# taz.de -- Wahlkampf-Protest in Hamburg: Schrille Töne gegen rechts | |
> „Kritisch begleiten“ will ein Bündnis den AfD-Wahlkampf in Hamburg. Darin | |
> sieht die Polizei mitunter eine unangemeldete Versammlung – und greift | |
> ein. | |
Bild: Links die rechten Wahlkämpfer, rechts Blockflötenprotest, eingekesselt … | |
HAMBURG taz | Kein Wahlkampfstand der AfD soll ungestört ablaufen, das ist | |
das Ziel. Etwa 15 Aktivist*innen versammeln sich am Samstagvormittag an | |
einer Kreuzung in Hamburg-Rothenburgsort, pusten mit aller Kraft in bunte | |
Blockflöten aus Plastik und halten ein Transparent hoch: Blockflöten gegen | |
rechts. | |
Es ist laut, aber es gibt Ohrstöpsel für alle. Das heißt, nein: Die Leute | |
am AfD-Wahlkampfstand, der einige Meter entfernt an der Straßenecke steht, | |
kriegen keine angeboten. Sechs Männer stehen um einen blauen Stehtisch, | |
darauf liegen Werbekulis und Flugblätter mit Deutschlandflaggen. Darüber | |
thront ein hellblauer Sonnenschirm mit AfD-Logos. | |
Anfang des Jahres hatte die [1][Rechercheplattform „Correctiv“] | |
rassistische Deportationspläne von Mitgliedern von AfD und der | |
„Werteunion“, Identitären und anderen extrem rechten Akteuren bekannt | |
gemacht. Es folgte die größte Protestwelle der Geschichte der | |
Bundesrepublik: [2][3,6 Millionen Menschen demonstrierten] laut dem | |
Institut für Bewegungsforschung Anfang des Jahres gegen rechts. | |
## Wahlen mit wenig Zuspruch | |
Und jetzt? Die großen Demonstrationen sind abgeebbt, dabei herrscht | |
Wahlkampf: Gewählt wird einerseits auf Europaebene – wo die AfD nach | |
SS-verharmlosenden Aussagen ihres Spitzenkandidaten [3][aus der extrem | |
rechten Fraktion „Identität und Demokratie“ ausgeschlossen] wurde. | |
Kommunalwahlen stehen zudem in acht Bundesländern an, was in Hamburg heißt: | |
Gewählt wird auf Bezirksebene. Für die AfD geht es um Landgewinn bei | |
Abstimmungen mit traditionell niedriger Beteiligung. | |
Aber auch ohne die ganz großen Demonstrationen begleitet vielerorts Protest | |
den Wahlkampf der in Teilen gesichert rechtsextremen AfD: Für Hamburg hat | |
[4][das Bündnis „Klare Kante gegen Rechts“] eine „kritische | |
Wahlkampfstandbegleitung“ angekündigt. „Jeder Stand, der bespielt ist, ist | |
ein Erfolg“, sagt Bente*, Aktivistin bei der Organisation [5][„Aufstehen | |
gegen Rassismus“ (AGR)], die den Protest in Rothenburgsort organisiert hat. | |
Sie hat einen Müllbeutel zur – laut Aufschrift – „fachgerechten Entsorgu… | |
rechter Hetze“ dabei und bietet ihn allen Mensc | |
hen an, die ein paar Meter weiter ein AfD-Flugblatt erhalten haben. Die | |
Idee sei, den Wahlkampf der AfD zu stören – durch Gespräche, Parolen und | |
anderen kreativen Protest. Man wolle allen zeigen, dass die AfD keine | |
normale Partei sei, so Bente. „Ein richtig gutes und wichtiges Konzept.“ | |
Sie hätte vorher nicht geglaubt, an wie vielen Menschen die Positionen der | |
AfD vorbeigingen – und die wolle sie nun mit Flugblättern und Gesprächen | |
erreichen. | |
Auch drei Polizist*innen sind anwesend an diesem Samstagvormitag. Wie | |
die Polizei reagiere, sei nicht vorhersehbar, erklärt Bente: Die | |
Einsatzleiterin hier in Rothenburgsort wirkt gelassen und verweist | |
gegenüber AfD – aber auch einer von den Blockflöten genervten Anwohnerin – | |
auf die Versammlungsfreiheit. | |
## Eingekesselt und fotografiert | |
Eine Woche früher, am 18. Mai sei das anders gewesen, berichtet Aktivist | |
Simon*: Da habe die Polizei eine „kritische Standbegleitung“ im Stadtteil | |
Barmbek von Beginn an abgeschirmt. Gegen Ende seien sogar zwei zusätzliche | |
Mannschaftswagen mit behelmter Bereitschaftspolizei vorgefahren. Simon | |
erzählt, er sei beim Versuch, die Situation zu verlassen von zwei | |
Polizist*innen zu Boden geworfen worden. Der Protest sei eingekesselt | |
worden, Personalien seien aufgenommen, Fotos gemacht und Platzverweise | |
ausgesprochen worden. Der Vorwurf: Teilnahme an einer unangemeldeten | |
Versammlung. „Es war sehr brutal, sehr unvermittelt“, sagt Simon. | |
In Rothenburgsort steht er nun mit etwas Abstand zu den Blockflöten und | |
beobachtet, wie die AfD ihre Flugblätter anbietet. Einzelne werden | |
mitgenommen, aber nur eine Handvoll Passant*innen bleibt auch stehen am | |
Stand der Blaubraunen. Vehement weist eine Frau einen AfD-Flyer zurück – | |
wenig später steht sie bei den Protestierenden, haut lautstark Messbecher | |
und Kochlöffel gegeneinander. Die drei Polizist*innen stehen weiter am | |
Rand und sehen zu. | |
Die Hamburger Polizei hat [6][gegenüber dem NDR] erklärt, der Protest in | |
Barmbek sei lautstark, aber friedlich gewesen. Die AfD spricht dagegen von | |
„Blockaden“ und „Belagerung“. Ein Wahlkämpfer am Stand in Rothenburgso… | |
gibt sich gelassen: Ja, die Proteste seien laut, nervig, aber nie | |
gewalttätig. Man kenne sie ja auch schon. | |
Woher dann die Notwendigkeit, eine ganze Gruppe offenbar lautstarker, aber | |
friedlicher Demonstrierender in Gewahrsam zu nehmen und dabei einige | |
gewaltsam zu Boden zu werfen? „Mir ist das absolut unerklärlich“, sagt | |
Simon. Jetzt beobachtet er, wie die AfD ihren Stand abbaut und in ein Auto | |
lädt – begleitet von „Haut ab!“-Rufen und Blockflöten. | |
Warum die Polizei sich so unterschiedlich verhalte, verstehe er nicht, sagt | |
Simon. Man sehe doch, dass den Rechten keine Gefahr drohe, erklärt er und | |
weist auf das wegfahrende Auto hin, aus dem ein AfD-Politiker winkt. „Der | |
Stand ist vorbei, die AfD fährt weg – es passiert nichts!“ | |
*Namen geändert | |
26 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Correctiv/!t5012690 | |
[2] /Demonstrationen-gegen-rechts/!6010897 | |
[3] /Europas-Rechte-und-die-AfD/!6010031 | |
[4] https://hamburg.klare-kante-gegen-rechts.eu/ | |
[5] https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/lokal/hamburg/ | |
[6] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Demonstration-gegen-Infostand-der-Af… | |
## AUTOREN | |
Selma Hornbacher-Schönleber | |
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