: Viel, viel mehr müsste noch erläutert werden. Warum zum
Beispiel lautet die [4][Zielgröße für die Bundeswehr jetzt 203.000], wie
setzt sich diese Zahl zusammen? Was sollen all die neu zu gewinnenden
SoldatInnen können, damit die Republik sich wehrhafter fühlen darf? Die
Gefahr ist natürlich groß, dass hier allzu deutlich wird, wie viele wilde
Schätzungen und gröbste Vermutungen dabei im Spiel sind. Aber auch daran
muss eine demokratische Öffentlichkeit sich dann vermutlich gewöhnen.
16 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/wadephul-neues-wehrdienst-modell-ist-vertane…
[2] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ist-der-fuehrerschein-zu-einem-luxus…
[3] https://www.zdf.de/nachrichten-sendungen/heute-journal
[4] https://www.bundeswehr.de/de/landes-buendnisverteidigung-kernauftrag/person…
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Kolumne Ernsthaft?
Boris Pistorius
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Myanmar
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