| # taz.de -- EZB-Chef über seine Amtszeit: „Intensiv und tief“ | |
| > Mario Draghi verabschiedet sich von der Europäischen Zentralbank. Er gibt | |
| > den Deutschen ein paar Ratschläge mit – und dem Rest den Tipp, nie | |
| > aufzugeben. | |
| Bild: Draghi tritt zu seiner letzten Pressekonferenz als EZB-Chef an | |
| Vor Jahren hat EZB-Chef Mario Draghi den Euro als eine Hummel bezeichnet, | |
| die bekanntlich von ihrer Statur her eigentlich nicht fliegen könne und es | |
| trotzdem tue. Er wolle, dass der Euro eine Biene werde und von selbst | |
| fliege. Der Vergleich brachte ihm vor allem von Biologen Kritik ein. | |
| An seiner letzten Pressekonferenz gestern in Frankfurt musste der | |
| scheidende EZB-Chef nun viele Fragen zu seinem Vermächtnis beantworten und | |
| er tat dies in üblicher Draghi-Manier: trocken und unkonkret. Ob der Euro | |
| denn nun eine Biene sei, wollte ein Journalist wissen. Wolle er nicht | |
| sagen, sonst kämen wieder die Biologen und beschwerten sich. | |
| Draghis Erbe ist vor allem in Deutschland umstritten. Die Springer-Presse | |
| hat all die Jahre Kampagnen gefahren, die ihn etwa als einen die deutschen | |
| Sparer aussaugenden Graf Draghila zeigten und stets einen ärgsten Kritiker, | |
| den Bundesbank-Chef Jens Weidmann, öffentlich als Anti-Draghi (okay, der | |
| Titel stammt von der Zeit) präsentiert. Die niedrigen Zinsen, seit 2016 | |
| sogar Nullzinsen, hat viele ins Sparbuch verliebte Deutsche vermeintlich um | |
| Zinseinnahmen gebracht. Dass Draghi damit die Eurozone gerettet hat – ein | |
| Fakt, den ihm sogar seine größten Kritiker zugestehen, blieb dabei | |
| weitestgehend unerwähnt. | |
| Gestern nun machte Draghi erneut deutlich, warum er in den letzten acht | |
| Jahren so handelte, wie er handelte – übrigens immer mit mehrheitlicher | |
| Zustimmung des EZB-Direktoriums, in dem Vertreter der Zentralbanken der | |
| Euro-Länder vertreten sind. Deutschland ist dort allzu oft überstimmt | |
| worden, zuletzt im September, als die EZB verkündet hat, wieder | |
| Unternehmensanleihen aufzukaufen. | |
| ## Mantra der Inflation | |
| Die Kritik daran: Dadurch kommen Konzerne an billiges Geld und gehen zu | |
| hohe Risiken ein, die sich später rächen könnten. Die Begründung der EZB: | |
| Wegen Handelskonflikten, einem immer noch möglicherweise ungeregelten | |
| Brexit und anderen negativen Faktoren müsse die Wirtschaft im Euroraum | |
| gestützt werden. Wobei das die Bank nicht so sagt. Draghis Mantra ist, dass | |
| er stets in Rahmen des Mandats der EZB handelt und das sieht nicht vor, | |
| Unternehmen oder Staaten zu finanzieren, sondern die Inflation auf 2 | |
| Prozent zu bringen. Eine Gruppe ehemaliger Zentralbanker warf ihm kürzlich | |
| vor, es gehe längst nur noch darum, überschuldete Euro-Staaten über Wasser | |
| zu halten. | |
| Draghi kontert das mit seinem Mantra und mit einer implizit auch an | |
| Deutschland gerichteten Kritik: „Regierungen mit finanziellen Spielräumen | |
| sollten jetzt handeln.“ Sprich, sie sollten die Ausgaben erhöhen, um so | |
| Wachstum und Inflation zu steigern. Explizit nannte er Deutschland mit | |
| seinem Milliarden-Haushaltsüberschuss nicht und wollte auch die deutsche | |
| Schuldenbremse nicht kommentieren, die mögliche Mehrausgaben limitiert. | |
| Aber seine Botschaft war klar: Die EZB macht diese lockere Geldpolitik | |
| auch, weil die europäische Politik nicht handelt. | |
| Insgesamt, sagte Draghi, sei seine Zeit „intensiv, tief und faszinierend“ | |
| gewesen und er rate, „nie aufzugeben“. Den Vorwurf, die „Geldflut“, wie… | |
| lockere Zinspolitik oft genannt wird, würde Spekulationsblasen erzeugen, | |
| die zu neuen Krisen führen könnten, wies Draghi zurück: Es gebe im | |
| Immobiliensektor einige Anzeichen, aber nur regional begrenzt. „Alles in | |
| allem sehen wir keine Blasen“, sagt er. | |
| Und was sagt er zu den Protesten gegen EZB-Sparauflagen? Warum hat er den | |
| Menschen seine Politik nicht besser erklärt? Für eine Zentralbank sei | |
| öffentlicher Rückhalt wichtig. Aber wenn man direkt mit den Menschen rede, | |
| „dann betreten Sie eine neues Gebiet – das Reich der Politik“, sagte | |
| Draghi. | |
| 24 Oct 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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