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# taz.de -- Regierungsbildung in Italien: Lega-Chef macht den Wendehals
> EU-feindliche Partei unterstützt in Italien ausgerechnet den
> Ex-EZB-Präsidenten Draghi. Das ist nicht die erste Kehrtwende der
> Rechten.
Bild: Italien: Lega-Chef Matteo Salvini bei einem Interview am 28. Januar in Rom
Rom taz | Richtig gut gelaunt ist Claudio Borghi, Abgeordneter und einer
der profiliertesten Wirtschaftspolitiker der rechtspopulistischen, bisher
ziemlich europafeindlichen Lega. Vor ein paar Jahren hat er ein Buch mit
dem eloquenten Titel „Basta Euro“ verfasst, doch als er am Mittwochmittag
in einem kleinen Restaurant hinter dem Abgeordnetenhaus einem
Fraktionskollegen über den Weg läuft, strahlt er.
Der Lega-Chef Matteo Salvini hat seiner Truppe gerade in einer totalen
Kehrtwende verordnet, [1][den kommenden Ministerpräsidenten, sprich
ausgerechnet den „Euro-Retter“ Mario Draghi zu unterstützen] – und Borghi
platzt fast vor Zufriedenheit. „Wir haben die doch total in Schwierigkeiten
gebracht“, erklärt er seinem Parteifreund lachend. Mit „die“ meint er die
gemäßigt linke Partito Democratico und die Fünf Sterne, denen es mehr als
sauer aufstößt, dass sie jetzt mit der migranten- und europafeindlichen
Lega für Draghi votieren sollen.
[2][Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank] musste sich noch
vor wenigen Jahren von Salvini als Vaterlandsverräter schmähen lassen, als
„ein Italiener, der Komplize derer ist, die unsere Wirtschaft
massakrieren“, und es folgte das Versprechen, „die Komplizen Merkels,
Draghis, der EU werden nie an einem Tisch mit uns sitzen“. Jetzt aber nimmt
Salvini an Draghis Tisch Platz, ohne mit der Wimper zu zucken. „Keine
Vetos“ werde die Lega gegen Draghis Pläne einlegen, erklärt er angesichts
der Tatsache, dass der Ministerpräsident in spe schon einen dezidiert
proeuropäischen Kurs versprochen hat, dass er auch klar den Wunsch der Lega
ablehnt, für die Selbstständigen eine „Flat tax“, eine Einheitssteuer von
nur 15 Prozent einzuführen.
Dabeisein ist alles: Schließlich wird die kommende Regierung die 209
Milliarden Euro aus dem Wiederaufbauprogramm „Next Generation EU“ zu
verteilen haben. Auch bietet sich der Lega jetzt die einmalige Chance, aus
der Schmuddelecke herauszukommen, in der sie gemeinsam mit der AfD und mit
Marine Le Pens Rassemblement National hockt.
## Über Nacht vom Anti- zum Ultra-Nationalisten
Außerdem hat Salvini Erfahrung mit scheinbar selbstmörderischen politischen
Kehrtwenden. Seine Lega hatte einmal, unter ihrem Gründer Umberto Bossi,
als „Lega Nord“ das Licht der Welt erblickt: als Partei, die bis zur
Forderung nach Abspaltung vom Nationalstaat ruppig die Interessen der
reichen Nordregionen vertrat. Salvini war seit 1990 dabei, und er
beherrschte den Italien-feindlichen Lega-Sprech perfekt, etwa wenn er
anmerkte, „die italienische Fahne bedeutet mir nichts“, wenn er vor einem
Fußballspiel Italiens gegen Frankreich verkündete, „ich bin für
Frankreich“.
Doch als er dann 2013 Parteichef wurde, mitten in der Eurokrise, wurde er
gleichsam über Nacht vom Anti- zum Ultra-Nationalisten, saß der Feind nicht
mehr im „diebischen Rom“, sondern in Brüssel. Der Norden wurde aus dem
Namen der Partei gestrichen, die von 4 Prozent bei den Parlamentswahlen
2013 auf 34 Prozent bei den Europawahlen 2019 hochschoss.
Angesichts solcher Erfolge kann Salvini es sich auch jetzt erlauben,
gestern noch scheinbar heilige Prinzipien über Bord zu werfen und sich sein
zweites Saulus-Paulus-Erlebnis binnen weniger Jahre zu gönnen. Protest aus
den Fraktionen in Rom oder in Europaparlament? Völlige Fehlanzeige. Nur
unter den Anhänger_innen grummelt es ein wenig. „Meine Stimme kriegst du
nicht mehr“, heißt es in einem Post auf Salvinis Facebook-Seite. Doch auch
hier überwiegt der Chor der Fans mit ihren „Grande Salvini!“ oder „Forza
Matteo!“
12 Feb 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Michael Braun
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