# taz.de -- taz-Serie Nachtzugkritik: Da kann keine Wiege mithalten | |
> Im Nightjet von Berlin nach Wien lässt es sich auch gut mit Kindern | |
> reisen – wenn man nicht gerade im Sitzwagen landet. | |
Bild: Ein Nightjet am Berliner Hauptbahnhof | |
WIEN taz | Es gibt angenehmere Dinge, als mit zwei Kindern im ICE von | |
Berlin nach Wien zu sitzen. Vor allem in Zeiten der Pandemie. Da die | |
[1][Deutsche Bahn] aber auch ohne Coronaviren in der Luft nicht | |
familienfreundlich ist – vom Buchungssystem über das eine, eher mickrige | |
Kleinkindabteil pro ICE bis hin zu dem Unverständnis, dem man begegnet, | |
wenn man einen Kinderwagen mitführen muss –, sind wir dazu übergegangen, | |
zwischen Berlin und meiner Heimatstadt Wien Nachtzug zu fahren. | |
Der [2][Nightjet NJ457 der ÖBB] fährt zwischen 18 und 19 Uhr in Berlin ab, | |
gegen 7 Uhr morgens kommt er in Wien an. Wir sind die Strecke schon einige | |
Male gefahren. Es gibt in der Regel Schlaf-, Liege- und Sitzabteile. Die | |
Liegeabteile haben vier oder sechs Betten, die Schlafabteile eins, zwei | |
oder drei. | |
Wir haben es bisher noch nie geschafft, ein Liegeabteil zu ergattern. | |
Deshalb hatten wir meistens ein privates Schlafabteil mit drei Betten. Nur | |
einmal mussten wir auf ein privates Sitzabteil ausweichen, weil alles | |
ausgebucht war. Es war auf dem Rückweg von Wien nach Berlin, und es war | |
furchtbar. | |
Die Kinder konnten auf den schmuddeligen, klappernden, ausgezogenen Sitzen | |
zwar irgendwie schlafen, aber für uns Eltern war es die unbequemste | |
Zugreise aller Zeiten. Es gab keine Vorhänge – weder am Zugfenster noch zum | |
Gang. Es war laut, die Tür ließ sich nicht verschließen, die Durchsagen | |
wurden nachts nicht pausiert und, was wir bis dahin aus dem Schlafabteil | |
nicht kannten: In jedem Land wurden von wechselndem Personal unsere Tickets | |
kontrolliert, ganz egal zu welcher Uhrzeit. Auf dieser Strecke bedeutete | |
das: Österreich, Tschechien, Polen, Deutschland – klopf, klopf – „Die | |
Fahrkarten bitte!“ | |
Aber zurück zum Schlafabteil: Das erste Mal sind wir diese Strecke | |
gefahren, da war unser kleines Kind drei Monate alt. Die Zugführerin war | |
sehr zuvorkommend und hat uns mit dem Kinderwagen nicht nur geholfen, | |
sondern ihn auch in einem anderen Abteil verstaut. Leider ein Einzelfall. | |
## Das Betten-Dilemma | |
Die Betten sind bei Einstieg noch nicht ausgeklappt, das macht das | |
Zugpersonal auf Abruf. In die Fächer unter der Waggondecke passen zwei | |
große Koffer. Das Handgepäck muss dann aber schon auf den Boden, unter und | |
neben den schmalen Klapptisch. Wenn dann noch ein Kinderwagen ins Abteil | |
muss und die Leiter zu den Betten hängt, kann man sich kaum noch bewegen. | |
Auch die kleine Waschnische ist dann nicht mehr aufzuklappen. | |
Mit einem Baby kann man sich ein Bett teilen, aber als das Kind bei unserer | |
letzten Reise schon über ein Jahr alt war, wurde es eng. Leider ist das | |
oberste Bett das kleinste. Und auch wenn es mit einem Netz gesichert ist, | |
für das vierjährige Kind ist das zu hoch. Also musste mein Partner sich da | |
oben zusammenkauern. Er trug es mit Fassung, aber es geht natürlich | |
gemütlicher. | |
Sobald der Zug rollt, bestellen wir meistens schon Abendessen und füllen | |
das Frühstücksformular aus. Es gibt warmes Essen, auch vegetarisch oder | |
vegan, und für Zugessen ist es in Ordnung. Ein kleiner Beutel mit Sekt, | |
Snacks und Schlappen wartet im Abteil. Das Frühstück allerdings ist | |
verbesserungsbedürftig. Die Brötchen schmecken wie drei Tage alt und der | |
Kaffee ist nicht zu trinken. | |
Für die Kinder ist es jedes Mal ein Abenteuer, im Zug zu schlafen. | |
Langeweile kommt nicht auf, weil sie erst sehr aufgeregt und dann sehr müde | |
sind. Mit dem Gewackel der Bahn kann keine Wiege mithalten. Sie schlafen | |
schnell ein, und wir Eltern können uns ausruhen. Eine Erfahrung, die wir | |
bisher bei keiner Bahnfahrt tagsüber gemacht haben. | |
21 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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