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# taz.de -- DFB-Wechsel von Adidas zu Nike: Habeck, der Standortpopulist
> Der Wirtschaftsminister hat den Ausrüsterwechsel kritisiert, er wünscht
> „mehr Standortpatriotismus“. Doch Habeck ist beim Joggen selbst kein
> Patriot.
Bild: Wie unpatriotisch: Robert Habeck in Nike-Jogginghose in Meseberg
Bundeswirtschaftsminister [1][Robert Habeck] krempelt die ballonseidenen
Ärmel hoch und geht in die sportliche Offensive: Er habe sich „mehr
Standortpatriotismus“ [2][vom Deutschen Fußballbund] gewünscht bei seiner
Entscheidung für den neuen Ausrüster. Gerade war bekannt geworden, dass
sich der DFB gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem langjährigen
Geschäftspartner Adidas entschieden hat und ab 2027 mit einem Nike-Haken
auf der Brust auflaufen wird. Und nicht nur das sogenannte Netz, sondern
auch der Vizekanzler reagierten erstaunlich moralisch.
Dass sich ein deutscher Minister, zuständig für das Wohl deutscher
Unternehmen, rhetorisch vor diese stellt, ist nicht sonderlich
überraschend. Ist ja schließlich sein Job, könnte man meinen. Und trotzdem
sind Habecks Äußerungen zum DFB und seinem neuen Ausrüster irritierend.
Zunächst einmal, [3][weil Adidas nun nicht gerade ein sympathischer
Schneider von nebenan ist], sondern ebenso wie Nike ein globaler
Riesenkonzern in Form einer Aktiengesellschaft, der seine Produktion in
alle Welt ausgelagert hat. Die Marke profitiert von ihrer historischen Nähe
zur deutschen Fußballnationalmannschaft, davon, dass Unternehmensgründer
Adi Dassler (der abgekürzte Vorname steht für echte deutsche
Standortpatrioten) mit Bundestrainer Sepp Herberger auf der Bank saß und
höchstpersönlich die Stollen in die Schuhe der Sportler schraubte.
Aber das ist Folklore – und verdeckt, dass Adidas und der Deutsche
Fußballbund historisch eine viel zu große Nähe zueinander haben, die für
die Entwicklung des deutschen Fußballs nicht förderlich, sondern hinderlich
war.
## Die Emanzipation von Adidas
Adidas-Funktionäre waren im deutschen Fußball immer sehr einflussreich. Dem
Konzern gehört ein Anteil der FC Bayern München AG, neben der deutschen
Nationalmannschaft die zweite globale Marke des deutschen Fußballs. Man
erinnere auch an die Rolle des ehemaligen Adidas-Vorstandsvorsitzenden
Robert Louis-Dreyfus im [4][Steuerskandal von Uli Hoeneß], dem er Geld zum
Zocken an der Börse lieh. Und Dreyfuß [5][lieh dem WM-Organisationskomitee
Geld], das mutmaßlich zur Bestechung verwendet wurde, um die WM nach
Deutschland zu holen. Im Gegenzug blieb der DFB Adidas als Ausrüster lange
treu – auch als das längst nicht mehr im eigenen Interesse war.
Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass sich Nike um die Sportrechte des
Deutschen Fußballbunds bemüht. 2006 und 2007 lockte der US-amerikanische
Konzern mit einem weitaus besseren Angebot als Adidas. Und es war dann der
damalige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Kalle Rummenigge,
[6][der im Sinne seines Anteilseigners dem DFB drohte]: Wenn dieser das
Angebot von Nike annehmen sollte, würden die Spieler des FC Bayern nicht
mehr zu Länderspielen freigestellt werden. Adidas erhielt dann den
Zuschlag, und der Deutsche Fußballbund, angeblich eine gemeinnützige
Organisation, verzichtete auf viel Geld.
Mehr als 15 Jahre später hat sich der DFB nun also von Adidas emanzipiert.
[7][Wie das Handelsblatt berichtet], zahlt Nike 100 Millionen Euro im Jahr
an den Deutschen Fußballbund, doppelt so viel wie aktuell Adidas. Es ist
Geld, das auch dem Breitensport, den vielen Millionen Mitgliedern des DFB
zugute kommt.
Robert Habeck könnte sich darüber freuen, er könnte begrüßen, dass sich
Transparenz und freier Wettbewerb nun endlich auch im Deutschen Fußball
durchsetzen, also zumindest bei der Auswahl des Ausrüsters. Dass er sich
stattdessen implizit für eine Fortsetzung der guten alten deutschen
Vetternwirtschaft einsetzt, statt dem Deutschen Fußballbund im globalen
Wettbewerb die besten Chancen zu wünschen, könnte man als
Standortpopulismus bezeichnen.
Und wo wir schon bei Populismus sind: [8][taz-Recherchen zeigen exklusiv],
dass es auch der deutsche Wirtschaftsminister bei der Wahl seiner
Sportklamotten nicht so genau nimmt. Ein Foto aus dem März 2023 zeigt ihn
beim Joggen am Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung. Und was
trägt der Minister da? Eine rote Sporthose von Nike. Dazu Sportschuhe von
Asics, einer japanischen Marke. Immerhin, der Kapuzenpullover des Ministers
ist von Iriedaily, die mit ihrer Herkunft aus Berlin-Kreuzberg Werbung
machen. So viel Kreuzberger Standortpatriotismus kann die taz nur begrüßen!
22 Mar 2024
## LINKS
[1] /Streiks-und-Arbeitszeiten/!5995045
[2] /EM-Trikot-wird-Verkaufsschlager/!5996343
[3] /Kanye-West-und-Antisemitismus/!5890976
[4] https://www.welt.de/sport/article115492721/Wer-war-der-Mann-der-Uli-Hoeness…
[5] https://www.sport1.de/news/internationaler-fussball/2015/10/robert-louis-dr…
[6] https://www.welt.de/sport/article138075479/Erbitterter-Kampf-der-Ausruester…
[7] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/800-millionen-…
[8] https://www.alamy.de/05-marz-2023-brandenburg-granseeot-meseberg-robert-hab…
## AUTOREN
Kersten Augustin
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