# taz.de -- Kontroverse um Israels ESC-Beitrag: Zu politisch für Eurovision | |
> Israels ESC-Beitrag „October Rain“ beschreibt vage die Stimmung im Land. | |
> Nun wird diskutiert, ob der Song für den Wettbewerb zu politisch ist. | |
Bild: Eden Golan soll Israel in diesem Jahr beim ESC vertreten | |
Die TV-Sender Israels nehmen [1][seit 1973] am Eurovision Song Contest | |
teil, damals trat die Sängerin Ilanit dem Vernehmen nach in Luxemburg in | |
kugelsicherer Weste auf. Im Saal des gastgebenden Senders RTL sollen | |
Bodyguards zum Schutz vor (angekündigten) Attentaten gesessen haben. | |
Dass Israel als außereuropäischem Land das Mitmachen möglich war, lag (und | |
liegt) daran, dass der Generalveranstalter, die European Broadcasting Union | |
(EBU), [2][seine Kette öffentlich-rechtlicher TV- und Radiostationen über | |
die europäischen Grenzen hinaus immer offen hielt]. | |
Wie der frühere Generalsekretär Jan Ola Sand einmal formulierte: „Wir | |
schließen niemanden aus, wir sind inklusiv.“ Das fällt sonst niemandem auf, | |
etwa bei Eurovisionslizenzen für Sportübertragungen. Aber doch beim ESC, | |
weil die Show nicht nur eine Show künstlerischer Acts ist, sondern faktisch | |
eine der Länder. Ägypten und der Libanon könnten auch mit dabei sein, aber | |
das wollten sie immer nur halbherzig, wenn überhaupt, weil, typisch Nahost, | |
eben Israel mitmacht. | |
Israel zählt zu den erfolgreichsten ESC-Ländern überhaupt: Viermal siegte | |
man, unter anderem 1998 mit Dana International und zuletzt 2018 mit Netta | |
und ihrem Partykracher „Toy“. Es hat um Israel jedoch immer Ärger gegeben, | |
und meist steckte hinter dem Missmut teils unverhohlener Antisemitismus, | |
Neid und Missgunst auf Performances, die oft das Gegenteil von hausbacken | |
waren: Warum dürfen die teilnehmen? | |
## Politische Zuspitzung vermutet | |
Doch noch nie war dieses Land beim ESC so umstritten wie in diesem Jahr. | |
Letzter Anlass: Das Lied der israelischen Nachwuchschanteuse Eden Golan, | |
das den Titel „October Rain“ trägt. Künstler*innen vor allem aus | |
Großbritannien, Island, Irland und Skandinavien setzten sich schon, ehe | |
auch nur eine Textzeile aus dem Act bekannt war, für einen Boykott Israels | |
ein. [3][Inzwischen ist das Lied auch mit seinen Aussagen bekannt] – und | |
wird aktuell von der EBU geprüft, ob dem stimmgewaltigen Act eine | |
politische Zuspitzung zuerkannt werden muss. | |
Politisches in den Aussagen ist allerdings beim ESC seit jeher verboten – | |
Georgien verzichtete 2009 auf die Reise zum ESC (damals) in Moskau, weil | |
deren Lied sich wie ein Agitprop-Ding wider Putin anhörte. Andererseits war | |
es der Ukraine 2007 erlaubt, das Lied der Orangen Revolution darzubieten – | |
niemand erhob Protest. | |
Israel selbst präsentierte mehrfach Lieder mit politischem Gehalt, die | |
queere Hymne von Dana International 1998 („Diva“) – oder zwei Jahre darauf | |
ein Auftritt einer israelischen Formation, die sich wie BDS anhörte, | |
syrische Sympathieflaggen inklusive. | |
## Antijüdische Stimmung in Malmö | |
„October Rain“ als Lied ist verstehbar als vage politisches Statement zur | |
Thematisierung der Atmosphäre in Israel nach dem 7. Oktober, dem | |
terroristischen Hamas-Überfall auf Israel – doch kein Wort, kein Schnipsel | |
der direkten Agitation pro Krieg gegen die Hamas. Israels TV-Sender KAN hat | |
verlauten lassen, dass man sich dem EBU-Politcheck aussetze, aber trotzdem, | |
sofern etwas moniert wird, nichts ändern werde. Für diesen Fall verzichte | |
man lieber auf den Ausflug nach Malmö. | |
Alles ist offen – verblüffend bleibt, dass der ESC mit den Halbfinals am | |
7., 9. und 11. Mai (dann das Grand Final) ausgerechnet in der | |
antiisraelischsten Stadt Europas stattfindet: Malmö ist seit vielen Jahren | |
bekannt dafür, dass dort die wenigen verbliebenen Jüdinnen und Juden ganz | |
besonders darauf achten, nicht als solche erkannt zu werden. Die | |
schwedische Kulturszene hat in einem offenen Brief außerdem dafür plädiert, | |
Israel nicht willkommen zu heißen. | |
Die israelische ESC-Delegation hat bereits vor wenigen Wochen mitgeteilt, | |
am üblichen Rahmenprogramm – Partys, Empfänge, Socializing anderer Art – | |
aus Sicherheitsgründen nicht teilnehmen zu wollen: Das ist für | |
Eurovisionsultras, die 10.000 anreisenden Fans, die deprimierendste | |
Nachricht: Israelische ESC-Partys waren stets die lebenslustigsten. | |
27 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=i1PWx0WFgbk | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Rundfunkunion | |
[3] https://www.kan.org.il/content/kan-news/culture/709196/ | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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