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# taz.de -- Vertragsverhandlungen mit Bundestrainer: Hasardeur will mehr
> Julian Nagelsmann begreift seine Arbeit im DFB plötzlich als
> langfristiges Projekt. Das setzt den Verband unter Druck.
Bild: Gekommen, um zu bleiben? Bundestrainer Julian Nagelsmann
Im Fußball wird sehr häufig ein Begriff bemüht, der für die Branche
symptomatisch zu sein scheint: die Momentaufnahme. Im Nu kann sich etwas
verändern. Wenn die Aufnahme vom Gesamtgeschehen eben noch verwackelt war,
dann wird sie plötzlich scharf und konturiert. Und so ist es auch jetzt
beim Nationalteam. Die Momentaufnahme des DFB-Teams strahlt nach dem
Auftritt in Lyon in den buntesten Farben, das Grau der Vorwochen wurde dick
übertüncht – und die Fußballfans im Lande malen sich jetzt sogar schon eine
dufte [1][Europameisterschaft in Berlin, München oder Stuttgart] aus.
Julian Nagelsmann hat mit seiner Entourage den Schnappschuss, über den die
Fußballwelt staunt, erstellt. Er will garantieren, dass die Momentaufnahme,
und mehr ist es ja noch nicht, zu einem Film wird, der in Dauerschleife
läuft. Nagelsmann, dessen Vertrag nur bis zum Ende der Europameisterschaft
geht, will weitermachen, für Kontinuität sorgen. Offenbar ist ihm in den
vergangenen Wochen klar geworden, dass hier ein Projekt angestoßen werden
kann.
Dass Nagelsmann seinen Willen, länger Bundestrainer sein zu wollen, schon
vor dem Frankreich-Spiel formulierte und damit den Fußball-Bund ohne
statistischen Leistungsnachweis unter Druck setzte, zeigt, was für ein Typ
er ist: Wenn es um ihn und sein Fußballding geht, kann er zum Hasardeur
werden. Was wäre denn gewesen, wenn seine Elf nun verloren hätte, in alte
Muster zurückgefallen wäre?
Das schien für Nagelsmann außerhalb des Denkbaren zu liegen. Sein Mut,
manche sagen: seine Dreistigkeit, wurde belohnt. Er hat die besten Karten
in der Hand. Und nun ist der Deutsche Fußball-Bund am Zug, ihn mit einem
lukrativen und längerfristigen Vertrag zu versorgen. Denn wie auch schon
Nagelsmann geschickt andeutete: Er könnte ja ganz schnell von einem
europäischen Großklub verpflichtet werden. Da muss der Verband wohl schnell
sein, was auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf erkannt hat.
## Selbsterzeugte Euphorie
Der Funktionär mit SPD-Politikhintergrund scheint keine Scheu vor neuen
Vertragsverhandlungen zu haben, obwohl er da schon einmal Schiffbruch
erlitten hat. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wurde [2][vor der
Frauen-WM 2023 mit einem neuen Vertrag ausgestattet]; das Turnier verlief
dann enttäuschend. Voss-Tecklenburg verlor den Posten. Auch der
ursprünglich bis Juli 2024 gültige Alt-Vertrag mit Ex-Bundestrainer Hansi
Flick kam dem DFB, finanziell ohnehin angeschlagen, teuer zu stehen. Wenn
das diesjährige Turnierabenteuer mit Nagelsmann schiefgeht, dann ziehen
sehr dunkle Wolken über dem DFB-Campus in Frankfurt am Main auf.
Aber daran denkt offensichtlich keiner mehr. Man hat sich mit allerlei
Marketing- und Teambuilding-Maßnahmen selbst euphorisiert. Dass dies nicht
nur Voodoo war und Phrasendrescherei, hat man nun in Frankreich bestaunen
dürfen. Das Team wirkt urplötzlich stabil, wo es eben noch labil war. Es
wirkt selbstbewusst, wo es vor Kurzem noch zaudernd auftrat. Dass sich
dieser Zustand der blanken Zuversicht nicht wieder in Luft auflöst,
buchstäblich zur Momentaufnahme wird, ist der Job von Julian Nagelsmann.
Weil er auf seine Art disruptiv und draufgängerisch ist, könnte das sogar
was werden.
Schon einmal, 2006, gab es diesen Moment des Neuanfangs. Damals wuchs ein
Team auf dem Humus patriotischer Begeisterung über sich hinaus, heute
reichte es schon, wenn die Elf um Toni Kroos, Jamal Musiala und Florian
Wirtz ihr Potenzial ausschöpft. Kicken können sie. Sie müssen es nur
gemeinsam tun.
24 Mar 2024
## LINKS
[1] https://de.uefa.com/euro2024/
[2] https://www.dfb.de/news/detail/dfb-verlaengert-vertrag-mit-bundestrainerin-…
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Deutscher Fußballbund (DFB)
Julian Nagelsmann
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
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