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# taz.de -- DFB-Kader für Europameisterschaft: Zartes deutsches Gebilde
> Trainer Julian Nagelsmann gibt den Kader für die Fußball-EM im eigenen
> Land bekannt. Überraschend ist nach der PR-Kampagne nur eine
> Entscheidung.
Bild: Geballte Überzeugung: Nagelsmann glaubt an seine Spieler
Eine wirkliche Überraschung hatte Julian Nagelsmann am Donnerstag nicht
mehr zu verkünden. Der größte Aufreger bei der engültigen Bekanntgabe des
deutschen Kaders für die kommende Heim-EM war wohl die Nachricht, dass vier
Torhüter dabei sein werden. Neben Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen
werden auch Alexander Nübel sowie Oliver Baumann nach den Bällen hechten.
Nagelsmann begründete dies mit der so möglichen besseren
Belastungssteuerung im Training.
[1][Häppchenweise war in den vergangenen Tagen] ein Großteil der
Nominierten im Auftrag des DFB über Influencer aus dem Altenheim, Bäcker,
Rapper, Quizmaster oder andere Kanäle verkündet worden. „Eine geniale
Idee“, lobte Nagelsmann die PR-Abteilung des Verbandes, die zur
schrittweisen Identifizierung mit dem Team beitrug, wie er befand.
Wie zu erwarten, ersparte ihm das aber nicht die Fragen nach zwei Spielern,
die in der weiteren Vergangenheit Größen im Nationalteam waren und sich in
der jüngsten Vergangenheit zudem in prächtiger Form präsentierten.
Innenverteidiger Mats Hummels reüssierte mit Borussia Dortmund insbesondere
in der Champions League, Leon Goretzka investierte in den letzten Wochen
unermüdlich viel in das Spiel des FC Bayern.
Schwere, aber „keine bösen Gespräche“ seien das mit den beiden und anderen
Nichtberücksichtigten gewesen, erklärte Nagelsmann. Wobei seine genaueste
Zeitangabe vom längsten Absagetelefonat (22:30 Minuten) schon als ein
Hinweis auf den quälenden Charakter des Austauschs gedeutet werden kann.
Gut möglich, dass hiermit die Unterhaltung mit Leon Goretzka, [2][seinem
ehemaligen Spieler beim FC Bayern], gemeint war, das Nagelsmann als
„emotional“ bezeichnete. Stattdessen bekam dessen Vereinskollege, der
unerfahrene Aleksandar Pavlovic, den Vorzug.
## Erweckungserlebnis im März
Was ihn zur Absage bewog, wollte Nagelsmann nicht in der Öffentlichkeit
breittreten. Der 36-Jährige erklärte lieber, was den Kreis seiner
Auserwählten auszeichnete. Sie waren fast ohne Ausnahme bei den letzten
Länderspielen im März dabei, die für Nagelsmann so etwas [3][wie ein
Erweckungserlebnis] waren. Er nominierte damals für die Spiele gegen
Frankreich und die Niederlande sechs formstarke Neulinge und wirbelte die
Teamordnung nach enttäschenden Auftritten vergangenen Herbst mächtig
durcheinander. Besonders goutiert wurde charakterlich einwandfreies
Verhalten. Nagelsmann erzählte, man habe damals auch die Köche und
Physiotherapeuten um Feedback gebeten. Die Begeisterung war anscheinend
rundum groß. Es sei „die beste DFB-Maßnahme“ der vergangenen Jahre gewese…
erklärte Nagelsmann. So lobte er auch am Donnerstag erst im zweiten Anlauf
die fußballerischen Qualitäten des 34-jährigen Thomas Müller, im ersten hob
er seine Qualitäten als „Connector“ hervor: „Er kann mit den Rappern und
mit denen, die jodeln.“
Die Herausforderungen für die Nominierung beschrieb Julian Nagelsmann als
komplex. Es ginge nicht darum, die besten 26 Fußballer zu wählen, sondern
diejenigen, die von ihren Charakterzügen am besten zusammenpassen. Weil er
nun ein 27-köpfiges Aufgebot hat, muss er vor der EM noch einen nach Hause
schicken.
Nagelsmann hat bereits im März bekannt, ein Freund von klaren
Rollenverteilungen zu sein. Gerade von den Spielern auf der Ersatzbank
erwartet er absolute Loyalität. Eine weitere Begründung für seine Auslese
ließ aufhorchen. Er sprach fast schon poetisch von einem „zart wachsenden
Gebilde“. Wenn er neue Elemente hinzunehmen würde, könnte das „Haus wieder
einstürzen“. Man könnte auch sagen: Die Hoffnungen der Fußballfans in
diesem Lande, die es mit dem DFB-Team halten, beruhen bislang auf der Basis
eines zehntägigen Ausnahmetrips.
Julian Nagelsmann schürte dennoch Hoffnung: „Wenn wir teilnehmen, sollten
wir auch gewinnen können.“ Er erzählte von seinem guten Bauchgefühl. Und
wenn es mit dem ganz großen Ziel nicht klappen sollte, könnte er auch mit
der K.-o.-Phase und einem begeisternden und mitreißenden Fußball seines
Teams gut leben. „Ich verstehe den Fußball schon als Unterhaltungsbranche“,
sagte Nagelsmann dazu. Das Bohei der Nominierung war auch in dieser
Richtung der erste Schritt.
16 May 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
Julian Nagelsmann
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