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# taz.de -- Euphorisierender Auftritt des DFB-Teams: Spaß, Leichtigkeit und Le…
> Huch! Die DFB-Auswahl gewinnt in Frankreich 2:0. Mit dieser Demonstration
> spielerischen Vermögens wird das Team zum EM-Favoriten.
Bild: Kaum zu glauben: Toni Kroos blickt in Lyon auf die Ergebnistafel
Ein Spaziergang durch eines der schönsten Renaissance-Viertel Europas ist
Pflicht für jeden, der nach Lyon kommt. Zudem pflegt die Metropole am
Zusammenfluss von Rhône und Saône ihren Ruf, die gastronomische Hauptstadt
Frankreichs zu sein. So gut etwa die Süßigkeit „[1][Coussine de Lyon]“
schmeckt, hat Fußballfreunden das schwarz-rot-goldene Galamenü in
Décines-Charpieu gemundet. Der 2:0-Erfolg bei Vizeweltmeister Frankreich
hat Appetit auf die Heim-EM gemacht. Oder wie Sportdirektor Rudi Völler
sagte: „Das Beste, was wir die vergangenen Jahre gespielt haben.“
Die [2][Euphorie für ein identitätsstiftendes Fußballevent] in diesem
Sommer zu entfachen, dozierte der in Ehren ergraute Volkstribun, „das kann
gelingen“. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat nach einer nicht
unumstrittenen Radikalkur offenbar die richtigen Zutaten gefunden. Die
Mischung aus Künstlern und Arbeitern, Routiniers und Talenten passte. Mit
Florian Wirtz erzielte das hoffnungsvollste Juwel fürs nächste Jahrzehnt
nach acht Sekunden das schnellste Tor der deutschen Länderspielgeschichte.
„Ich glaube, es hat keiner wirklich realisiert und nicht direkt verstanden,
was da los war“, sagte der 20-jährige Kunstschütze und gestand: „Wir waren
alle sehr überrascht.“ Allerdings handelte es sich um eine choreografierte
Variante, die Standardtrainer Mads Buttgereit ausbaldowert hatte. Der Däne
hätte ja auch vier Monate Zeit gehabt, scherzte Toni Kroos, „um sich was
auszudenken“. Der Profi von Real Madrid führte auf Anhieb das Team an.
## Ausgehebelte Deckung
Der 34-Jährige hatte mit seinem ersten Pass nach seiner Rückkehr die
unsortierte Deckung der Franzosen ausgehebelt. Aber damit nicht genug: Die
Rückkehr des Strategen ins deutsche Nationalteam übertraf alle Erwartungen
– da verneigte sich sogar die Kulisse des geschlagenen Kontrahenten in
Ehrfurcht. „Toni Kroos war unfassbar!“, schwärmte auch Bundestrainer Julian
Nagelsmann. „Defensiv sehr stabil, offensiv der Ballverteiler.“
Genau ein solches Scharnier hätte eigentlich nach dem Kroos-Rücktritt im
Anschluss an die EM 2021 Joshua Kimmich werden sollen, der sich jedoch
rückblickend an der Aufgabe im Nationaltrikot verhoben hat. Ergo ist der
alte Taktgeber auch der neue, der überraschend gut mit Abräumer Robert
Andrich harmonierte, der erkennbar von der Klasse seines Nebenmannes
profitierte. Kroos blieb hernach ganz bei sich: Der 34-Jährige sprach
hinterher bloß von einem „guten und wichtigen Schritt“.
Der Bundestrainer wirkte zwar nicht überschwänglich, aber doch befreit. Am
Vorabend hatte der 36-Jährige ausdrücklich betont, dass sich seine Spieler
in Zeiten, in denen ein in einer freien Marktwirtschaft normaler
Ausrüsterwechsel zum teils völlig sinnfreien Gefasel hochrangiger Politiker
aller Lager führt, einfach vom Ballast befreien sollen. „Wir wollten
Lebensfreude versprühen, das haben wir getan und einen sehr guten Mittelweg
gefunden.“ Mit Ball Spaß und Leichtigkeit verströmen, gegen den Ball Kampf
und Leidenschaft reinlegen.
## Bravouröser Allrounder
[3][Der Leitsatz („Wir kicken!“)] schien vorne vor allem Wirtz und Jamal
Musiala zum Zaubern zu animieren. Wie ein Wirtz-Traumpass den in die Tiefe
startenden Musiala fand, um das 2:0 für Kai Havertz aufzulegen (49.), war
Ausdruck einer auf diesem Niveau selten zu besichtigenden Spielfreude.
Hinten legten Jonathan Tah und Antonio Rüdiger eine Verteidigungsleistung
ohne Fehl und Tadel hin, wobei vor allem rechts außen Joshua Kimmich eine
große Hilfe war.
Bravourös, wie der Allrounder vom FC Bayern seine Spielintelligenz
einbrachte. Wenn ihm ein Kylian Mbappé in der besten Phase der „Bleus“ vor
der Pause mal entwischte, blieb Keeper Marc-André ter Stegen in seinem
schicken schwarz-rot-goldenen Torwartdress einfach stehen. Eigentlich
unverständlich, dass solch ein Rückhalt bei der Europameisterschaft wieder
weichen soll, wo doch Manuel Neuer bei der Weltmeisterschaft in Katar eine
solch schlechte Figur machte. Ob Nagelsmann mit dieser Personalie richtig
liegt?
Ansonsten hat der Bundestrainer im französischen Südosten einen
Befreiungsschlag hinbekommen, weshalb nun darüber diskutiert wird, ob der
nur bis Sommer befristete Vertrag verlängert werden muss. Der Fußballlehrer
äußerte sich nur vage. „Am Ende möchte ich erst mal schauen, was Sache
ist.“ Eine Ausdehnung des Anstellungsverhältnisses sei „nicht
ausgeschlossen, aber auch nicht selbstverständlich“. Der DFB darf im
Gegenzug verlangen, dass solche Darbietungen nicht die Ausnahme bleiben.
Noch immer vereint sein Aushängeschild nämlich so viel Potenzial, um sogar
Didier Deschamps zu verunsichern. Frankreichs Erfolgscoach wirkte
konsterniert, wie seine an drei der letzten vier WM- und EM-Finals
beteiligte Équipe Tricolore binnen eines halben Jahres erneut gegen
Deutschland verlieren konnte. „Wir waren nicht in der Lage, uns an das
intensive Level des Gegners anzupassen.“ Auch das Fehlen eines solch
„essenziellen Spielers“ wie Antoine Griezmann sei keine Ausrede, gab der
55-Jährige zu: „Wir haben im Kollektiv versagt.“
Kurz nach ihm nutzte Julian Nagelsmann das erst kurz vor Mitternacht
erklommene Podium der Pressekonferenz, um mit Blickrichtung auf den
nächsten Klassiker gegen die Niederlande (Dienstag 20.45 Uhr/RTL) einige
Forderungen aufzustellen: „Losgelöst vom Ergebnis“ soll seine Elf bitte
wieder dieselbe „Art und Weise“ im Auftreten zeigen. Er werde in Frankfurt
nicht viele Veränderungen vornehmen; Fehler dürften auch gegen die
„Oranjes“ in den dann pink-lilafarbenen Trikots gemacht werden, wenn „das
Gegenpressing gut ist“.
Dann sprach der Bundestrainer vor der Abreise aus Lyon noch das Wort zum
Sonntag: „Wir haben mal den Blinker gesetzt Richtung Heim-EM – es wäre gut,
wenn wir weiter Gas geben.“
24 Mar 2024
## LINKS
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Coussin_de_Lyon
[2] https://de.uefa.com/euro2024/
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/sport/fussball-dfb-elf-nagelsmann-frankreich…
## AUTOREN
Frank Hellmann
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