# taz.de -- Telefonseelsorge überlastet: Nur jeder zehnte Anruf kommt durch | |
> Die Telefonseelsorge ist zunehmend überlastet. Gesundheitsminister | |
> Lauterbach (SPD) will mit den Ländern eine Hotline für Suizidgefährdete | |
> entwickeln. | |
Bild: Will die Suizidrate senken: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SP… | |
BERLIN taz | Der Bedarf steigt, aber das Hilfsangebot nicht. Eine der | |
bekanntesten telefonischen Anlaufstellen für Menschen in seelischer Not ist | |
komplett überlastet. Kaum jedeR zehnte Anrufer:in bei der | |
[1][Telefonseelsorge] kommt durch und findet eineN Gesprächspartner:in | |
am anderen Ende der Leitung, zeigen die Jahreszahlen der Organisation. | |
15 Millionen Anrufe habe es 2023 gegeben und 1,1 Millionen Gespräche, sagte | |
Helmut Ellensohn, Vorsitzender der Telefonseelsorge, im Gespräch mit der | |
taz. Die Kapazitäten der 104 Stellen mit 7.500 Ehrenamtlichen reichen nicht | |
aus, die vielen Ratsuchenden zu bedienen. Der Bedarf habe zugenommen. „Es | |
ist ein Dilemma“, so Ellensohn. Es sei auch zunehmend schwieriger, | |
Ehrenamtliche für die Telefonseelsorge zu gewinnen. Interessent:innen | |
für diese Arbeit müssen eine 140-stündige Schulung durchlaufen. | |
Anrufer:innen bei der Telefonseelsorge (Nummer 0800-111-0-111) werden | |
oftmals durch Bandansagen aufgefordert, später nochmal anzurufen oder auf | |
Chats und E-Mails der Telefonseelsorge verwiesen. Jede E-Mail werde aber | |
innerhalb von 72 Stunden beantwortet. | |
Auch andere Servicestellen sind überlastet: Die Online-Suizidprävention „U | |
25“ der Caritas, die sich an Jüngere wendet, konnte im vergangenen Jahr nur | |
20 Prozent der Neuanfragen annehmen. Das Online-Hilfsangebot „Mano“ konnte | |
aufgrund der hohen Nachfrage in den ersten Monaten nur elf Prozent der | |
Ratsuchenden freischalten. Dies hatten Fachleute der [2][Suizidprävention] | |
bereits im Herbst vergangenen Jahres moniert und die Gründung und | |
auskömmliche Ausstattung einer zentralen Informations- und | |
Koordinationsstelle zur Suizidprävention mit einer allzeit erreichbaren | |
Telefonnummer für Suizidgefährdete und deren Angehörige gefordert. | |
## 20 Millionen Euro gefordert | |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte nun am Donnerstag | |
die lange erwartete „Nationale Suizidpräventionsstrategie“ an, zu der in | |
den kommenden Monaten ein Gesetz vorgelegt werden soll. Im Rahmen der | |
Strategie soll eine bundesweite Koordinierungsstelle für Beratungs- und | |
Kooperationsstellen eingerichtet werden. Diese soll in den kommenden Jahren | |
unter anderem eine Aufklärungskampagne zur Enttabuisierung von psychischen | |
Erkrankungen und Suiziden konzipieren sowie Schulungen für Fachkräfte im | |
Gesundheitswesen und in der Pflege entwickeln, sagte der Minister. | |
Darüber hinaus soll gemeinsam mit den Ländern eine zentrale | |
Krisendienst-Notrufnummer eingerichtet werden. Diese soll Hilfesuchende | |
unmittelbar an entsprechende Angebote in Ländern und Kommunen | |
weitervermitteln, in Kooperation mit den bestehenden Beratungsstellen. | |
Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist allerdings unklar. Verschiedene | |
Institutionen der [3][Suizidprävention] hatten für deren Ausbau | |
Bundesmittel in Höhe von 20 Millionen Euro gefordert. Bisher sind im | |
Bundeshaushalt keine Gelder dafür vorgesehen. Man könne die Kosten „auf die | |
Schnelle noch nicht abschätzen“, sagte Lauterbach am Donnerstag. Die | |
Vorsitzende der [4][Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention,] Ute | |
Lewitzka, forderte am Donnerstag, für die in der Strategie geplanten | |
Maßnahmen müsse es „klare Verantwortungsübernahmen für eine auskömmliche | |
Finanzierung geben“. | |
## Rheinbrücken mehr sichern | |
Lauterbach sagte, man müsse auch „methodenbegrenzende Maßnahmen“ | |
durchführen, also etwa die Zugangsbeschränkung zu Mitteln und Orten für | |
einen Suizidversuch. Er nannte als Beispiel dafür die Sicherung von | |
bestimmten Rheinbrücken durch Auffangnetze. Tatsächlich ist die Reduktion | |
der Suizidzahlen etwa durch die Sicherung hoher Gebäude oder die | |
Verkleinerung der Packungsgrößen bei Medikamenten gut belegt. | |
Laut Statistik nahmen sich im Jahre 2022 rund 10.000 Menschen das Leben, | |
das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von zehn Prozent. Die | |
Suizidzahl bewegt sich seit 20 Jahren um dieses Niveau herum, trotz der | |
Verbreitung von Antidepressiva und des Ausbaus psychotherapeutischer | |
Behandlungen. | |
70 Prozent der freiwillig Gestorbenen sind [5][Männer.] Die Suizidraten bei | |
Männern im Alter von 85 bis 90 Jahren sind mehr als siebenmal so hoch wie | |
bei jungen Männern zwischen 30 und 35 Jahren. | |
2 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.telefonseelsorge.de/ | |
[2] https://www.suizidpraevention.de/ | |
[3] /Suizidpraevention-in-Deutschland/!5942373 | |
[4] https://www.suizidprophylaxe.de/ | |
[5] /Suizid-von-Maennern/!5812332 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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