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# taz.de -- Framing in der Klimadebatte: Weiche Worte, knallharte Fossilität
> Europäische CO2-Neutralität ist in der Union kein Thema mehr. Die will
> ein Verbrenner-An, ein Verbrenner-Jawoll, ein Verbrenner-Weiter-so.
Bild: Kein Ausstieg mit Merz: „Verbrenner-Aus“ ist abgeräumt
Waren Sie nicht auch schon immer für Zerstörung, Vernichtung,
Niederbrennen? Ich komme drauf, weil sich am Stichwort Verbrennung sehr gut
illustrieren lässt, wie weit die Deutungsmacht der
Anti-Klimaschutz-Kampagne (es ist ja weit mehr als eine
Anti-Grünen-Kampagne) inzwischen reicht. Es ist ihr gelungen, aus dem
Verbrennen von Kohlenstoff einen schützenswerten, einen unbedingt weiter zu
betreibenden Vorgang zu machen – etwas Gutes also.
CDU/CSU – und ähnlich gesinnte Parteien in halb Europa – haben den
Europawahlkampf auch damit gewonnen, dass sie das „Verbrenner-Aus“
abgeräumt haben. Mit Verbrenner-Aus ist gemeint, dass die EU ab 2035 keine
Neuwagen mit fossilem Antrieb mehr erlauben will. Das ist eigentlich Teil
des Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU).
Europäische CO2-Neutralität ist in der deutschen Union jedoch kein Thema
mehr. Friedrich Merz wie Markus Söder – Letzteren lasse ich wegen der noch
nicht erledigten Kanzlerkandidatenfrage hier mal stehen – haben das Aus für
das Verbrenner-Aus erklärt. [1][„Das steht für uns fes]t“, so Merz: ein
Verbrenner-An, ein Verbrenner-Jawoll, ein Verbrenner-Weiter-so.
Auch der Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius hat jetzt in der Wirtschaftswoche
angekündigt, man werde wieder „[2][mehr Geld in Verbrenner“] stecken, von
„High-Tech-Verbrennern“ spricht Källenius, von „relevanten Verbrennern�…
Anders als BMW hatte Mercedes den Brüsseler CO2-Abbau-Kurs bisher
mitgemacht, doch jetzt stellen sich die wirtschaftlichen Aussichten eben
anders dar. Verbrenner bleiben stark, auch als Begriff, stärker als der
Umstand, dass Verbrennung in den Köpfen doch eigentlich etwas strikt
Abzulehnendes aufrufen sollte. Aktuelle Buchtitel wie „[3][Männer, die die
Welt verbrennen]“ oder „[4][Demokratie im Feuer]“ (beides sehr lesenswerte
Publikationen über Klimaschutz) versuchen, diesen Schrecken zu entfachen,
doch der scheint sich kommunikativ nicht durchzusetzen. Die Sprache hat dem
politischen Druck Richtung Fossilität nachgegeben.
Vor rund zehn Jahren entdeckte das politische Berlin ein Konzept der
politischen Kommunikation noch einmal ganz neu: das Framing, wörtlich „das
Rahmen“, also als Verb. Gemeint ist der Vorgang, mit dem etwa
Gesetzesentwürfe durch wohlklingende Worte besser verkaufbar werden –
Stichwort „Gute-Kita-Gesetz“. Oder umgekehrt. Donald Trump ist ein Meister
des demütigenden, aber leider stets gut sitzenden Framings („Sleepy Joe“,
„Crooked Hillary“).
## Macht der Sprache
Es ist ein ziemlich geheimnisvoller Vorgang, wie sich Politik und
PolitikerInnen durch passende Begriffe auf- und abwerten lassen. Viel
zitiert zum Thema Framing war vor gut zehn Jahren die Linguistin Elisabeth
Wehling. Sie kam aus der US-Spitzenuni Berkeley nach Berlin gereist, um
hier unter anderem SPD und Grüne zu beraten; Letztere wollten [5][damals
schon das Image der Verbotspartei] loswerden. Inzwischen muss man wohl
sagen, dass Wehlings Rat, wenn, dann jedenfalls nicht lange genug geholfen
hat.
Vielleicht liegt es daran, dass trotz aller Neurowissenschaft immer noch
nicht klar ist, wie Worte im Gehirn Bedeutung entstehen lassen. Ein
unabhängiges Sprach- und Sozialforschungsinstitut in Duisburg, das Diss
(das ich hier auch erwähne, [6][weil es im Bestand bedroht ist]), fand
dafür einmal den Begriff der „Fähren ins Bewusstsein“: Gut gewählte Worte
können demnach ein ganzes Paket an Assoziationen und Vorstellungen ins Hirn
mitverschiffen. Sprache ist dann sehr mächtig.
Aktuell allerdings scheint mir die fossile Lobby stärker als jeder Versuch
eines klimabewussten Framings zu sein.
5 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Europawahl-bringt-Verbrenner-Aus-ins-Wanken-…
[2] https://www.wiwo.de/my/unternehmen/auto/mercedes-wir-investieren-wieder-meh…
[3] /taz-Talk-meets-Buchmesse-Leipzig-2024/!vn5980781/
[4] https://www.perlentaucher.de/buch/jonas-schaible/demokratie-im-feuer.html
[5] /Gruener-Freiheitskongress/!5032924
[6] http://www.disskursiv.de/2024/07/01/das-diss-braucht-deine-hilfe/
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Weltklima
CDU/CSU
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