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# taz.de -- Europawahl 2024: Etwas erwärmt für Europa
> In Schweden gab es lange große Skepsis gegenüber der EU. Das hat sich
> geändert. Auch wegen Russland.
Bild: Ob die Schweden sich daran halten? Allzu EU-kritisch sind sie inzwischen …
Die Angst, dass das eigene Land untergeht im großen EU-Ganzen – sie hielt
Norwegen einst davon ab, der Union beizutreten. In Schweden, seit 1995
Mitglied, hat es ein paar Jahrzehnte gedauert, bis die Zahl der
EU-Befürworter nennenswert größer war als die ihrer Gegner. Heute sagen 62
Prozent, die Mitgliedschaft sei richtig. Aber gerade in weniger
wohlhabenden, abgelegenen Gegenden ist es immer noch leicht, EU-Gegner zu
finden.
Solche, die Norwegen als Beweis heranziehen, dass es auch ohne gehe, und
die sich von einem Austritt ein besseres Schweden versprechen. Die
Vorstellungen davon klingen oft wie Sehnsucht nach Bullerbü, einmal bitte
zurück zur guten alten Zeit. Der jüngste Aufreger: die Nachricht, dass es
laut EU-Gesetz nun verboten sei, Grünabfälle im Garten zu verbrennen. Ob
das tatsächlich umgesetzt werden soll, wurde emotional diskutiert, manche
Kommunen haben schon halbe Rückzieher gemacht.
Die EU, der große Einmischer, der Feind der einfachen Leute: Das ist das
eine Ende der Skala – in traditionellen Varianten zu finden ganz rechts und
ganz links. Aber da nun die Stimmung in Schweden mehrheitlich ins „Pro EU“
gekippt ist, mäßigen auch die Außenseiten ihren Ton gegenüber der
Institution selbst. Die linke Vänsterpartiet etwa bleibt Anti-Euro-Partei
und kritisiert einen zu großen Einfluss von EU-Entscheidungen, jetzt etwa
auf den Strommarkt. Aber sie betont auch die Bedeutung einer gemeinsamen
EU-Klimapolitik und wirbt für sich als wichtiges Gegengewicht zur
marktliberalen EU-Mehrheit.
## Haben die Sozialdemokraten wirklich einen Lauf?
Der Wahlkampf [1][für die Europawahl im Juni] geht gerade los, deutlich
wurde das am 1. Mai – in den politischen Reden ging es nicht wie üblich nur
um Gerechtigkeit für die arbeitende Bevölkerung, sondern auch darum, wie
wichtig die Wahl sei. Intern trommeln etwa die Sozialdemokraten schon eine
Weile: Die Vorsitzende Magdalena Andersson betonte Mitte April in einer
Regionalkonferenz ihrer Partei die große Bedeutung gerade dieses
Wahlkampfs. Schweden sei nur stark in einem geeinten Europa. Und diesem
Europa drohe die Zersplitterung von rechts, also: Auf, Kameraden, die
Demokratie wird auch in Brüssel verteidigt. Linke und Grüne klingen hier
natürlich ähnlich.
Bisherige Umfragen sehen aus, als hätten die Sozialdemokraten einen Lauf
und als verlören die rechtsextremen Schwedendemokraten etwas an Zustimmung.
Aber die Erfahrung zeigt: Umfragen, die vor dem eigentlichen Wahlkampf
gemacht wurden, spiegeln vor allem die aktuelle Stimmung gegenüber der
Regierungspolitik wider. Anders als 2019 ist die Sozialdemokratie jetzt in
der Opposition, von da aus ist es leichter, Hoffnungen zu wecken und die
Leute für sich einzunehmen.
Auch ein eigentlich innenpolitisches Großthema wird in Schweden relevant
für die EU-Wahl: die Bandenkriminalität, die an die Themen Migration und
Integration gekoppelt wird. Seit 2019 ist die Situation noch einmal
eskaliert. Die Gewalttaten zwischen rivalisierenden, schwerkriminellen
Gruppen, die zuletzt intensivierte „Methode“ der Rekrutierung von Teenagern
als Killer – man kann es in Schweden kaum fassen.
## Neuer Player Folklistan?
Die Moderaten, die aktuell in Stockholm ihre von den rechtsextremen
Schwedendemokraten abhängige Regierung anführen, werben für sich mit der
Forderung nach einer Europäischen Spezialpolizei und der Einführung eines
Reiseverbots für bekannte Mitglieder von kriminellen Banden. „Für die
schwedischen Bandenchefs, die an der Costa del Sol sitzen, haben wir eine
klare Ansage: Euer Urlaub ist jetzt zu Ende“, so EU-Spitzenkandidat Tomas
Tobé beim Parteitag im April.
Wie viele Stimmen in dieser Lage an die gerade gegründete [2][Folklistan
des ehemaligen Sozialdemokraten Jan Emanuel] gehen, wagt noch niemand zu
sagen. Die Jungpartei verspricht „Schweden zuerst“ – und meint damit auch
den Kampf gegen „zu weit gegangene“ Klima- und Naturschutzgesetze, die dem
ländlichen Raum schadeten. Ihr Beitrag zum Thema Gangkriminalität: Sie will
das Asylsystem Europas gleich ganz abschaffen. Geflüchteten solle in der
Nähe der Krisenregion geholfen werden, aus der sie geflohen seien. Das
passt zu dem zentralen Wahlkampfmotto der Schwedendemokraten: „Mein Europa
baut Mauern“, eine Anspielung auf die genau gegenteilige Aussage des
sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven von 2015. Die
Schwedendemokraten verlangen, dass die Migrationspolitik allein den
Nationalstaaten überlassen bleibt.
Natürlich könnte Folklistan Stimmen von rechts klauen – so wie sie es mit
dem Personal schon tut: EU-Parlamentarier Johan Nissinen hat gerade den
Schwedendemokraten den Rücken gekehrt und sich der Liste angeschlossen.
Unter den zahlreichen Minigruppierungen, die sich traditionell vor einer
EU-Wahl gründen, profitiert diese wohl vom Vorteil einer prominenten
Frontfigur.
Eins der derzeit omnipräsenten Themen verursacht derweil keinen großen
Streit: [3][die gestiegene Bedeutung der Sicherheitspolitik]. Die
Bedrohungslage wird in Schweden als hoch angesehen, klar, sonst wäre man
nicht Mitglied der Nato geworden. Aber auch die EU spielt hier eine Rolle –
als ein Puzzlestück im Gesamtkonzept des sicheren Eingebundenseins.
Am Ende können aber auch noch ganz andere Themen eine Rolle spielen –
traditionell wären das in der EU vor allem Umwelt- und Energiefragen,
deshalb schneiden die Grünen hier meist besser ab als auf nationaler Ebene.
Denkbar ist auch, dass kurz vor knapp ein neues Thema auftaucht – wie etwa
der Aufstieg der Piratenpartei 2009, als es um Internetrechtsfragen ging.
Ähnliche Phänomene sind noch nicht auszuschließen, aber auch noch nicht
absehbar.
Nur eins ist klar: EU-Austrittsmanöver, wie von manchen in Schweden immer
noch herbeigesehnt – dieses Szenario kann wohl ausgeschlossen werden.
6 May 2024
## LINKS
[1] /Die-EU-vor-der-Europawahl-2024/!6004924
[2] /Ex-Sozialdemokrat-Jan-Emanuel/!6000239
[3] /Ausbau-der-Verteidigungsbereitschaft/!6007114
## AUTOREN
Anne Diekhoff
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