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# taz.de -- Mobilität der Zukunft: Hyper Hyper
> Mit 1.000 Km/h durch Röhren reisen, das ist der Traum von Elon Musk und
> vom Start-up Hyperloop. Zu Besuch in 420 Metern Hype in den Niederlanden.
Bild: Die Kinder von heute könnten sich in der Zukunft per Hyperloop fortbeweg…
Die Zukunft beginnt in der Peripherie: in der nordöstlichsten Ecke der
Niederlande, am Rand des Städtchens Veendam. Auf dem Gelände eines
unscheinbaren Logistikunternehmens steigt Stefan Immerzeel, ausgerüstet mit
Helm, Leuchtweste und Funkgerät, an einem kühlen Aprilnachmittag in eine
weiße Stahlröhre. Zweieinhalb Meter ist ihr Durchmesser, oben und an den
Seiten ziehen sich Schienen entlang und verschwinden in der Ferne.
„Willkommen im Hyperloop“, sagt Immerzeel und schaltet die Beleuchtung an.
Mit Hyperloop wird ein Konzept zum Transport von Personen und Gütern
bezeichnet, an dem schon seit Jahren getüftelt wird: Kapseln, die mit bis
zu 900 oder gar 1.000 Stundenkilometern durch ein vakuumdichtes
Röhrensystem sausen. Und hier, zwischen einem Kanal und windgepeitschten
Feldern, hat das Unternehmen Hardt Hyperloop einen womöglich entscheidenden
Schritt gesetzt, um diese Idee zu realisieren: das European Hyperloop
Center, kurz EHC, eine Teststrecke von 420 Metern, fertiggestellt Ende
März.
„Noch im Frühjahr beginnen wir mit den ersten Versuchen“, sagt Immerzeel,
der Infrastrukturingenieur des Unternehmens, mit sichtbarer Vorfreude. Das
Vehikel selbst, das bald durch die Röhre schießen soll, befindet sich noch
in der Werkstatt in Rotterdam.
Die Magnetschwebetechnik, auf der das Ganze basiert, bekommt gleich am
Eingang ein Gesicht: „Oben sind die Levitationsschienen, unter denen das
Vehikel entlangschweben wird“, sagt Stefan Immerzeel und weist an die
Decke. „Seitlich haben wir Lenkschienen, zwischen denen das Vehikel sich
selbst zentriert und auf jeweils 15 Millimetern Abstand immer stabil in der
Mitte bleibt.“ Die Magnete befinden sich ausschließlich am Vehikel, das ist
bei anderen Hyperloop-Modellen nicht so. Die Röhreninfrastruktur selbst ist
dagegen rein passiv. „Dadurch lässt sie sich schnell und kosteneffektiv
errichten“, sagt Immerzeel.
## Energiesparender als Autofahren und Flugreisen
Auch wenn Kritiker*innen den letztgenannten Punkt entschieden
bezweifeln – das EHC weckt nicht nur unter Technikbegeisterten Vorfreude.
Es ist die bislang längste Hyperloop-Teststrecke in Europa, und auch die
erste, die eine Weiche enthält, sagt Tim Houter, einer der Mitbegründer von
Hardt Hyperloop, der an diesem Nachmittag ebenfalls mit in der Röhre ist.
Und das wäre in der Tat eine Weichenstellung, um eine Technologie zur
Anwendung bringen zu können, die für das Feld der nachhaltigen Mobilität
wie ein Gamechanger klingt. „Der Hyperloop ist zehn Mal energiesparender
als [1][das Auto] oder [2][das Flugzeug] und zwei bis drei Mal effizienter
als Züge“, sagt Houter. „Was umso wichtiger ist, da sich das weltweite
Transportvolumen bis 2050 verdoppeln wird.“
Entscheidend für den niedrigen Energiebedarf ist das Vakuum, das in der
Röhre herrschen wird, und mit dessen Hilfe sich die Kapseln ohne
Luftwiderstand bewegen können. Erzeugt wird das Vakuum mit Hilfe einer
speziellen Pumpe. Etwa 1.600 Kubikmeter Luft saugt sie pro Stunde aus der
Röhre. Aktuell betrage der Luftdruck ein Bar, sagt Tim Houter. „Den bringen
wir innerhalb von acht Stunden auf ein Millibar herunter, also ein
Tausendstel.“ Er vergleicht: „Vakuumierter Kaffee hat zehn Millibar.“ Bald
soll getestet werden, ob der geringe Luftdruck konstant erhalten bleibt.
Während es tiefer in die Röhre hineingeht, erzählt Immerzeel vom Hyperloop
Development Program, zu dem das etwa zehn Millionen Euro teure Projekt
gehört, und an dem neben niederländischen Ministerien und
Forschungseinrichtungen auch rund zwei Dutzend internationale Akteure
beteiligt sind. So wurde der Stahl für die Röhren in Südkorea und den
Niederlanden entwickelt, für die Installation in Veendam waren belgische
Spezialisten zuständig. An Bord sind auch Unternehmen aus Polen, Spanien
und der Schweiz. So breit die Beteiligung, so offen die Nutzungspolitik der
Teststrecke: Sie ist allen zugänglich, die hier ihre Hyperloop-Technologie
testen wollen.
## Ein unbehagliches Knallen
Ein Punkt, der dabei besondere Aufmerksamkeit bekommen wird, sind die
silbrig-grauen Abschnitte zwischen jedem vierten Röhrenelement. In die
Lenkschienen sind an diesen Stellen kurze Unterbrechungen eingelassen, um
dem Stahl den nötigen Raum zu geben. „Die Außentemperatur hat einen Effekt
auf den Stahl: er dehnt sich aus oder zieht sich zusammen. Letzte Nacht war
es kalt, jetzt wärmt es sich auf“, sagt Tim Houter.
Tatsächlich hört man ab und an ein leicht knallendes Geräusch – der Stahl,
der auf die steigende Temperatur reagiert. „Das ist ein Punkt, der bei
manchen Bedenken auslöst“, sagt Stefan Immerzeel, „Zugleich aber ist die
Problematik innerhalb des Fachs sehr bekannt. Bei Brücken gibt es sie
schließlich auch.“
Nach gut hundert Metern nähert man sich dem zentralen Element des EHC, dass
es zuvor in noch keiner Hyperloop-Teststrecke gab: der Weiche. Um
irgendwann ein Hyperloop-Netz aufzubauen, ist sie unverzichtbar, sonst
bliebe es bei separaten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. „Man kann sich hier
vorstellen, dass eine Strecke nach Berlin abzweigt, und die andere nach Rom
weiterläuft“, sagt Immerzeel.
Der Ingenieur steht an der Stelle, an der sich die Levitationsschienen
spalten und die Röhre sich teilt. Gleißende Beleuchtungsstreifen an den
Wänden erstrahlen links rötlich, rechts grün. „In der linken Röhre soll
mittelfristig eine Geschwindigkeit von 350 Stundenkilometern erreicht
werden. Das ist die langsame. Rechts geht es bis 700.“
## Geldmangel im Hyperloop-Business
Mit dieser Innovation könnte das EHC der ins Straucheln geratenen
Hyperloop-Technologie wieder einen Schub geben. Ende 2023 nämlich stellte
der amerikanische Betrieb Hyperloop One, der schon 2017 mit einer
Teststrecke in der Wüste von Nevada für Furore sorgte und als Zukunft der
Branche galt, seine Aktivitäten ein.
Rechtliche und interne Querelen, Probleme im technischen Bereich und nicht
zuletzt Mangel an Geld und Investor:innen bedeuteten das Ende des
Unternehmens. Damit sahen nicht wenige auch die Idee beerdigt, die Elon
Musk bereits 2013 vorstellte: ein Transportsystem, das die rund 600
Kilometer von San Francisco bis Los Angeles in knapp 30 Minuten zurücklegen
könnte.
Von dieser Idee führt ein direkter Weg in die Veendamer Peripherie und zu
Immerzeel und Houter: Mit Kolleg:innen ihres heutigen Teams gewannen sie
2017 [3][einen von Elon Musk ausgeschriebenen Hyperloop-Wettbewerb] und
nutzten das Preisgeld zur Firmengründung.
Nach dem Besuch in der Röhre stehen die Ingenieure vor dem kleinen
Container nebenan, der ihr provisorisches Büro beherbergt. Auch ihre
Kollegin Julia Oomens-Meer ist dabei, sie leitet bei Hardt die
Geschäftsentwicklung. „Wir brauchen den Hyperloop schlicht und einfach in
der Zukunft“, sagt sie. „Mich ärgert es, dass man immer nur darüber redet,
von fossilen Trägern auf elektrische umzusteigen. Dabei kommt es doch
darauf an, weniger Energie zu nutzen. Sonst kommen wir mit den Ressourcen
nicht aus.“
## Die Rohre in der Landschaft
Was sagen sie zu dem Argument, die Hyperloop-Infrastruktur zu errichten,
sei zu teuer und aufwändig? „Das ist eine große Herausforderung“, räumt …
Houter ein. „Die Baukosten sind aber billiger als bei Schnellstrecken für
Züge.“ Ein weiterer Einwand ist mangelnder Raum, zudem finden manche, die
Hyperloopröhren würden die Landschaft verschandeln.
Julia Oomens-Meer hat dafür eine Idee: „Man kann sie auch mit Erde bedecken
und einen Park darüber bauen. Oder sie auf Pfeilern errichten, darunter
kommt [4][eine Fahrradspur und obendrauf Sonnenpanele, dann hätte man den
Raum dreifach genutzt].“
Wann in Veendam bemannte Testfahrten stattfinden werden, steht noch nicht
fest. Oomens-Meier ist sich sicher, dass ihre Kinder sich noch per
Hyperloop fortbewegen werden. Houter erinnert an das erwartete verdoppelte
Transportaufkommen. „Ein Flughafenausbau ist klimatechnisch wohl keine
Option. Also wäre der Hyperloop eine der essentiellen Lösungen.“
Jetzt beginnt aber erst mal der Testprozess im EHC. Verläuft dieser
sicherheitstechnisch zufriedenstellend, müsste geklärt werden, wie und wo
sich die Infrastruktur konkret realisieren ließe. Und schließlich ist da
noch ein Aspekt, der eher in die Zuständigkeit der Politik fällt: um das
Nachhaltigkeitspotential auszunutzen, bräuchte es eine entsprechende
Preisstrategie. Aktuell zahlt man für eine Fahrt mit dem Schnellzug von
Amsterdam nach Lissabon ein kleines Vermögen. So aber holt man die
Reisenden nicht aus der Luft und von der Straße auf die Schiene – und wohl
auch nicht in die Röhre.
19 May 2024
## LINKS
[1] /Reform-des-Klimaschutzgesetzes/!6002212
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[3] /Niedersaechsische-Studis-helfen-Elon-Tesla-Musk/!5430289
[4] /Was-Staedte-durch-weniger-Autos-gewinnen/!5986938
## AUTOREN
Tobias Müller
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