# taz.de -- Israel beim Eurovision Song Contest: Hurricane in Malmö | |
> Bald singen Künstler:innen beim ESC in Malmö. Die südschwedische | |
> Hafenstadt droht dabei zum Hotspot antiisraelischer Proteste zu werden. | |
Bild: Propalästinensische Demonstranten im April vor Malmös Stadthalle | |
Olle Lönnaeus, politischer Kommentator und Analyst der Zeitung Sydsvenskan, | |
des wichtigsten Blatts Schwedens jenseits der Hauptstadt Stockholm, | |
prognostiziert aktuell dies für die nächsten knapp zwei Wochen in Malmö: | |
„Judenhass, Krawalle und Terror.“ Gemeint ist damit, dass die | |
südschwedische Hafenstadt der Hotspot der antiisraelischen Proteste werden | |
wird. | |
Der Grund: Am 11. Mai, übernächsten Samstag, findet in deren Arena der | |
Eurovision Song Contest statt, der größte Popwettbewerb der Welt – und weil | |
Israel an ESCs wegen seiner Mitgliedschaft im Netzwerk | |
öffentlich-rechtlicher Rundfunkhäuser der Eurovision seit 1973 teilnehmen | |
darf, fokussiert sich das antiisraelische Netzwerk BDS (Boycott, Divestment | |
and Sanctions) [1][weltweit intensiv auf dieses Event]. | |
Die Malmöer Organisator*innen freilich, so lässt sich die | |
Aufmerksamkeit für ihre Stadt knapp zusammenfassen, sind verzweifelt: So | |
hat man sich das nicht vorgestellt! In der Innenstadt bis zur Hallenarena | |
nahe der Öresundbrücke alles geschmückt, auf Eurovisionstourismus getrimmt, | |
sehr schmuck das alles, aber – am Ende will die Protestmeute nur einen | |
Skalp, und das ist der der israelischen Sängerin Eden Golan, die am | |
Dienstag ihre erste Bühnenprobe für ihren Auftritt absolviert. | |
## Israelischer Geheimdienst vorort | |
Und was auch immer sich diese Chanteuse, Kind jüdisch-russischer | |
Einwanderer, zu diesem Land im Norden ausgedacht haben mag: Sie wird es so | |
gut wie nicht kennenlernen dürfen. Der israelische Geheimdienst Schin Bet | |
hat die Stadt und ihre Sicherheitsvorkehrungen intensiv gecheckt, auch | |
während der Malmöer Probentage wird die israelische Delegation umfassend | |
Sonderschutz in Anspruch nehmen müssen. | |
Der deprimierend stimmende Clou: Eden Golan soll ihr Hotelzimmer während | |
ihrer Tage in Schweden nicht verlassen, allzu prekär sei die Situation. | |
International markiere Israel beim ESC die Chance auf Äußerungen des Hasses | |
schlechthin, lokal ist Malmö ohnehin seit Jahrzehnten dafür bekannt, seinen | |
jüdischen Bürger*innen kaum bis gar nicht Support zu geben – und das | |
liegt auch, aber nicht allein an den muslimischen Einwanderern in Malmö, in | |
deren Vierteln, etwa Rosengard am Stadtrand, sehr viele, gerade junge | |
Männer sich schwerkriminellen Banden und Islamistenzirkeln angeschlossen | |
haben. | |
Eine Israelis willkommen heißende Stadt, eine, die die spezifische | |
Bedrohtheit von Jüdinnen und Juden überhaupt ernst nimmt, gibt es in | |
Schweden ohnehin keine, Malmö wäre die allerletzte, die für dieses Prädikat | |
geeignet wäre. | |
Offen ist auch, ob sich die israelische Delegation mit ihrer Sängerin an | |
der Willkommensgala am kommenden Sonntag beteiligen wird: Allzu groß könnte | |
nicht nur die Gefahr sein, dass Pro-Hamas-Demonstrationen für schlechte | |
Bilder sorgen, sondern, so sagen Menschen aus dem Umfeld jüdischer | |
Organisationen, es könne kaum riskiert werden, dass Malmö zu einem Ort des | |
[2][Massakers wie München bei den Olympischen Sommerspielen 1972] wird. | |
Damals überfiel ein Trupp palästinensischer Terroristen im olympischen Dorf | |
das israelische Team und ermordete elf der vierzehn Sportler. (Dieses | |
Attentat war im Übrigen der Grund für Israels TV-Sender, sich um eine | |
ESC-Teilhabe zu bemühen: Israels Popkünstler wollten nach Europa, weil sie | |
in ihren Nachbarschaften isoliert waren.) | |
## Im Pop dämonisiert | |
Gut ist allerdings, dass Israels TV-Kette KAN sich nicht einschüchtern | |
lässt. Israel wird teilnehmen, auch wenn das Lied ausgetauscht werden muss, | |
[3][statt „October Rain“] singt Eden Golan nun „Hurricane“. Aus einigen | |
Ländern des ESC-Teilnehmerfelds gab es Aufrufe an die European Broadcasting | |
Union (EBU) in Genf, der Zentrale der Eurovisionskette, Israel wegen seines | |
Krieges gegen die Hamas vom Wettbewerb auszuschließen. | |
Auch ein Dutzend der Künstler*innen, kurioserweise einige, die sich als | |
nonbinäre Personen verstehen und also im Gazastreifen kaum länger als zwei | |
Sekunden ungedisst und ungehated blieben, auch der Schweizer Mitfavorit | |
Nemo, gingen in die Knie und forderten „Waffenstillstand“, ohne den „7. | |
Oktober“ auch nur zu erwähnen. Die EBU aber wies alle Forderungen zurück, | |
denn der ESC sei – formal korrekt, aber [4][konkret offenkundig absurd – | |
nicht politisch]. | |
Möglich, dass von diesem 68. ESC seit 1956 vor allem dies als Überlieferung | |
übrig bleibt: Der intensive, streckenweise gelungene Versuch, Israel auch | |
auf dem Feld des Pop zu dämonisieren – und viele aus einer Künstlerschar, | |
die nach Drohungen in den Social Media wie so viele aktuell in den globalen | |
Kulturszenen opportun das befolgen, was ihre Fans sagen. | |
30 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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