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# taz.de -- Eurovision Song Contest: Israel-Ausschluss beim ESC?
> Schwedische Musikstars wollen Israel vom ESC ausschließen. Nicht das
> erste Mal, dass das vermeintlich unpolitische Event Schauplatz von
> Politik wird.
Bild: Die Sängerin Netta Barzilai, die für Israel am ESC teilgenommen hat, am…
Das war zu erwarten: dass sich in den 37 Ländern, die Mitte Mai im
schwedischen Malmö am 68. [1][Eurovision Song Contest] teilnehmen, starke
Vorbehalte wegen der Teilnahme Israels am TV-Popwettbewerb entwickeln
würden.
Schließlich hatte es schon 2019, als der Contest nach Netta Barzilais
Eurovisionstriumph im Jahr zuvor in Lissabon, in Tel Aviv ausgetragen
werden sollte, massive Kampagnen gegen dieses nahöstliche Land gegeben,
meist von dem Bündnis [2][Boycott, Divestment and Sanctions] (BDS)
initiiert und gefordert. Ende 2023 meldeten sich nun Künstler in Island,
Irland und Finnland mit ihrem Ansinnen, dass Israels ESC-Teilhabe kritisch
gesehen werde.
Nun hat sich in Schweden selbst, voriges Jahr Sieger mit Loreen und ihrem
Lied „Tattoo“, eine über tausendköpfige Künstlerinnenschar in einem
[3][offenen Brief] für den Ausschluss Israels ausgesprochen.
Die Begründung, auch nicht überraschend: Israel sei wegen seines Krieges
gegen die Palästinenser in Gaza nicht akzeptabel und müsse vom Wettbewerb
ausgeschlossen werden, schließlich sei auch Russland teilzunehmen nicht
erlaubt, wegen des Ukrainekrieges. Im Schriftlichen dieser Initiative gibt
es, wie in den meisten propalästinensischen Statements seit dem 7. Oktober,
keinen Hinweis auf den Anlass der militärischen Einsätze im Gazastreifen
durch die Armee: die Hamas-Massaker an eben jenem ersten Samstag im Oktober
vorigen Jahres. Dass Russland die Ukraine am 22. Februar 2022 anlasslos zu
bombardieren begann, bleibt als Unterschied ausgespart.
## Stars der schwedischen Musikszene
In der Riege der Unterzeichnenden befinden sich einige größere Stars der
schwedischen Musikszene, Robyn, Mauro Scocco oder Idde Schultz. Am
prominentesten aber ragt die Opernsängerin Malena Ernman heraus, selbst
2009 Teilnehmerin am ESC in Moskau. Dort allerdings unter „ferner sangen“
auf dem 21. Platz endend. Sie ist die Mutter von Greta Thunberg und
entscheidende Ghostwriterin hinter der 2019 lancierten Familienbiografie
der Klimaaktivistin, „Szenen aus dem Herzen“. Sie selbst definiert, wie
neulich wieder in Leipzig bei einer Palästinademo, ihr Engagement
antiisraelisch.
Das schwedische Fernsehen SVT äußerte zum Ausschlusswunsch der
Künstlerinnen*: „Es ist die EBU, die entscheidet, wer an dem Wettbewerb
teilnimmt, und als Gastgeberland hält sich SVT an die Entscheidung der
EBU“, so Åsa Barsness vom SVT. Heißt, [4][dass die EBU], die in Genf
ansässige Zentrale der öffentlich-rechtlichen Sender der Eurovisionszone,
allein entscheidet, wer mitmachen kann und wer nicht.
Weiter schrieb sie: „Das menschliche Leid in diesem äußerst komplexen
Konflikt ist schrecklich. Niemandem kann es gleichgültig sein, wie es im
Gazastreifen aussieht, oder wie die Hamas in Israel angreift. Auch wir sind
besorgt über diese Entwicklungen. Wir verstehen und respektieren, dass sich
Gruppen Gehör verschaffen wollen.“
Das heißt: SVT wird die Boykott- und Ausschlusswünsche in puncto Israel
ignorieren – immerhin erwähnt das Statement das Massaker vom 7. Oktober
korrekt. Die EBU hingegen verweist auf den unpolitischen Charakter des ESC
selbst, bei diesem handele es sich um Entertainment, nicht um ein
politisches Goodwill-Plenum. Das ist zwar richtig und war es in der
Selbstbeschreibung der Show immer.
## Beispiele für politischen ESC
Da der ESC aber keine amerikanische Grammy-Gala ist, sondern wie eine
Europameisterschaft des Pop inszeniert wird, an der Länder, nicht
nationsneutrale Künstlerinnen* teilnehmen, wird ein Eurovisionswettbewerb
immer auch in politische Symboliken verstrickt – und wurde es immer.
Beispiele? 1975 in Stockholm beim ESC nahm erstmals die Türkei teil –
worauf Nachbar Griechenland auf eine Teilnahme verzichtete; im Jahr darauf
kam Griechenland wieder ins Spiel zurück, woraufhin die Türkei beleidigt
zurückzog. 1980 war erstmals ein arabischsprachiges Land dabei, Marokko –
weil Israel in jenem Jahr aus Kostengründen keine Teilnahme wollte.
Im Jahr darauf war das maghrebinische Land wieder außen vor, selbstgewählt,
weil Israels TV-Sender wieder Geld hatte, wissend, dass eine
ESC-Partizipation im gesamteurovisionären Konzert positiv auffällt.
Georgien verzichtete auf den ESC-Ausflug nach Moskau, weil es mit seinem
offenkundig putinkritischen Act nicht antreten sollte. Aber immer wieder,
in neuerer Zeit, ist es Israel, das den Zorn von eigentlich Pop-fernen
Menschen beim ESC weckt.
## Vorwurf des Imperialismus
Nebenbei: Israels ESC-Act vor 23 Jahren [5][erntete Wut im eigenen Land],
weil er eine palästinensische Fahne während des Auftritts schwang. Ping
Pong, so der Name der Band, wurde in Israel damals aber nicht wegen der
politischen Geste kritisiert, sondern weil sie ein so schlechtes Lied
ablieferten, das fast keine Punkte bekam.
Kurios: Im Jahr 1975 war der ESC erstmals in Schweden zu Gast, im Jahr
zuvor hatte Abba mit „Waterloo“ gewonnen. Das führte rund um den
Austragungsort Stockholm zu buchstäblichen Hassattacken wider den ESC. Abba
war das glühend verachtete Pop-Objekt, das für Imperialismus, unwahre
Kultur und westlich-amerikanische Verderbnis stand.
Alternativ war ein Fest anberaumt – mit sogenannter Weltmusik, unter
anderem mit Darbietungen aus Chile, Sami-Folklore aus dem nördlichen
Skandinavien und Folk aus den Niederlanden. Demonstrantinnen* aus dem
schwedischen Kulturestablishment, mit ihnen sollen es 5.000 Menschen
gewesen sein, forderten bei einem Umzug durch Stockholm, den ESC zu bannen
– unter ihnen etliche, die eben noch von Kulturtrips aus Asien
zurückgekommen waren, Hof machend bei Kambodschas blutigem Schlächter Pol
Pot, ausgerüstet mit Fantasien, dass Chinas Mao Wege in eine bessere Welt
bahnen kann.
Schwedens Kulturleute hatten auch schon damals ein recht eigenwilliges
Verhältnis zu populärer Kunst: Besser, man lenkt das Volk von Opiaten aus
der Popindustrie ab.
P.S.: Falls demnächst in Island der in (Ost-)Jerusalem lebende Künstler
Bashar Murad gewinnen sollte – er alliiert seit Langem mit einer Punkband
von dort –, soll er sich überlegt haben, auf einen Start in Malmö zu
verzichten.
Klingt mutig, denn: Warum sollte er auf diese Performance vor 150 Millionen
Zuschauern verzichten? His chance in a lifetime …
30 Jan 2024
## LINKS
[1] /Nachruf-auf-Saenger-Toto-Cutugno/!5955705
[2] /Postkoloniale-Popwelt/!5979604
[3] https://www.aftonbladet.se/debatt/a/8JggVr/1005-artister-uteslut-israel-fra…
[4] https://omoss.svt.se/arkiv/bloggarkiv/2024-01-29-svt-kommenterar-debatten-o…
[5] https://www.tabletmag.com/sections/news/articles/throwback-pingpong-israels…
## AUTOREN
Jan Feddersen
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