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# taz.de -- Kriegsdienstverweigerer in der Ukraine: 5.000 Euro für die Flucht
> Für ukrainische Männer, die dem Kriegsdienst entfliehen wollen, gibt es
> illegale Wege aus dem Land. Doch die Regierung will die Lücken schließen.
Bild: Sind geblieben: Ukrainische Soldaten an der Front im Gebiet Donezk, Septe…
Luzk taz | Nachrichten wie diese häufen sich in den letzten Tagen in den
ukrainischen Medien: „In Luzk wurden drei Bürger festgenommen, die Männer
gegen Geld bei der Flucht aus der Ukraine geholfen haben.“ Für umgerechnet
5.200 Dollar konnten wehrpflichtige Männer als Fahrer in das sogenannte
Shlyakh-System aufgenommen werden – ein Netzwerk, das humanitäre Hilfsgüter
transportiert. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im
Februar 2022 [1][dürfen ukrainische Männer das Land nicht verlassen], außer
aus bestimmten beruflichen oder gesundheitlichen Gründen. Das
Shlyakh-System erlaubt seit März 2022 männlichen Fahrern im wehrfähigen
Alter den Grenzübertritt – wenn sie humanitäre Hilfe oder medizinische
Güter transportieren.
Das öffnet den Markt für sogenannte „Schleichhändler“, wie sie in der
Ukraine genannt werden: Nach Angaben der ukrainischen Behörden verdienten
„Schleichhändler“ 500.000 Euro an 130 Männern, denen sie – nach geltend…
ukrainischer Gesetzeslage illegal – über die EU-Grenze verholfen. In Lwiw
etwa soll ein ehemaliger Rechtsanwalt Wehrpflichtigen die Ausreise aus der
Ukraine mit gefälschten Ausweisen ermöglicht haben, die sie als
vermeintliche Mitglieder einer NGO auswiesen. Auch in Riwne im Nordwesten
der Ukraine sollen zwei Männer Kriegsdienstverweigerer fiktiv als Fahrer
für ein Unternehmen beschäftigt haben, das internationale Transporte in
EU-Länder durchführt.
Nach Angaben einer jüngsten Recherche von Journalisten aus Lwiw haben
mindestens 2.248 Männer im wehrpflichtigen Alter aus dieser
westukrainischen Stadt das Land mit Genehmigung der regionalen
Militärverwaltung über das Shlyakh-System verlassen und sind nicht
zurückgekehrt. Die Journalisten der NGLmedia fanden heraus, dass 372
Organisationen Anträge auf Ausreise gestellt hatten. Die meisten sollen
Organisationen sein, die alleine für diesen Zweck gegründet wurden – zwei
davon hatten den Hauptsitz in dem Dorf Mykolajiw, in der Nähe von Lwiw, und
sollen die Ausreise von 200 Männer organisiert haben. Ihre Erfolgsquote lag
bei 90 Prozent. Für die wehrpflichtigen Männer kosteten diese Dienste
zwischen 3.000 und 5.000 Euro pro Person.
Als diese Recherche im September veröffentlicht wurde, war die Empörung im
Land groß. Denn viele Stiftungen hatten patriotisch klingende Namen – und
viele Menschen in der Ukraine sehen die Deserteure und
Kriegsdienstverweigerer sehr kritisch. Das Shlyakh-System taucht am
häufigsten in Zusammenhang mit den Schleichhändlern auf. Bei der Recherche
für diesen Text wurde der Autor in den sozialen Netzwerken kontaktiert:
Eine Anzeige über Facebook lautete beispielsweise: „Das Shlyakh-System
erlaubt jedem Bürger der Ukraine, das Land für 30 Tage zu verlassen. Wir
werden Ihnen helfen, die Grenze innerhalb von 48 Stunden offiziell zu
verlassen. Sie werden sich erholen und Ihre Familie sehen können.“
## Ukrainische Behörden gehen gegen Werbung vor
Diese Werbung ist nach ukrainischen Gesetzen illegal, die Behörden gehen
dagegen vor. Wohl auch, weil die Korruptionsbekämpfung eine der
Hauptvoraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine ist – und
Präsident Selenski sich zuletzt auch bemühte, Anstrengungsbereitschaft zu
demonstrieren, indem er etwa [2][die Spitze des Verteidigungsministeriums
und sämtliche Chefs der Rekrutierungszentren im Land austauschte.]
Shlyakh, ukrainisch für Straße oder Weg, wurde noch vor dem russischen
Einmarsch in die Ukraine gegründet, um die Zusammenarbeit zwischen dem
Staat und den Transportunternehmen zu erleichtern – somit konnten Lizenzen
und Genehmigungen für Reisen ins Ausland leichter erlangt werden. Das
System wurde dann im Jahr 2022 erweitert: Seitdem umfasst das System auch
Freiwillige, die ins Ausland fahren, um humanitäre Hilfe für die
ukrainische Armee zu liefern.
Beim Shlyakh-System dürfen sich Freiwillige nicht länger als 30 Tage im
Ausland aufhalten. Diese Regelung führte relativ schnell zu Missbrauch, um
30 Tage im Ausland Verwandte und Freunde besuchen zu können. Darüber hinaus
ist das Shylakh-System ein Weg, um die Einziehung von Männern im
wehrpflichtigen Alter zu umgehen. Das ukrainische Parlament, die Werchowna
Rada, zählte bis zu 19.000 Männer, die bis Ende Juni das Shylakh-System
benutzt hatten – das entspricht etwa vier Brigaden der ukrainischen
Streitkräfte.
Nun hat die Regierung in Kyjiw beschlossen, die Gesetzgebung zu ändern. Der
stellvertretende Minister für kommunale Entwicklung, Regionen und
Infrastruktur, Serhiy Derkach, erklärte, dass die Behörden nun von den
Freiwilligen eine spezifische Begründung für ihre Ausreise verlangen und
beim Zoll prüfen werden, ob sie tatsächlich in der Vergangenheit bei ihrem
Rückweg humanitäre Güter in die Ukraine eingeführt haben. Darüber hinaus
sieht der neue Entwurf auch vor, dass nur Organisationen, die seit
mindestens einigen Monaten als Wohltätigkeitsorganisationen registriert
sind, ihre Fahrer ins Shlyakh-System aufnehmen können.
Aus dem Russischen Gemma Terés Arilla
26 Sep 2023
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## AUTOREN
Juri Konkewitsch
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