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# taz.de -- Myanmarische Olympia-Delegation: Myanmars Verräter
> Seit dreieinhalb Jahren herrscht in Myanmar Bürgerkrieg. Die zwei
> Athleten, die in Paris antreten, sollten das Land einen. Doch das hat
> andere Sorgen.
Bild: Badmintonspielerin Thet Htar Thuzar, eine von zwei Athleten aus Myanmar, …
Wird Soe Moe Thu gefragt, ob er die Olympischen Spiele verfolgt, schüttelt
er den Kopf: „Im Moment sind die Menschen in Myanmar nur daran
interessiert, die Militärdiktatur zu besiegen“, sagt er in bestimmtem Ton.
Von diesem Sportereignis, das da am anderen Ende der Welt stattfinde,
kriege man gar nichts mit, und das sei auch gut so: „An den Olympischen
Spielen und der nationalen Delegation haben wir kein Interesse.“
Soe Moe Thu spricht bestimmt nicht für das gesamte 54-Millionen-Land, aber
sicherlich für einen großen Teil davon. Er arbeitet für das demokratische
Schattenkabinett Myanmars, das populäre Unterstützung genießt. Diese
„Regierung in Opposition“, wie sie sich nennt, erhebt Anspruch auf die
Regierungsgeschäfte, beruft sich auf die letzten Wahlergebnisse von
November 2020.
International aber wird Myanmar nicht von Thu und seinen demokratischen
Mitstreitern vertreten, sondern von der Militärjunta, die sich im Februar
2021 an die Macht geputscht hat. In den Augen derer, die im
südostasiatischen Land für Demokratie kämpfen, hat der Putsch damit auch
empfindliche Auswirkungen auf Myanmars Auftritt bei Olympia in Paris, wohin
nur zwei Athletinnen und Athleten gereist sind: Badmintonspielerin Thet
Htar Thuzar und Schwimmer Phone Pyae Han.
Als Helden sehen Soe Moe Thu und seine Mitstreiter diese Athleten nicht –
wenn schon als irgendwas, dann wohl eher als Verräter: „Im Moment stehen
alle Institutionen Myanmars, das Nationale Olympische Komitee
eingeschlossen, unter der Kontrolle der Militärjunta“, so Thu. „Ich habe
diesmal auch von keinem Athleten gehört, der es offiziell aus diesem Grund
abgelehnt hätte, bei den Spielen von Paris für Myanmar zu starten.“
## Kollaborateure und Nutznießer?
An diesen Tagen treten die zwei sportlich Gesandten in Paris an. Thet Htar
Thuzar verlor ihr Auftaktmatch im Badminton am Samstag klar gegen die
Japanerin Akane Yamaguchi. Phone Pyae Han startet am Dienstag über 100
Meter Freistil. Aber können die beiden nun als Kollaborateure gelten, als
Nutznießer der Junta? Soe Moe Thu ist da vorsichtig: „Es gibt natürlich
definitiv Athleten, die das ablehnen wollen. Aber einige haben Angst vor
diesem Schritt, weil sie das brutale Militär fürchten.“
Brutal ist das Militär tatsächlich. Laut der [1][Unterstützungsorganisation
für politische Gefangene in Myanmar] sind seit dem Militärputsch mehr als
27.000 Menschen gefangengenommen, 5.453 durch das Militär getötet worden.
Die Junta hat wiederholt Luftangriffe auf Dörfer geflogen, hat in
Krankenhäuser und auf Schulen geschossen. Auch der Widerstand ist längst
bewaffnet. Es herrscht Bürgerkrieg.
Nicht wenige Athletinnen und Athleten haben ihre Sportprofession aufgegeben
und kämpfen – auf der Seite des Militärs, in einer [2][regionalen
Rebellengruppe] oder im demokratischen Widerstand. Neben der Zerstörung von
Infrastruktur und der Zerrüttung von Wettbewerbsterminen wirft auch dies
den Sport zurück: Weniger Menschen verfolgen diese Art des gewaltlosen
Wettkampfs noch.
Dabei könnte Sport eine Rolle dabei spielen, das diverse und zutiefst
zerstrittene Land wieder zusammenzubringen, glaubt Jonathan Liljeblad, der
als Politikprofessor an der Australian National University zu Myanmar
forscht: „Was könnte das Land zusammenführen? Es ist ja schon seit
Jahrhunderten durch kulturelle Unterschiede geprägt. Und was wir heute als
Myanmar kennen, ist ein Produkt des britischen Kolonialismus“, erklärt
Liljeblad. „Aber die meisten im Land haben einen Wunsch nach Einheit. Und
klar, Sport könnte da helfen.“
## Es gibt wichtigere Themen
Zumal im Zuge einer Demokratisierungsperiode zu Anfang des vergangenen
Jahrzehnts auch der Grad der Internationalisierung zugenommen habe – und
damit die Aufmerksamkeit für die Sportwelt: „In den letzten Jahren vor dem
Putsch sind viele globale Events, einschließlich der Olympischen Spiele,
auch wirklich beliebt geworden“, bestätigt Liljeblad. Doch derzeit
überwögen die Differenzen.
Medien in Myanmar berichten bisher eher wenig über die Olympischen Spiele
in Paris, die immerhin die größte Sportveranstaltung der Welt sind. Die
wichtigeren Themen beziehen sich auf den Bürgerkrieg. Wobei sich dies schon
bei der letzten Sommerausgabe von Olympia abzeichnete.
Damals erklärte ein Sportler aus freien Stücken, dass Sport derzeit nicht
die Priorität sein sollte: Win Htet Oo, der sich erstmals für Olympia
qualifiziert hatte, verkündete im Vorfeld der Spiele von Tokio, ein halbes
Jahr nach dem Putsch, auf medienwirksame Weise seinen Verzicht auf die
Olympiateilnahme. Er wolle nicht unter Myanmars Flagge antreten, an der
nun Blut klebe. Oo machte einige Tage lang weltweit Schlagzeilen. Danach
wurde es still um ihn, Medienanfragen beantwortete er dann keine mehr.
Die zwei Athleten, die nun für Myanmar antreten, halten sich mit
politischen Äußerungen zurück. Dass andere Athletinnen wie vor drei Jahren
der Schwimmer Oo einfach keinen Sport mehr treiben, ist denkbar. Kleiner
als diesmal war Myanmars Olympiadelegation zuletzt 1984.
29 Jul 2024
## LINKS
[1] https://aappb.org/
[2] /Kampf-gegen-Militaerregime-in-Myanmar/!6006645
## AUTOREN
Felix Lill
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