# taz.de -- Aktion gegen Nazi-Merchandise: Das Recht an rechter Kleidung | |
> Bei Neonazis sind Klamotten mit rechten Codes beliebt, in der Szene | |
> fließt dafür viel Geld. Ein Verein will darüber aufklären – mit dem | |
> Markenrecht. | |
Bild: Rechtsextremisten und Neonazis signalisieren ihre Ideologie immer häufig… | |
ERFURT taz | Auf den ersten Blick sieht der Schriftzug auf dem weißen | |
T-Shirt aus wie das Logo der beliebten Sportmarke „ellesse“. Doch dann | |
fällt auf: Statt des orange-roten Halbkreises ist über der Schrift offenbar | |
ein Hakenkreuz angedeutet, schwarz, auf weißem Grund, mit rotem Rand. Und | |
statt „ellesse“ steht dort „enness“ – gesprochen wie NS, der Abkürzu… | |
den Nationalsozialismus. | |
Das ist kein Zufall, denn Anbieter dieses T-Shirts und ähnlicher Artikel | |
waren Onlineversandhändler, deren Zielgruppe ein Faible für Hakenkreuze | |
oder den Nationalsozialismus hat: Neonazis und andere Rechtsextreme. Die | |
Abkürzung „enness“ ist einer von vielen Codes, die sie etwa als | |
Erkennungszeichen nutzen. Doch obwohl das T-Shirt bei mehreren Shops unter | |
den Bestsellern lief, haben einige es an diesem Dienstag offline genommen. | |
Der Grund: Sie haben nicht die Markenrechte, um Kleidung mit der Abkürzung | |
„enness“ zu verkaufen. Das darf ganz offiziell, laut europäischem | |
Markenamt, nur die antifaschistische Initiative „Laut gegen Nazis“. Sie | |
versucht [1][seit vergangenem Oktober mit der Aktion „Recht gegen Rechts“] | |
die Markenrechte an in der Szene beliebten Codes für Kleidung zu bekommen. | |
Wenn das gelingt, kann die Initiative anderen verbieten, solche zu | |
verkaufen. | |
Bei „enness“ hat es geklappt, und nun mahnt die Initiative Neonazi-Shops | |
ab. Wie die meisten Shops darauf reagieren, weiß Jörn Menge, | |
Vereinsvorsitzender von Laut gegen Nazis, mittlerweile. Auf frühere | |
Unterlassungserklärungen hätten die meisten Shops „ganz höflich“ | |
geschrieben, dass sie die Sachen aus dem Sortiment nehmen. „Mit Anrede und | |
Grußformel, wie das so üblich ist in einem Business“, so Menge. „Mehr ist | |
das für die eben nicht.“ Wenn die Shops die Kleidung nicht aus dem Shop | |
nehmen, schalten sich die Anwälte der Initiative ein. | |
## Hunderte Nazi-Codes | |
Und dieses Business ist offenbar ziemlich einträglich, wie die [2][Vielzahl | |
der Shops] zeigt. Sie machen Reizworte unkenntlich, etwa indem sie Vokale | |
weglassen oder Zahlen verwenden: „I love Htlr“ auf Baby-Stramplern, | |
„HKNKRZ“ (Hakenkreuz) auf T-Shirts oder eine 88 im Ehrenkranz (steht für | |
den verbotenen Nazi-Gruß „Heil Hitler“) auf Pullovern. Auch der bundesweit | |
bekannte Neonazi [3][Tommy Frenck], der es bei der Thüringer Kommunalwahl | |
in die Stichwahl geschafft hat, verkauft und trägt Klamotten dieser Art. | |
„Die Kleidung sieht man bei Rechtsrockkonzerten oder Kameradschaftstreffen. | |
Da sind die in“, erzählt Jörn Menge der taz. Er ist seit rund 20 Jahren | |
aktiv und [4][kennt einige Codes]. An allen könne „Laut gegen Nazis“ | |
allerdings nicht die Rechte erwerben. Zum einen dürfen Marken nicht gegen | |
die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Zum anderen dürfen | |
sie nicht zu allgemein sein. | |
Alle Kleidung mit Nazi-Codes vom Markt zu nehmen, sei aber auch nicht die | |
Idee, sagt Menge. „Unser Ziel ist vor allem Aufklärungsarbeit darüber, wie | |
sich die Neonazi-Szene finanziert. Der finanzielle Schaden für die Shops | |
ist ein Nebeneffekt.“ | |
Um über die Codes aufzuklären, rief der Verein „Laut gegen Nazis“ zudem im | |
April zusammen mit mehreren Firmen aus der Modebranche ein weiteres Projekt | |
ins Leben: „Fashion against Fashism“. Das ist eine öffentliche Datenbank, | |
die rechte Codes sammelt, um sie bekannter zu machen. Mode-Plattformen | |
können ihre Angebote damit abgleichen, um Neonazi-Codes zu erkennen. Unter | |
anderem der Onlinehändler Zalando und die Second-Hand-Plattform Vinted | |
unterstützen das Projekt. Aktuell hat die Datenbank mehr als 190 Einträge. | |
Das geht schneller und ist günstiger als die Anmeldungen von Codes beim | |
Markenamt. Für einen Code wendet „Laut gegen Nazis“ nach eigenen Angaben | |
rund 1.600 Euro auf – spendenfinanziert. „Es dauert wirklich lange und ist | |
zeitintensiv“, sagt Menge. Dann lacht er: „Aber wir hören trotzdem nicht | |
auf.“ | |
28 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Linker-Verein-gegen-Naziklamotten/!5965888 | |
[2] /Rechter-Internetversand-Midgrd-gehackt/!5974343 | |
[3] /Kommunalwahl-in-Thueringen/!6009251 | |
[4] /Faschistische-Symbole-erkennen/!5512652 | |
## AUTOREN | |
David Muschenich | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Antifaschismus | |
Nationalismus | |
Rechte Szene | |
Rechtsextremismus | |
GNS | |
Social-Auswahl | |
IG | |
Rechtsextremismus | |
Kommunalwahl | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Antifaschismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verdacht auf Volksverhetzung in Dessau: Anne-Frank-Tagebuch verbrannt | |
Anne Franks Tagebuch ist wohl das bekannteste Dokument aus der Zeit des | |
Holocaust. Jetzt haben drei Jugendliche nahe Dessau ein Exemplar verbrannt. | |
Kommunalwahl in Thüringen: Verfassungsfeinde auf Wahlzetteln | |
In Thüringen tritt Neonazi Tommy Frenck bei der Landratswahl in | |
Hildburghausen an, offiziell zugelassen. Wie wehrhaft ist die Demokratie im | |
Kommunalen? | |
Rechtsextreme Gesänge auf Sylt: Rassismus als Partykracher | |
Vor einem Promiclub auf Sylt werden ausländerfeindliche Parolen zu | |
Discomusik gesungen. Seit Monaten geht diese Version in rechtsextremen | |
Kreisen viral. | |
Linker Verein gegen Naziklamotten: Das VTRLND in Antifa-Hand | |
Ein linker Verein sichert sich Markenrechte an Codes von Nazis. Die sind | |
für Rechtsextreme nicht nur ideologisch, sondern auch finanziell wichtig. |