# taz.de -- CDU-Bundesparteitag: Zurück zur Wehrpflicht | |
> Beim Parteitag will die CDU ihr Grundsatzprogramm verabschieden. Auch | |
> dabei: mehr Distanz zum Islam und die Option für Atomkraft. | |
Bild: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und der Parteivorsitzende Friedric… | |
BERLIN taz | Es ist Mittagszeit, als der Bundesvorstand der CDU doch einmal | |
nachgeben muss. Gerade hat Johannes Winkel, der Vorsitzende der Jungen | |
Union, mit Verve einen Änderungsantrag zum Entwurf des Grundsatzprogramms | |
vorgetragen. „Wir dürfen die Verteidigung nicht dem Prinzip Hoffnung | |
überlassen“, hat Winkel gerufen und nicht weniger als die Wiedereinführung | |
der Wehrpflicht gefordert. | |
Genauer: Die JU will die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise bis zur | |
Einführung eines allgemeinen, verpflichtenden Gesellschaftsjahres | |
zurücknehmen; letzteres ist schon Beschlusslage der Partei. Bis dahin soll | |
[1][nach dem Vorbild Schwedens] eine sogenannte Kontingentwehrpflicht | |
eingeführt werden. Das heißt: Alle Männer und Frauen eines Jahrgangs sollen | |
gemustert, aber nur so viele eingezogen werden, wie es dem aktuellen Bedarf | |
der Bundeswehr entspricht. Der Entwurf des Bundesvorstands hatte nur recht | |
unverbindlich davon gesprochen, dass es mit Blick auf die Wehrpflicht keine | |
Denkverbote geben dürfe. | |
Nach Winkel melden sich mehrere Delegierte zu Wort, die den Antrag der JU | |
unterstützen. „Wenn wir eine Zeitenwende bei der Bundeswehr umsetzen | |
wollen, dann gehört die Frage nach der Rekrutierung von Personal dazu“, | |
sagt Daniel Günther, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Joe | |
Wadephul, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag, hat die | |
ursprüngliche Version mit erarbeitet – und seine Meinung geändert: „Wir | |
müssen sagen, wo die CDU hinwill.“ Am Ende nimmt der Parteitag den Antrag | |
der JU minimal verändert an. CSU-Chef Markus Söder, der später auf dem | |
Parteitag spricht, lobt den Beschluss. „Das Bekenntnis zur Wehrpflicht ist | |
ein wichtiges Bekenntnis zur Stärke der Bundeswehr.“ | |
Zwei Jahre lang hat die Grundsatzprogrammkommission gearbeitet, | |
[2][herausgekommen ist ein 72-seitiger Entwurf unter dem Titel „In Freiheit | |
leben“]. 2.120 Änderungsanträge liegen dem Parteitag am Dienstag dazu vor. | |
Der ganze Tag ist für die Debatte vorgesehen, unterbrochen nur von Söders | |
Rede am späteren Nachmittag. Am Abend soll das vierte Grundsatzprogramm der | |
Partei verabschiedet werden, das letzte war 17 Jahre alt. | |
## Röttgen beklagt Hartherzigkeit bei Asyldebatte | |
„Heute wird es historisch“, sagte denn auch Generalsekretär Carsten | |
Linnemann, der die Kommission geleitet hat, zu Beginn der Debatte. Und | |
Parteichef Friedrich Merz widersprach der weitverbreiteten Einschätzung, | |
dass die CDU keine Programm-, sondern eher eine Machtpartei sei. „Nur wenn | |
wir in der Verantwortung stehen, können wir etwas durchsetzen – aber dieses | |
Etwas muss Substanz haben“, betonte Merz. | |
Im Laufe des Tages winken die Abgeordneten ohne Debatte viele Punkte durch: | |
das Bekenntnis zur Leitkultur etwa, eine Kopplung des Renteneintrittsalters | |
an die Lebenserwartung, auch eine [3][bis zuletzt eigentlich umstrittene | |
Äußerung zum Islam]. Dort heißt es jetzt: „Ein Islam, der unsere Werte | |
nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu | |
Deutschland.“ Gestärkt wird das konservative Profil der CDU. | |
Immerhin: Ein erneuter Versuch, den Begriff der Gleichstellung von Mann und | |
Frau aus dem Programm zu streichen, scheiterte. Der Begriff ist einem Teil | |
der Konservativen in der CDU, die überall Identitätspolitik wittern, ein | |
Dorn im Auge. Weil diese Passage aber bereits vor anderthalb Jahren auf | |
einem Parteitag länglich debattiert und auch beschlossen wurde, wurde eine | |
erneute Befassung abgelehnt. | |
Ebenfalls fehl ging der Vorstoß, die vorgesehene dramatische Verschärfung | |
des Asylrechts ein kleines bisschen aufzuweichen. Außenpolitiker Norbert | |
Röttgen forderte, zumindest solche Geflüchtete in Deutschland aufzunehmen, | |
die bei Verfahren in sicheren Drittstaaten nach deutschem Recht als | |
politisch Verfolgte anerkannt werden. „Das sind nur ganz wenige Menschen“, | |
so Röttgen. | |
Die „Hartherzigkeit“ im Entwurf werde der CDU nicht gerecht. Röttgen | |
erinnerte auch daran, dass das Grundrecht auf Asyl aus historischen Gründen | |
im Grundgesetz steht. Doch das nützte nichts, der Änderungsantrag wurde von | |
den Delegierten abgelehnt. „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in | |
einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren | |
durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat | |
dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren“, heißt es nun im | |
Grundsatzprogramm. In Deutschland aufgenommen werden soll nur noch ein | |
festzulegendes Kontingent. | |
Auch der Versuch, die Möglichkeit zur Rückkehr zur Atomkraft aus dem | |
Entwurf zu streichen, scheitert. Es geht um die Formulierung, dass | |
Deutschland nicht auf die „Option Kernkraft“ verzichten könne. Andreas | |
Jung, Klimaexperte der Union, argumentiert für den Bundesvorstand: „Es gibt | |
kein zurück zur Kernkraft der jetzigen Generation.“ Es gehe um Offenheit | |
für die Forschung. Der Bundesvorstand. Der Änderungsantrag wird abgelehnt. | |
Am frühen Abend ermahnt die Bundestagsabgeordnete Serap Güler, | |
stellvertretende Leiterin der Grundsatzprogrammkommission, dass sich bitte | |
alle Redner*innen kurz fassen sollen. „Allein für diesen Punkt gibt es | |
noch neun Wortmeldungen.“ Inzwischen ist die Debatte immerhin auf Seite 60 | |
des Entwurfs angekommen. Der Beginn des „Berliner Abends“ mit DJ Joe | |
Chialo, dem Berliner Kultursenator, wird sich nach hinten verschieben. | |
7 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Cem-Odos Güler | |
Sabine am Orde | |
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