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# taz.de -- Rechtspopulisten-Tagung in Brüssel: Zwischen Cancel Culture und Fr…
> Ärger um eine Tagung von europäischen Rechtspopulisten: Erst wurde sie
> abgesagt, dann fand sie doch statt. Die Partei nutzt das als Propaganda.
Bild: Rechtspolitiker Nigel Farage am 16.4. in Brüssel vor dem Konferenzort
Brüssel taz | Rechtspopulisten in Brüssel? Bisher war das kein Thema. Nur
in Flandern sind die Rechten stark. In der belgischen Hauptstadt hingegen
geben Liberale, Sozialisten und Grüne den Ton an. In aktuellen Umfragen
liegt sogar die marxistische Parti des Travailleurs Belges (PTB) vorn –
Brüssel rückt nach links.
Kein Wunder also, dass es Ärger gibt, wenn Rechtspopulisten in der Stadt
tagen wollen. Die National Conservatism Conference, zu der
[1][Rechtsausleger wie Viktor Orbán aus Ungarn] und Nigel Farage aus UK
geladen waren, sorgte schon im Vorfeld für Aufregung. Doch was dann
passierte, passt so gar nicht ins weltoffene Image der Stadt.
Antifaschistische Gruppen riefen zu einem Boykott der Konferenz auf.
Daraufhin cancelte das Concert Noble, ein beliebter Treffpunkt im
Europaviertel, die Veranstaltung. Auch das Hotel Sofitel im Brüsseler
Stadtteil Etterbeek, auf das Orbán & Co ausweichen wollten, sagte ab.
Schließlich wich man auf das Claridge in Saint-Josse-ten-Noode aus.
## Erst Verbot erwogen, dann doch genehmigt
Doch Bürgermeister Emir Kir hatte Bedenken. Erst erwog er ein Verbot, dann
schickte er die Polizei, um den Tagungsort abzuriegeln. Zur Begründung
verwies der sozialistische Politiker auf eine mögliche Störung der
öffentlichen Ordnung – wobei nicht ganz klar war, ob die Parolen der
Rechtspopulisten oder die Proteste der Antifaschisten gemeint waren.
Die Veranstalter wollten das nicht auf sich sitzen lassen. Sie riefen den
Conseil d’Etat an und erklärten, sie seien in ihren Rechten beschnitten
worden. Brüssel schränke die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein, hieß
es. In einer Nachtsitzung hob das Hohe Gericht die Sperre auf, die Tagung
konnte am Mittwoch wie geplant weitergehen.
## Rechte bemühen Opfer-Narrativ
Doch der Streit ist damit nicht beendet. Die Rechten nutzen den Vorfall, um
sich als Opfer eines repressiven belgischen Staates und einer übergriffigen
EU zu präsentieren. Die Cancel Culture greife nun auch in Brüssel um sich,
dahinter stecke die europäische Politik, so das rechte Narrativ.
Auch liberale Politiker sind alarmiert. Den Ton gibt niemand Geringerer
[2][als der belgische Premier Alexander De Croo] an. Auch wenn die
kommunale Unabhängigkeit ein Eckpfeiler der belgischen Demokratie sei,
könne diese nicht die in der Verfassung garantiere Rede- und
Versammlungsfreiheit außer Kraft setzen, schrieb er bei X. Völlig
unerwartet kommt De Croos Vorstoß nicht, denn in Belgien herrscht
Wahlkampf.
Am 9. Juni wird dort nicht nur das Europaparlament gewählt, es finden auch
nationale Wahlen statt. Zu der umstrittenen Konferenz wurden rechte
flämische Politiker erwartet, die eine Abspaltung ihrer Region vom
französischsprachigen Wallonien fordern.
Das Teilverbot ist Wasser auf ihre Mühlen. Auch in Großbritannien stieß es
auf Widerspruch. Eine Sprecherin des britischen Premiers Rishi Sunak nannte
das Vorgehen der belgischen Behörden „extrem verstörend“. London steckt
noch der Schock des Brexit in den Knochen, den der früherer EU-Abgeordnete
Farage herbeigeredet hatte.
## Probleme für die EU vorprogrammiert
Sorgen muss sich auch die EU machen. Schließlich ist Orbán nicht nur
Rechtspopulist, sondern auch Regierungschef eines EU-Landes. Als solcher
nimmt er am EU-Gipfel teil, der am Mittwoch und am Donnerstag in Brüssel
stattfindet. Wenn er in Brüssel nicht mehr erwünscht ist, müsste der Gipfel
im Prinzip an einen anderen Ort verlegt werden.
So weit will es die EU aber nicht kommen lassen. Sie sieht sich selbst als
Hort der Freiheit und der Demokratie. Eine ganze Armada von neuen
EU-Gesetzen soll [3][die Europawahl am 9. Juni] absichern. Dass nun
ausgerechnet in der EU-Hauptstadt Brüssel die Freiheit eingeschränkt wird,
kratzt am liberalen Selbstbild.
17 Apr 2024
## LINKS
[1] /Ex-Insider-fordert-Orban-heraus/!6002711
[2] /Krieg-in-der-Ukraine-und-in-Gaza/!5999800
[3] /Krieg-in-der-Ukraine-und-in-Gaza/!5999800
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Belgien
Brüssel
Schwerpunkt Europawahl
Nigel Farage
Viktor Orbán
Rechtspopulisten
Schweden
Rechtsextremismus
Ungarn
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