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# taz.de -- 40 Jahre Lega: Rechtsextreme Pöbler
> Die rechtsextreme italienische Lega-Partei wird 40 Jahre alt. Wie
> halbseidene Typen die Weltbewegung des Rechtspopulismus starteten.
Bild: Umberto Bossi (M.) gründete mit anderen 1984 die Lega Lombarda, aus der …
Rom taz | Kein Kamerateam war angerückt, noch nicht einmal ein
Lokalreporter war gekommen, als im norditalienischen Varese am 12. April
1984 – vor 40 Jahren – vier Männer und eine Frau bei einer Notarin
zusammenkamen, um eine nagelneue Partei aus der Taufe zu heben: die Lega
Lombarda.
Warum auch berichten? [1][Umberto Bossi], der Anführer der kleinen Schar,
war vor allem eines: eine verkrachte Existenz. Seine erste Frau hatte zwei
Jahre zuvor die Scheidung eingereicht, weil sie entdeckt hatte, dass Bossi
gar nicht, wie er behauptete, Arzt war, sondern bloß ein ehemaliger
Medizinstudent, der sein Studium abgebrochen hatte und der jeden Morgen mit
Arztköfferchen das Haus verließ, angeblich um im Krankenhaus zu arbeiten,
der dann aber seine Tage auf der Parkbank verbrachte.
Jetzt aber wollte Bossi es wissen, mit einem Programm, das auf die
„Autonomie“ der Lombardei zielte, auf ihre „Selbstregierung“, damit sich
endlich „die ethnischen Charakteristika des lombardischen Volkes“ entfalten
könnten.
Dies war von Anfang an die Chiffre der Lega Lombarda: die Interessen der
reichen Region im Norden zu vertreten gegen den Zentralstaat und den armen
Süden Italiens. Niemand hätte damals einen Cent auf diese neue Partei
gewettet, doch nur drei Jahre später wurde Bossi in den italienischen Senat
gewählt.
## Den Staat verachten, von seinem Geld leben
Er hatte ein Erfolgsrezept entdeckt, das ihm später in Westeuropa viele
nachmachen sollten, das auch [2][bei der AfD beliebt] ist: das
rechtspopulistische Rumpöbeln gegen die staatlichen Institutionen, die für
ihn nur „das diebische Rom“ darstellten, und zugleich die Mobilisierung
rassistischer Reflexe bei den Wutbürger*innen, im Falle der Lega zunächst
mit hartem inneritalienischem Rassismus gegen die als „Parasiten“
beleidigten Menschen im Süden.
So gelungen erschien Bossi das Geschäftsmodell, dass er es im Jahr 1989 auf
den gesamten Norden Italiens ausdehnte, per Gründung der Lega Nord. Die
Rechnung ging auf. Bei den Parlamentswahlen 1992 räumte die Lega national
8,7 Prozent ab, mit Spitzenwerten von 20 Prozent in der Lombardei. Und nur
zwei Jahre später saß seine Truppe auf einmal in der Regierung, an der
Seite eines weiteren Populisten, des Medienunternehmers Silvio Berlusconi.
Weiterhin aber bediente die Lega ihre eigene Klientel, die erbosten
Wähler*innen des reichen Nordens, die sie gegen den Nationalstaat in
Stimmung brachte, mit Sprüchen wie dem, dass die italienische Fahne „ins
Klo“ gehöre. Und mit politischen Vorschlägen, die bis hin zur Abspaltung
des Nordens von Italien reichten. Hinzu kam immer stärker die rassistische
Verächtlichmachung von Migrant*innen, während Lega-Politiker [3][Schweine
zur Verrichtung ihrer Notdurft] auf ein für einen Moscheebau vorgesehenes
Gelände trieben.
Noch eines konnten andere rechtspopulistische Parteien wie die AfD von der
Lega Nord lernen: dass es sich hervorragend leben lässt mit den vom
verachteten Staat ausgeschütteten Geldern. 49 Millionen Euro an staatlicher
Parteienfinanzierung ließ die Lega in dubiosen Diamantengeschäften
verschwinden, während Bossi selbst einem seiner Söhne mit den Staatsgeldern
ein Universitätsdiplom in Albanien kaufte.
## Der rüde Ton gegen die EU
Dieser Skandal brach der Lega fast den Hals, bei den Wahlen 2013 stürzte
sie auf 4 Prozent ab. Doch dann kam ein neuer Retter: [4][Matteo Salvini].
Unter seiner Führung legte die Lega eine 180-Grad-Wende hin, zog jetzt
nicht mehr für Nordsezessionismus ins Feld, sondern für italienischen
Ultranationalismus, strich konsequenterweise das „Nord“ aus dem
Parteinamen. Jetzt war der rüde Ton gegen die EU angesagt, prangte
meterhoch die Parole „Basta Euro!“ auf der Mauer vor der Parteizentrale in
Mailand.
Doch vor allem hatte die Hetze gegen Migrant*innen Konjunktur, predigte
Salvini ihre Abwehr, forderte „geschlossene Häfen“. Und bei den
Parlamentswahlen 2018 schnellte die Lega auf 17 Prozent hoch – und wurde
zur stärksten Kraft auf der Rechten. Salvini wurde daraufhin Innenminister
in einer Koalition mit den Fünf Sternen und machte Ernst mit seinem
Schikanekurs gegen die in der Seenotrettung aktiven NGOs.
Das trug ihm bei den Europawahlen 2019 phänomenale 34 Prozent ein. Salvini
schien am Ziel, er schien die Lega zur unangefochten stärksten Kraft der
italienischen Rechten gemacht zu haben. Doch dieser Erfolg erwies sich als
Eintagsfliege, denn Salvini hatte die Rechnung ohne eine Frau gemacht, die
den radikal rechten Ton noch überzeugender trifft: [5][Giorgia Meloni], zu
der bei den letzten Parlamentswahlen 2022 das Gros der populistischen
Wähler*innen überlief.
11 Apr 2024
## LINKS
[1] /Lega-Nord-Chef-zurueckgetreten/!5096663
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[3] /!528769/
[4] /Zentralstaat-und-Regionen-in-Italien/!5987916
[5] /Italiens-erste-Regierungschefin/!5980075
## AUTOREN
Michael Braun
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Rechtsextremismus
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