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# taz.de -- Myanmar unter dem Militärregime: Unbeliebte Wehrpflicht der Junta
> Die Putschgeneräle wollen jetzt mit einer Wehrpflicht ihre dezimierten
> Truppen stärken. Doch das kommt auch dem bewaffneten Widerstand zugute.
Bild: Soldaten marschieren bei der Parade zum Tag der Streitkräfte am 27. Mär…
Berlin taz | Eigentlich sollte in Myanmar die vom Militär verkündete
Wehrpflicht erst am 1. April in Kraft treten. Und die ersten 5.000 Rekruten
sollten sogar erst nach dem traditionellen Neujahrsfest Thingyan Mitte
April eingezogen und dann militärisch ausgebildet werden. Doch am
Wochenende berichtete das Oppositionsportal [1][Irrawaddy] unter Berufung
auf Social-Media-Kanäle des Militärs, dass die ersten Rekruten in mehreren
Regionen schon in die Kasernen eingerückt seien. Und das nicht nur zur
Musterung.
Offenbar wollten die Generäle so verhindern, dass Wehrpflichtige sich noch
ins Ausland oder in den Untergrund absetzen könnten. Denn der Militärdienst
ist äußerst unbeliebt, zwingt er doch dazu, für die Junta gegen den
demokratischen Widerstand zu kämpfen.
Am 10. Februar hatte das seit dem Putsch 2021 herrschende Militärregime
unter General Min Aung Hlaing verkündet, ein schon im Jahr 2010
verabschiedetes Gesetz zur Wehrpflicht ab April anzuwenden. Zunächst sollen
pro Monat 5.000 Rekruten für den Dienst an der Waffe ausgebildet und in den
Kampf gegen den zuletzt erstaunlich erfolgreichen Widerstand ethnischer und
prodemokratischer Gruppen geschickt werden.
Der Militärdienst für 6,3 Millionen Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren
und für 7,7 Millionen Frauen von 18 bis 35 Jahren soll zwei Jahre dauern,
für manche Berufsgruppen wie Ärzte oder Ingenieure drei Jahre und in Zeiten
des Kriegsrechts, wie es seit dem Putsch herrscht, gar bis zu fünf Jahre.
Dabei bleibt der Dienst für Frauen zunächst ausgesetzt.
## Militärdienst per Lotterie mit korrupter Freikaufoption
Über die Einberufung der Männer entscheidet das Los, wobei dem Glück
nachgeholfen werden kann. Durch Geldgeschenke an Dorfvorsteher,
Rekrutierungsbeamte und Militärs kann man sich vom Dienst freikaufen. Somit
geht es bei der Wehrpflicht auch um eine Bereicherung von Vertretern der
Junta.
Die Ankündigung der Dienstpflicht war ein Schock und führte seitdem zur
Flucht junger Menschen in die Nachbarländer. Vor allem vor Thailands
Konsulat in Yangon bilden sich seitdem lange Schlangen. Doch wer Myanmar
etwa per Flugzeug verlassen will, muss Berichten zufolge inzwischen eine
Ausreiseerlaubnis der Behörden vorweisen.
Und weil bisher zu den Musterungen viele Wehrpflichtige gar erst nicht
erscheinen, durchkämmen mit Einwohnerlisten ausgestattete Juntakräfte
inzwischen ganze Wohnviertel. Die Verweigerung des Militärdienstes wird mit
drei bis fünf Jahren Haft bestraft.
Zugleich drängen seitdem Wehrpflichtige in die bewaffneten
Widerstandsgruppen, denen sie lieber dienen wollen als dem verhassten
Militär. Laut [2][Burma News International] (BNI) war der Andrang in der
Bago-Region nordöstlich von Yangon gar so groß, dass die dortige
aufständische Volksmiliz nicht genug Lebensmittel zur Versorgung der neuen
Rekruten auftreiben konnte.
## „Junta kontrolliert weniger als die Hälfte des Landes“
In den vergangenen Monaten haben die verschiedenen Rebellengruppen in
vielen Regionen erstaunliche Erfolge gegen das Militär erzielt. „Die Junta
kontrolliert nur noch weniger als die Hälfte des Landes,“ [3][erklärte
kürzlich der UN-Sonderberichterstatter] für Menschenrechte in Myanmar, Tom
Andrews. „Sie hat Zehntausende Soldaten durch Flucht, Tod, Verletzung und
Kapitulation verloren. Hunderte Militärposten hat sie aufgegeben müssen,
Dutzende Städte und Dörfer hat sie verloren.“
Manchmal konnten die Rebellen, die keine Unterstützung ausländischer Mächte
haben, ganze Waffenarsenale des Militärs an sich nehmen. Die Bewaffnung von
Rekruten könnte dem Widerstand jetzt in manchen Regionen sogar leichter
fallen, als sie zu ernähren.
Die Stärke des Militärs ist ein Staatsgeheimnis. Vor dem Putsch wurde es
auf 400.000 Soldaten geschätzt, inzwischen liegen die Schätzungen bei
200.000 bis 300.000.
Und jetzt hatte sich das Militär bei seiner jährlichen Parade zum Tag der
Streitkräfte in der Hauptstadt Naypyitaw am 27. März erstmals nicht mehr
mit seinen neuesten Waffen gezeigt. Beobachtern fiel zudem die hohe Zahl
weiblicher Soldatinnen auf. Das löste [4][Spekulationen] aus, dass für die
Parade in den Kampfgebieten auf viele Männer und ihre neusten Waffen nicht
verzichtet werden konnte.
1 Apr 2024
## LINKS
[1] https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-junta-begins-conscription-earl…
[2] https://www.bnionline.net/en/news/resistance-forces-report-huge-influx-yout…
[3] https://apnews.com/article/myanmar-fighting-civilians-tom-andrews-un-sancti…
[4] https://www.irrawaddy.com/news/burma/depleted-myanmar-military-holds-scaled…
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Schwerpunkt Myanmar
Militärjunta
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Wehrpflicht
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