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# taz.de -- 50 Jahre Abba: Einmal die Königin sein
> ABBA gewannen vor 50 Jahren mit „Waterloo“ den ESC – und veränderten P…
> für immer. Am Anfang gab es Hass, die Band blieb aber liebenswürdig.
Bild: Abba wird nie altmodisch: Jugendliche Fans in Brighton im April 24
Es ist schön, dieses Märchen aus der Welt des Pop erzählen zu können.
Wenigstens in Aspekten, vollständig ist es nicht zu überliefern, denn es
kommen ständig Details hinzu, etwa die Geschichte eines neunjährigen
Mädchens, das auf einer Klassenparty in Berlins Neukölln sich vom DJ, dem
Lehrer, „Dancing Queen“ wünschte und dann, so wird es berichtet, auf dem
Dancefloor zu einer solchen auch wurde, glücklich: Abba.
Besser: ABBA, nach den Anfangsbuchstaben der schwedischen Gruppe. Sie
verkörpern das erstaunlichste Phänomen der jüngeren Popgeschichte.
Vor 50 Jahren, da waren die vier Mitglieder dieser Band, also Agnetha
Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und (Anna-)Frid Lyngstad, auch
schon keine Teenies mehr, gewann das Quartett in Brighton beim Eurovision
Song Contest mit [1][„Waterloo“]. Sie waren perfekt, sie hatten das
Momentum der Zeit. Frisch, fröhlich, dem Leben zugetan, antidepressiv.
Der Contest, bis dahin ein chansonhaft orientierter Wettbewerb, war an
einem Abend, unwiderruflich, zu Pop geworden. Dass die Skandinavier sich
trauten, dort zu performen, hatte den simplen Grund, dass es damals keine
andere Chance für Bands jenseits der angloamerikanischen Sphäre gab,
Eintritt in die Welt des Pop zu bekommen: Der ESC – ein Türöffner vor 200
Millionen Zuschauerinnen* zur globalen Aufmerksamkeit.
## Karriere mit Hass ausbauen
Und so geschah’s. Nach „Waterloo“, No. 1-Hit in einer Fülle von Ländern,
kamen, u. a.: „[2][Money Money“], „[3][One Man, One Woman“], [4][„Tak…
Chance On Me“], „Fernando“, „S.O.S.“, „Chiquitita“ and you name i…
die frühen Achtziger, als die Band ihre gemeinsame Arbeit beendete,
[5][„The Way Old Friends Do“], dazwischen „Angel Eyes“, „Super Troupe…
„The Winner Takes It All“, aber als „Killer Song“, also als Track, der
buchstäblich alle Schichten und Klassen auf den Dancefloor einzusaugen
wusste, eben: „Dancing Queen“, eine Hymne an Lebenslust und Neugier. (Kein
Wunder, dass zwei der schönsten australischen Filme, „Muriels Hochzeit“ und
„Priscilla“ sich mit Sounds von ABBA versorgten, quasi Treibersoftware des
Lebens.)
Es ließe sich sagen: „[6][Thank You For the Music“]: Dass diese Band
bislang 700 Millionen Tonträger verkaufte, dass sie als eine Art
Volxmusikgloballieferant von Europa über Australien, Asien und
Lateinamerika bis heute erinnerlich sind, dass ihre Lieder bis in jüngste
Generationen Widerhall, und das gerne, finden, erstaunt auch deshalb, weil
keine Popgruppe ihre Karriere mit soviel Hass ausbauen musste.
## Hässlich kleingehalten
In der britischen Presse wurden sie nicht kritisiert, vielmehr
niedergemacht. Nichts seien sie als ein Stück „glänzende Scheiße“, kaum
mehr als „Fürze des Pop“ – und das nicht in digitalen Foren, sondern in …
Medien der auflagenstarken Pop-Magazine.
Niemand, der ästhetisch genau prüfte und etwa mal notiert hätte, dass ABBA
komplexere Klangarrangementsideen als die Beatles oder die Stones hatten
und diese hörbar an den sensationellen Produkten von Tamla Motown
orientiert waren, heute würde man sagen: Ihre Songwritingkunst hatte mehr
mit Carole King und Taylor Swift als mit Mick Jagger und John Lennon zu
tun.
Insofern ist ABBA auch ein Märchen wie das vom „Aschenputtel“. Erst
hässlich kleingehalten, ehe es, schwanengleich, zur Prinzessin erwächst.
Langfristig war es offenbar von Vorteil, dass diese schwedische Musik vor
allem von Mädchen und Teenagern, auch von schwulen Boys, sehr gemocht
wurde.
Die Fantasien, die sich an ABBA-Lieder knüpften, waren von anderer Art als
die von harten Jungs, die auch mal Hotelzimmer zertrümmern oder den Punk
geben wollten, Mittelschichtsgeschwader, die an der intensiven
Liebenswürdigkeit dieser Schweden zerschellten. In der sensationell klugen
Dokumentation von [7][James Rogan] („Freddie Mercury“, Dokus über Andy
Warhol und „Uprising“) wird sogar die kuriose Episode notiert, derzufolge
die Sex Pistols, quasi die Anti-Abbas in ihrem Tourbus „Dancing Queen“ auf
dem Kassettenrecorder in Dauerschleife laufen hatten – zum Antörnen!
## Bescheiden bleiben
Diese Aschenputtels hatten im Übrigen, auch das zeigt diese verständige und
historisch prima informierte Doku, in ihrer Heimat glühende Aversion
auszuhalten: Das Kulturestablishment + Antiimps des Landes organisierten
Kampagnen gegen die Müllmusik von ABBA, der linke Musiker Mikael Wiehe,
eine Art Hannes Wader des Landes, wird zitiert, demzufolge ABBA gefälligst
sich um echte Probleme wie Vietnam, Umweltverschmutzung, Klassenkampf und
den Kampf gegen die USA zu kümmern hätten.
ABBA mithin aus deren Perspektive: ein Verblendungszusammenhang, eine
Gemeinheit im Ästhetischen. Ein politisches Missverständnis, denn ABBA
repräsentierten viel mehr als Bubble F*ck Gum, eher waren sie ein
popästhetischer Sehnsuchtsort für politische Wünsche, die sich nicht
völkisch oder in den Buchstaben des Hasses deklinierten.
Was natürlich ihre Kritiker auch immer an den Rand des Wahnsinns trieb,
war, dass die vier Schwedinnen* quasi als Graswurzelbewegung gegen ihr
Einverständnis funktionierten. Wurden sie darüber wütend oder frustrierte
es sie? Nein, sie blieben von Drogen fern, blieben bescheiden, die Männer
Musterexemplare von nontoxischem Habitus – langweilig den einen, beruhigend
und sehnsuchtsnährend den anderen, also den meisten.
Vielleicht ließe sich am Beispiel von ABBA die gewöhnliche Geschichte der
Siebziger bis Achtziger auch ein wenig anders gewichten: Dass nicht alles
auf die schiefe Bahn geriet, sondern eher auf Aufbruch, auf melancholisch
eingefärbte (kein ABBA-Lied, allem Dur zum Trotz, ohne Moll-Teppich)
Zuversicht geeicht war?
## Pop, der nicht ranzig wurde
Nach der Trennung der Gruppe 1981: zwei Paare, zwei Scheidungen, endgültig
– aber in freundschaftlicher Gewogenheit. Auch hier – keine Giftigkeiten
danach, alle gingen ihrer Wege, einander im Blick behalten. Die Männer,
Björn und Benny, bastelten an ihrem inzwischen unter Musikerinnen*
hochverehrten Œuvre weiter.
Musicals, „Chess“ u. a., ein Musical über sie, „Mamma Mia“, mit dem sie
dann auch, weil es außerdem ein Film mit Meryl Streep wurde, in den USA
populär wurden, außerdem ein ABBA-Museum in Stockholm (sensationell!)
inklusive Karaoke-Chancen dortselbst, schließlich seit zwei Jahren in
London ABBA-Avatar-Konzerte: Die immer ausverkauften Vorstellungen haben
ein jüngeres Publikumsprofil als überregionale Tageszeitungen heutzutage.
ABBA – das ist Volxmusik auch in dieser Zeit: Pop, der nicht ranzig wurde.
Mit ABBA ist die Welt nicht in Ordnung, aber auch nicht aus den Fugen, das
ist die Botschaft.
17 Apr 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=4XJBNJ2wq0Y
[2] https://www.youtube.com/watch?v=ETxmCCsMoD0
[3] https://www.youtube.com/watch?v=sw_fuu9jIOc
[4] https://www.youtube.com/watch?v=-crgQGdpZR0
[5] https://www.youtube.com/watch?v=nB9rg6sxHhU)
[6] https://www.youtube.com/watch?v=nB9rg6sxHhU
[7] https://www.imdb.com/title/tt15046042/?ref_=nm_knf_t_2
## AUTOREN
Jan Feddersen
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