Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuer Hype „Mouth Taping“: Angesteckt im Freundeskreis
> Die Freunde unserer Kolumnistin kleben sich den Mund zu, um besser zu
> schlafen. Ist da was dran? Und warum beeinflussen uns unsere Freunde so
> sehr?
Bild: Wenn meine Freunde sich nachts den Mund zukleben, könnte mir das nicht a…
Mit [1][Freunden in den Urlaub] fahren ist auch deshalb so schön, weil man
im Bett kurz vorm Schlafen die besten Gespräche hat. Aber meine
Reisebegleitung klebt sich den Mund mit einem H-förmigen Tape zu. Er winkt
noch von seiner Matratze „Gute Nacht“ und der Rest ist mhh hm mhhh.
Mein Kumpel ist dem Mouth-Tape-Trend verfallen. Deswegen sieht er beim
Schlafen so aus, als wäre er gekidnappt worden. Durch den zugeklebten Mund
atmet man im Schlaf nur durch die Nase. Morgens soll man sich fitter
fühlen, nicht mehr mit staubtrockenem Rachen aufwachen und auch die
Mundhygiene soll sich verbessern. Wissenschaftlich bewiesen ist das alles
nicht. Aber tatsächlich ist es gesünder durch die Nase zu atmen, weil
unsere Nasenhaare die Luft filtern und sie aufgewärmt wird.
Mouth Taping geisterte vor einigen Monaten durch Social Media, aber da
schaffte der Trend es nicht in mein Schlafzimmer. Dass Schauspielerinnen
und Fußballstars gerne zugeklebten Mund tragen, ließ mich kalt. Schließlich
war weniges so befreiend wie das Ende der Zahnspangenära. Jahrelang hat sie
mich beim Einschlafen gestört, meinen Mund versperrt.
Aber bei einem Tape-Anhänger ist es in meinem Freundeskreis nicht
geblieben. Sie alle schwärmen: „Ich habe noch nie so tief geschlafen“, „…
fühle mich fit wie nie“, „ich fahre damit vorm Einschlafen komplett
runter“.
Ich merke, meine Freunde haben eine einflussreichere Wirkung auf mich als
jede Influencerin. Ich vertraue ihnen ja auch sonst mein Leben an: Ist der
Typ ein Reinfall? Kann ich das so sagen? Steht mir diese Hose? Wenn sie
sich also nachts den Mund zukleben, könnte mir das nicht auch guttun?
## Unsere Peergroup beeinflusst uns am meisten
Von sozialer Ansteckung spricht die Forschung. Unsere Peergroup kann uns am
besten beeinflussen. Es gibt zig Studien, die das bestätigen. Wir gehen zum
Beispiel häufiger Blut spenden, wenn das in unserem Umfeld ein Ding ist.
Und wir lassen uns stärker vom Gähnen unserer Freunde anstecken als von
der Sitznachbarin in der U-Bahn. Wir sind völlig freundbestimmt.
Der Ansteckungseffekt kann sogar politisch relevant werden. In
Nachbarschaften mit [2][Solar auf dem Dach wurden immer mehr Anlagen
installiert]. Solar-Hotspots entstanden, weil alle dazugehören wollten. So
wichtig wird das hier nicht, aber ich will jetzt das Tape testen.
Ich vergewissere mich noch, dass ich nicht ersticke, sollte meine Nase
nachts verstopfen. Aber unser Gehirn hat wohl einen Notfallmechanismus und
wir wachen auf, wenn wir nicht genug Luft bekommen.
Weil ich keine Lust habe das Profitape in H-Form zu kaufen (ein Monat Mund
zukleben für 19,99 Euro), schneide ich Pflastertape in zwei schmale
Streifen und klebe sie als X über meine Lippen.
Schnell fühlt sich meine Zunge schwer an, als wäre sie zu groß für meinen
Mund. Ich versuche es zu ignorieren, wie wenn es im Sommer zu heiß zum
Einschlafen ist. Nicht bewegen und aushalten.
Im Schlaf muss ich mich von dem Klebeband befreit haben. Am Morgen klebt es
über meinem Bett an der Wand. Auch die zweite Nacht halte ich nicht durch.
Ich werde fast stündlich wach und gebe auf.
Wie weit die Macht des sozialen Ansteckens wohl geht? Vielleicht sollte ich
das mal testen und meinen Freunden raten, mit einem Kieselstein im Schuh
durch die Gegend zu laufen. Das trainiert nämlich die [3][Resilienz].
3 Jul 2024
## LINKS
[1] /Alleine-verreisen/!6016125
[2] /Photovoltaikausbau-in-Deutschland/!6018468
[3] /Korallenbleiche/!6011425
## AUTOREN
Sophie Fichtner
## TAGS
Kolumne Vorschlaghammer
Selbstoptimierung
Psychologie
Zukunft
wochentaz
Social-Auswahl
Kolumne law and order
Kolumne Ernsthaft?
Die Linke
## ARTIKEL ZUM THEMA
Der Lügendetektor vor Gericht: Lex Sachsen
„Lügendetektor“ – klingt nach Quacksalberei? So sehen das auch die meist…
Gerichte. Außer in Sachsen. Für Missbrauchsopfer hat das verheerende
Folgen.
Pistorius' Pläne zur Wehrpflicht: Rekrutierung mit Fragebogen
Braucht Deutschland eine Wehrpflicht? Unsere Kolumnistin findet die Pläne
von Verteidigungsminister Pistorius nicht schlecht. Mit Vorbehalten.
Wahl-Debüt von BSW: Vielleicht tut Sahra der Politik gut
Meinung oder Maulkorb? Ist doch klar, ich bin ja kein Kampfhund. Endlich
bietet eine Partei mal leichte Entscheidungen an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.