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# taz.de -- Pressefreiheit in der Türkei: Auch Erdoğan plant „Agenten-Geset…
> Der türkische Präsident plant ein Gesetz gegen Personen, die im Interesse
> fremder Staaten recherchieren. Kritiker:innen befürchten Willkür.
Bild: Der türkische Präsident Tayyip Erdogan
Noch ist es nur ein Gesetzentwurf, doch die Angst geht um, dass es bald
ernst werden könnte. Noch in diesem Monat, so [1][Erol Önderoğlu, der
türkische Vertreter von Reporter ohne Grenzen], könne der Entwurf ins
Parlament eingebracht werden und dann mit der Mehrheit der Stimmen der
Regierung verabschiedet werden. „Es wäre“, so Önderoğlu, „ein neuer
massiver Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei“.
Tenor des Gesetzentwurfes, der seit einigen Tagen in Medien und Opposition
kursiert, ist, dass Personen sich strafbar machen, die angeblich im
ausländischen Auftrag gegen die Interessen des türkischen Staates arbeiten.
Demnach drohen Personen Haftstrafen zwischen drei und sieben Jahren, die
„im strategischen Interesse, auf Anweisung eines fremden Staates oder einer
Organisation“ Nachforschungen über türkische Behörden, Institutionen oder
in der Türkei lebende Ausländer anstellen, um „gegen die Sicherheit des
türkischen Staates oder gegen innen- und außenpolitische Interessen“ zu
handeln. So zitiert Reporter ohne Grenzen den Entwurf.
## Betroffen wären auch NGOs und ausländische Stiftungen
Ein solches Gesetz wäre maximal unkonkret und könnte nahezu beliebig gegen
jeden Kritiker und jede Kritikerin der Regierung angewandt werden,
befürchtet Erol Önderoğlu. Er ist mit seiner Einschätzung nicht allein.
Andere Oppositionelle und Medienvertreter befürchten ebenfalls, dass mit
einem solchen Gesetz NGOs und [2][kritische Medienorganisationen mundtot
gemacht werden könnten].
Die Befürchtung ist, dass selbst türkischen Personen und Organisationen im
Ausland damit der Vorwurf gemacht werden könnte, sie würden gegen die
Interessen der Türkei arbeiten. Entsprechend groß war die Kritik, die gegen
diesen Gesetzentwurf laut wurde. „Die Regierung schien deshalb zunächst
einen Rückzug zu machen“, meinte Önderoğlu, „doch jetzt wird wohl eine
leicht veränderte Version kommen.“
Betroffen wären nicht nur Medien und NGOs, sondern auch ausländische
Stiftungen. So werden beispielsweise die deutschen Parteistiftungen, also
Ebert-, Adenauer-, Naumann- und Böll-Stiftung schon länger von türkischen
Regierungen mit Misstrauen beäugt. Ein „Agenten-Gesetz“ könnte die Arbeit
der Stiftungen jedoch zusätzlich massiv erschweren.
## Kritiker befürchten beliebige Anklagen
Henrik Meyer, Leiter der Ebert-Stiftung in Istanbul, hofft deshalb auch,
dass es zu diesem Gesetz mindestens in der jetzt vorliegenden Form nicht
kommen wird. „Es gibt Signale an die deutsche – und andere Botschaften,
dass es so nicht kommen wird“, sagt er. Die türkische Regierung möchte
nicht mit Georgien und Russland in einen Topf geworfen werden, ist sein
Eindruck.
Sollte es in der einen oder anderen Form dennoch kommen, befürchtet Meyer
vor allem Druck auf die türkischen Partnerorganisationen der Stiftung. „Es
könnte aber auch sein, dass, selbst wenn ein solches Gesetz verabschiedet
wird, sich erst einmal nicht allzu viel ändern würde“, meint Henrik Meyer.
„Das würde so eine Art Vorratsgesetz, das dann zur Anwendung kommt, wenn es
politisch opportun ist.“
Für die deutschen Stiftungen hieße das, entscheidend ist, wie der jeweilige
Stand der deutsch-türkischen Beziehungen aussieht. „Solange es einigermaßen
gut läuft, würde ein solches Gesetz wohl keine große Rolle spielen“. Andere
sind da weniger optimistisch. [3][Ein Mitglied der Redaktion der linken
Tageszeitung Birgün] sagte gegenüber der taz: „Ein solch schwammiges Gesetz
würde unserer Arbeit maximal schaden. Damit könnte man jede beliebige
Anklage zusammenstellen.“
6 Jun 2024
## LINKS
[1] /Prozess-in-der-Tuerkei/!5889514
[2] /Pressefreiheit-in-der-Tuerkei/!5950516
[3] /Redaktionsbesuche-in-Istanbul/!5987649
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
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