| # taz.de -- Finanzexpertin über Steuerpolitik: „Mehrheit der Welt soll profi… | |
| > Wie lassen sich Sozialpolitik und Klimaschutz bezahlen? Finanzexpertin | |
| > Chenai Mukumba ist dafür, Superreiche und Konzerne stärker zu besteuern. | |
| Bild: Den Menschen im Kibera-Slum in Nairobi könnte die Besteuerung der Superr… | |
| taz: Frau Mukumba, für ihre Entwicklungsziele und Klimaschutz werden die | |
| Länder Afrikas Milliarden von Dollar brauchen. Woher sollen die kommen? | |
| Chenai Mukumba: Die Entwicklung Afrikas muss aus Mitteln finanziert werden, | |
| die in den afrikanischen Ländern selbst aufgebracht werden – das ist die | |
| nachhaltigste Form der Finanzierung. Steuern sind ein wichtiges Instrument | |
| dafür. Die Steuereinnahmen Afrikas entsprechen im Schnitt 15 Prozent des | |
| Bruttoinlandsprodukts. Das ist so niedrig wie sonst nirgendwo auf der Welt. | |
| Die afrikanischen Regierungen sollten sich in erster Linie darauf | |
| konzentrieren, das zu ändern. Wir plädieren dafür, die Steuerbehörden zu | |
| stärken und Transparenzgesetze einzuführen. Erst danach sollten wir über | |
| neue Schulden, Entwicklungsgelder und ausländische Direktinvestitionen | |
| sprechen. | |
| Reichen nationale Anstrengungen aus? | |
| Nein. Wir setzen uns deshalb bei den Vereinten Nationen für eine | |
| Steuerkonvention ein, um eine umfassende und effektive Zusammenarbeit im | |
| Steuerbereich zu fördern. Derzeit regelt die Organisation für | |
| wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die globalen | |
| Steuervorschriften. Sie vertritt 38 reiche Länder mit hohem | |
| Pro-Kopf-Einkommen. Um weitere Länder einzubeziehen, wurde eine Plattform | |
| namens OECD Inclusive Framework geschaffen, der 140 weitere Länder | |
| angehören. Doch von den 54 Staaten Afrikas ist nur die Hälfte darin | |
| Mitglieder. | |
| 139 Staaten der Welt haben sich immerhin auf eine [1][globale | |
| Mindeststeuer] und neue Regeln geeinigt, um Digitalkonzerne zu besteuern. | |
| Manche Entwicklungsländer sehen diesen Plan der OECD jedoch kritisch. | |
| Warum? | |
| Die Regeln sind unglaublich komplex, und sie verändern das Steuersystem | |
| nicht grundlegend. Die Digitalsteuer, die erste Säule des Konzepts, | |
| betrifft nur etwa 100 multinationale Konzerne. Die Einnahmen, die dadurch | |
| in die Entwicklungsländer fließen würden, wären marginal. Ein | |
| Mindeststeuersatz von 15 Prozent bildet die zweite Säule. Viele | |
| Entwicklungsländer finden, dass das zu wenig ist, um eine Steuerflucht von | |
| Unternehmen effektiv zu verhindern. Denn in einigen afrikanischen Ländern | |
| müssen multinationale Konzerne 21 Prozent oder mehr zahlen. | |
| Welche anderen Ideen gibt es? | |
| Eine Reihe von Entwicklungsländern führt derzeit eine Steuer auf digitale | |
| Dienstleistungen ein. Kenia zum Beispiel. Das Land hat dazu gerade einen | |
| Bericht veröffentlicht, in dem es seine derzeitigen Einnahmen aus dieser | |
| Steuer auf digitale Dienstleistungen mit den Einnahmen vergleicht, die es | |
| mit einer Digitalsteuer erzielen würde, wie sie OECD vorschlägt. Es zeigte | |
| sich, dass die Einnahmen im ersten Fall viel höher waren. | |
| Die Afrikanische Union hat eine Alternative zum OECD-Entwurf vorgeschlagen. | |
| 125 Staaten haben im vergangenen November ihren Plan für ein globales | |
| UN-Steuerabkommen angenommen. Was ist davon zu halten? | |
| Ein globales Steuerabkommen käme allen Ländern der Welt zugute. Denn wenn | |
| reiche Leute und multinationale Konzerne ihr Geld über die Grenzen | |
| schleusen, profitiert davon nur das oberste Prozent der Weltbevölkerung – | |
| alle anderen verlieren. Der Gedanke hinter einer UN-Steuerkonvention ist | |
| nicht, dass Entwicklungsländer gewinnen und die OECD verliert. Vielmehr | |
| würde die Mehrheit der Weltbevölkerung davon profitierten. | |
| Brasilien schlägt im Rahmen der G20 [2][eine globale Vermögenssteuer] vor. | |
| Wie bewerten Sie das? | |
| Die Superreichen stärker zu besteuern, wäre wirklich wichtig. Wir können es | |
| uns nicht länger leisten, die Augen davor zu verschließen, dass sich der | |
| extreme Reichtum immer stärker in den Händen einiger Weniger konzentriert. | |
| Die Art und Weise, wie unsere Volkswirtschaften derzeit wachsen, verschärft | |
| die Ungleichheit. Dies führt zu sozialen Spannungen, und wenn sich | |
| politische und ökonomische Macht immer stärker konzentrieren, untergräbt | |
| das unsere Demokratien. Hier setzt die Idee einer UN-Steuerkonvention an. | |
| Wir müssen sicherstellen, dass Entwicklungsländer beteiligt sind, wenn es | |
| um die tatsächliche Entscheidungsfindung und Umsetzung geht. | |
| Der Internationale Währungsfonds (IWF) empfiehlt in seinen | |
| Schuldenprogrammen oft, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Das aber trifft | |
| Ärmere besonders stark. Reiche stehen selten im Fokus, wenn es um die | |
| Entwicklungs- und Schuldenpolitik geht. Wie lässt sich das ändern? | |
| Viele Länder der Welt stecken derzeit in einer Schuldenkrise und sind von | |
| solchen Programmen betroffen. Wir sind besorgt darüber, dass sich die | |
| Empfehlungen des IWF vor allem auf einkommensschwache und marginalisierte | |
| Bevölkerungsgruppen negativ auswirken. Aus steuerlicher Sicht kann es | |
| sinnvoll sein, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Aber der IWF schaut nicht | |
| darauf, wie sich die Folgen für diejenigen, die davon am meisten betroffen | |
| sind, abmildern lassen. Marginalisierte Menschen müssen einen viel höheren | |
| Anteil ihres Einkommens für die Mehrwertsteuer aufbringen als reichere | |
| Menschen und große Unternehmen. Die Länder sollten ein progressives | |
| Steuersystem anstreben, das Wohlhabende und Unternehmen stärker in die | |
| Pflicht nimmt. | |
| Wie lassen sich illegale Finanzströme bekämpfen? Diese Frage wird schon | |
| lange diskutiert. Gibt es Fortschritte? | |
| Das Thema illegale Finanzströme rückte auf dem afrikanischen Kontinent | |
| erstmals mit dem [3][Bericht des Hochrangigen Gremiums über illegale | |
| Finanzströme aus Afrika] aus dem Jahr 2015 in den Vordergrund. In dem | |
| Bericht wurde geschätzt, dass Afrika jährlich etwa 50 Milliarden US-Dollar | |
| durch illegale Finanzströme verliert. Jetzt sind es fast 90 Milliarden | |
| Dollar pro Jahr. Das Problem hat also zugenommenen, und das ist | |
| alarmierend. Wir sind sehr daran interessiert, im Rahmen der | |
| UN-Steuerkonvention Maßnahmen und Vereinbarungen zu treffen, um dieses | |
| Problem anzugehen. | |
| Die meisten Finanzströme bleiben im Dunkeln. Warum ist es so schwierig, | |
| hier für mehr Transparenz zu sorgen? | |
| Es gibt eine Initiative der OECD, das Globale Forum, um das zu ändern. Aber | |
| nur vier afrikanische Länder sind in der Lage, die Standards zu erfüllen, | |
| um mit anderen Ländern die notwendigen Informationen auszutauschen – zum | |
| Beispiel, um Unterlagen von multinationalen Unternehmen zu erhalten, die in | |
| anderen Ländern tätig sind. Entwicklungsländer waren nicht beteiligt, als | |
| diese Regeln entstanden sind. Deshalb werden sie kaum angewandt. Das zeigt, | |
| wie wichtig es ist, sie einzubeziehen. | |
| 7 May 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Globale-Mindeststeuer-fuer-Konzerne/!5972214 | |
| [2] /Weltbank-und-IWF-in-Washington/!6003174 | |
| [3] https://repository.uneca.org/ds2/stream/#/documents/0ca955c2-2e56-5120-a605… | |
| ## AUTOREN | |
| Leila van Rinsum | |
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