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# taz.de -- Erlass aus Kyjiw: Kein Pass für wehrpflichtige Ukrainer
> Weil sie nicht für ihr Land an der Front stehen wollen, werden
> ukrainische Männer aktuell nicht mehr in ihren Konsulaten im Ausland
> bedient.
Bild: Blick auf das Generalkonsulat der Ukraine an der Hamburger Außenalster
Düsseldorf taz | Nicht sehr geduldig warten gut zwei Dutzend Personen am
frühen Freitagmorgen vor dem ukrainischen Generalkonsulat in Düsseldorf in
der Luisenstrasse 9. Nicht alle haben einen Termin. Einige sind spontan
gekommen, ohne eine Eintragung in die Online-Liste, nachdem sie gehört
haben, dass die Ukraine ab sofort Männern zwischen 18 und 60 Jahren, die
nicht bei den Wehrbehörden gemeldet sind, keine Konsulardienste mehr
erweist. Männer sind unter den Wartenden in der Minderzahl. Ins Auge fallen
zwei Männer mit Krücken und ein ebenfalls junger Mann, der sich mit seiner
Begleiterin in fließendem Deutsch mit leichtem Düsseldorfer Akzent
unterhält.
Pünktlich um 8:45 Uhr öffnet das Konsulat seine Pforten. Der junge Mann
kommt als einer der ersten dran. Auch er braucht einen neuen Reisepass.
„Ich bin jetzt 27 Jahre alt, lebe seit 25 Jahren in Deutschland. Und nun
habe ich gehört, dass ich im Düsseldorfer Konsulat keinen Pass mehr
bekommen kann“, wendet er sich an den ukrainischen Konsularbeamten. Doch
dieser antwortet ihm nur auf Ukrainisch. Der junge Mann versteht aber kein
Ukrainisch. Auch Russisch spricht er nur sehr schlecht. Bisher hatte ihn
immer seine Mutter als Dolmetscherin begleitet. Der Konsularbeamte gibt ihm
zu verstehen, dass er bitte mit einem Dolmetscher zu einem späteren
Zeitpunkt wiederkommen solle. „Ich weiß nicht, was mein Arbeitgeber sagt,
wenn er erfährt, dass ich keinen gültigen Pass habe“, erklärt er
verzweifelt einem anderen Besucher. Außerdem sei er häufig beruflich im
Ausland. Und das gehe ja nur mit einem gültigen Pass.
Den beiden Männern mit dem Krückstock geht es nicht besser. Sie hatten
gehofft, dass sie bedient werden, weil sie ja offensichtlich nicht
wehrtauglich sind. Doch auch sie weist der Konsularbeamte ab. „Unsere Order
ist: keine Konsularleistungen für Männer zwischen 18 und 60. Und daran
halten wir uns auch.“ Allerdings erwarte man bis zum 18. Mai noch weitere
Anweisungen aus Kyjiw. Sie mögen doch bitte ihre Daten da lassen. Und
sobald man nähere Bestimmungen habe, werde man sie anrufen, tröstet sie der
Beamte.
[1][Wehrpflichtige] ukrainische Männer können seit Dienstag im Ausland
keine konsularischen Dienstleistungen mehr in Anspruch nehmen. Das
berichtet die ukrainische Wochenzeitung Dzerkalo Tyzhnya, die gleichzeitig
den entsprechenden Erlass veröffentlichte, der vom stellvertretenden
ukrainischen Außenminister Andriy Sibiga unterzeichnet wurde.
„Ein Mann im wehrfähigen Alter, der ins Ausland gegangen ist, hat seinem
Staat gezeigt, dass er sich nicht um sein Überleben kümmert. Und er will
nun von diesem Staat Leistungen erhalten. So geht das nicht. Wir befinden
uns im Krieg“, begründet Außenminister Dmytro Kuleba die Entscheidung.
„Diese Leute glauben wohl, dass es möglich ist, dass weit weg an der Front
die einen ihr Leben geben, während andere im Ausland sitzen, und dann auch
noch Leistungen von diesem Staat erhalten wollen. Das funktioniert so
nicht“, so Kuleba.
Aktuell sollen ca. 200.000 ukrainische Männer zwischen 18 und 64 Jahren in
Deutschland leben. Diese im [2][April 2024 veröffentlichte Zahl] fußt
allerdings auf Daten vom Juli 2023.
In der Ukraine ist die Entscheidung der Regierung umstritten, die sich auf
das jüngst verabschiedete und vom Präsidenten unterschriebene Gesetz zur
Mobilisierung vorsieht, das Einschränkungen für Männer, die sich nicht bei
den Wehrbehörden in der Ukraine melden. Am 18. Mai wird es in Kraft treten.
Man könne sich doch nicht auf ein Gesetz berufen, das noch gar nicht in
Kraft getreten ist, kritisiert Oleksandr Pawlitschenko von der Ukrainischen
Helsinki-Union für Menschenrechte in einem Fernsehinterview mit dem Sender
TSN die neue Praxis der Konsulate. Leistungen der Konsulate seien ja nicht
nur die Ausstellung von Reisepässen. Konsulate hätten auch andere Aufgaben,
wie Beurkundungen von Eheschließungen, Geburten und Todesfällen.
Konsulate stehen ihren Bürgern bei, wenn sie Unfälle hatten, gewährten
mitunter ihren Staatsbürgern juristischen Beistand, wenn diese mit dem
Gesetz des Gastgeberlandes in Konflikt geraten seien. Und wie sieht es
eigentlich mit der Rechtsfähigkeit von ukrainischen Staatsbürgern aus, die
keinen gültigen Ausweis haben und sich z.B. ein Auto kaufen wollen, will
Pawlitschenko wissen, der die Entscheidung der Ukraine, ihre Grenzen für
wehrfähige Männer zu schließen, für falsch hält.
Das Gesetz Nr. 10449 zur Mobilisierung, das die Werchowna Rada am 11. April
verabschiedet hatte, enthält eine Bestimmung, wonach Männer im Alter von 18
bis 60 Jahren, die sich im Ausland aufhalten, nur dann von den Konsulaten
bedient werden dürfen, wenn sie sich zuvor in der Ukraine bei den
Wehrbehörden gemeldet haben.
Es ist davon auszugehen, dass die Konsulate von ihrer Position,
grundsätzlich Männern im wehrfähigen Alter keine Konsulardienste zu
gewähren, abweichen werden, sobald nähere Ausführungsbestimmungen aus Kyjiw
in Düsseldorf und anderen Konsulaten der Ukraine eingegangen sind.
Und dann werden sicherlich auch der 27-jährige Mann, der in Deutschland ein
Aufenthaltsrecht hat, und die beiden Männer mit der Krücke im
Generalkonsulat in Düsseldorf bedient werden.
Unterdessen erklärte der Pressesprecher des deutschen Innenministeriums,
Maximilian Kall, dass sich die neue geänderte Praxis der ukrainischen
Konsulate nicht auf den Schutzstatus für Geflüchtete aus der Ukraine
auswirken werde, „ganz gleich, ob es Frauen oder Männer sind“.
Und das Portal [3][Radio Trek] rät ukrainischen Bürgern, die in Deutschland
leben, einen „Reiseausweis für Ausländer“ zu beantragen. Mit diesem ließe
sich problemlos in Schengen-Staaten reisen.
27 Apr 2024
## LINKS
[1] /Wehrpflicht-in-der-Ukraine/!5999204
[2] https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/MIGR_ASYTPSM__custom_8320952…
[3] https://radiotrek.rv.ua
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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