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# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Draghi soll es richten
> Mit dem früheren EZB-Chef an der Regierungsspitze sollen Neuwahlen in
> Italien verhindert werden. Offen ist jedoch, wie er eine Mehrheit
> bekommt.
Bild: Jetzt soll Mario Draghi ran und damit Neuwahlen verhindern
ROM taz | In Italien ist die Regierung unter Ministerpräsident [1][Giuseppe
Conte] am Ende, und jetzt soll Mario Draghi seinen Job übernehmen.
Staatspräsident Sergio Mattarella beauftragte den früheren Präsidenten der
Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch mit der Regierungsbildung.
Mattarella will damit der [2][Regierungskrise] ein Ende setzen, die am 13.
Januar offensichtlich wurde, als die kleine Mittepartei Italia Viva (IV)
unter Matteo Renzi ihre zwei Ministerinnen aus dem Kabinett abzog. Draghi
steht nun vor der schweren Aufgabe, in dem zerklüfteten Parlament eine
Mehrheit zu gewinnen.
Der parteilose Jurist Conte hatte vergangene Woche seinen Rücktritt
eingereicht, auch wenn ihm die drei verbliebenen Koalitionspartner – die
Anti-Establishment-Bewegung Fünf Sterne (M5S), die gemäßigte linke Partito
Democratico (PD) und die kleine radikal linke Liste Liberi e Uguali (LeU –
Freie und Gleiche) Treue geschworen hatten. Doch der in den letzten Tagen
unternommene Versuch, den Riss mit Renzis Italia Viva zu kitten, scheiterte
am Dienstagabend.
Staatspräsident Mattarella hätte in dieser Situation auch umgehend das
Parlament auflösen und schnelle Neuwahlen ansetzen können. In einer kurzen
Ansprache legte er aber dar, das Land befinde sich in einer äußerst
kritischen Situation und die Regierung müsse in den nächsten Monaten den
Wiederaufbauplan im Umfang von 209 Milliarden Euro ausarbeiten, der dann
von Brüssel genehmigt werden muss. Neuwahlen jedoch hießen, so Mattarella,
dass das Land für vier oder gar fünf Monate ohne voll handlungsfähige
Regierung dastehe.
Jetzt soll es deshalb Draghi richten, an der Spitze einer Regierung mit
„hohem Profil, die jedoch mit keiner politischen Formel zu identifizieren
ist“, so der Staatspräsident; also mit einem Technokratenkabinett.
## Draghi ist ein Kenner
Und wer wäre besser für einen solchen Auftrag geeignet als Draghi? Der
73-jährige Ökonom, Schüler des überzeugten Keynesianers Federico Caffè,
kennt die italienischen und die europäischen Machtapparate. Nach einigen
Jahren Lehrtätigkeit an der Uni wurde er 1991 Generaldirektor im
italienischen Finanzministerium, das entspricht in etwa dem beamteten
Staatssekretär in Deutschland. Es folgte ein vierjähriges Intermezzo bei
der Investmentbank Goldman und Sachs, 2005 wird er Chef der Banca d’Italia,
der italienischen Notenbank, und dann 2011 Präsident der Europäischen
Zentralbank (EZB), der er bis 2019 vorstand.
„Whatever it takes“, was immer es braucht: Dieser Draghi-Satz mitten in der
Eurokrise, mit dem er die bedingungslose Verteidigung der
Gemeinschaftswährung versprach, wurde berühmt, und vielen gilt Draghi mit
seiner Politik des Quantitative Easing, der Aufkäufe von Staatstiteln durch
die EZB, als der eigentliche Retter des Euro.
Auf der italienischen wie der europäischen Bühne gilt „Super-Mario“
angesichts dieses Werdegangs als personifiziertes Stabilitätsversprechen:
Der Zinsabstand der zehnjährigen italienischen gegenüber den deutschen
Staatsanleihen fiel am Mittwoch mit nur noch 1 Prozent auf den tiefsten
Stand seit Jahren.
## „Apostel der Eliten“
Unter den Koalitionären der bisherigen Regierung ist für Draghi nur die
Zustimmung von Italia Viva sicher, die Unterstützung der PD gilt als
wahrscheinlich. Sperrfeuer gibt es dagegen schon aus den Reihen der Fünf
Sterne. Alessandro Di Battista, Anführer des Fundi-Flügels, erklärte noch
am Dienstagabend, Draghi sei „der Apostel der Eliten“, und am Mittwoch
verlautete in Rom, der Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo wolle die Bewegung
auf ein Nein zu Draghi einschwören.
Risse gehen aber nicht nur durchs bisherige Regierungslager, sondern auch
durch die Rechtsopposition. Silvio Berlusconis Forza Italia wird sich wohl
für Draghi aussprechen. Bei einem Nein der Fünf Sterne würde Draghi jedoch
auch Stimmen von den beiden Parteien der Rechten benötigen, von Matteo
Salvinis Lega und von den Rechtsextremen der Fratelli d’Italia (FdI) unter
Giorgia Meloni. Meloni ist in den Meinungsumfragen konstant im Aufwind, und
gegenwärtig käme FdI auf etwa 15 Prozent, würde am liebsten bei baldigen
Neuwahlen die Ernte einfahren. Aber auch die Rolle als rechte
Oppositionspartei gegen eine Regierung Draghi wäre für sie mit der Aussicht
auf weitere Stimmenzuwächse verbunden.
Salvinis Lega wird sich deshalb sehr genau überlegen, ob sie eine Regierung
Draghi stützen kann, ohne Stimmenverluste an die Konkurrenten von FdI zu
riskieren. Sollte aber die Lega dennoch ins Regierungsbündnis eintreten,
wäre das wiederum kaum für die gemäßigt linke PD zu verdauen, die noch vor
wenigen Tagen verkündet hatte, mit „Anti-Europäern“ werde sie nie an die
Regierung gehen.
Draghi gab sich am Mittwoch zuversichtlich und erklärte, er setze auf die
„Einheit“ unter Italiens Parteien. Die wird er nicht bekommen; er muss
schon zufrieden sein, wenn es für eine Mehrheit reicht. Ansonsten drohen
dann doch die schnellen Neuwahlen, die mit seiner Ernennung eigentlich
verhindert werden sollen.
3 Feb 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Michael Braun
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