# taz.de -- Ausstellung über das Judentum in Preußen: Gleichgestellt nur auf … | |
> Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Rendsburg zeigt, wie Judentum in | |
> Preußen gelebt wurde. Ein wichtiger Aspekt dabei war der Dienst im Heer. | |
Bild: Innig verbindet Moritz D. Oppenheim Preußen und Judentum im Bild „Die … | |
Jüdisch. Preußisch. Beide Wörter erzeugen Bilder im Kopf, oft sind es | |
Klischeebilder: Gebetsschal hier, Pickelhaube da. Wie beides in ein | |
gemeinsames Bild passt, zeigt die Ausstellung „Jüdisch? Preußisch? Oder | |
was?“ im Jüdischen Museum Rendsburg ohne einfache Antworten zu geben. | |
Am Feiertag Jom Kippur des Jahres 1870 feiern rund 1.200 deutsche Soldaten | |
jüdischen Glaubens einen Feldgottesdienst bei der Festung Metz. In der | |
Mitte steht der Rabbiner vor dem Thora-Schrein, im Vordergrund sind | |
Gläubige in Uniform und Pickelhaube zu sehen, die das Gebetstuch um die | |
Schultern geschlungen haben. Die Szene aus dem [1][Deutsch-Französischen | |
Krieg] ist auf einem Gedenktuch festgehalten, in der Ausstellung steht sie | |
für das Thema „Kämpfen“. | |
Das Militär war ein wichtiger Bestandteil des preußischen Staates, und auch | |
jüdische Männer mussten ab 1814 ihren Dienst im Heer versehen. Zwar gab es | |
unsichtbare Hürden, die ihnen den Einstieg in die Offizierslaufbahn | |
versperrten. Dennoch bedeutete die Teilnahme am Soldatenleben einen Schritt | |
zur Gleichstellung. Durch das „Judenedikt“ von 1812 hatte die Minderheit | |
Rechte wie die Wahl des Wohnortes und Gewerbefreiheit erhalten. Ab 1847 | |
galten Jüd:innen dann als gleichgestellt, zumindest auf dem Papier. Die | |
Realität, auch das zeigt die Ausstellung, sah oft anders aus. | |
Zehn inhaltliche Stationen befassen sich mit dem Judentum in Preußen: mit | |
dem Alltagsleben und religiösen Feiern, aber auch mit Antisemitismus und | |
bürokratischen Hürden. Um vollständig preußisch zu werden, brauchte es | |
einen Familiennamen. „Oft dachte man sich den in der Amtsstube aus“, | |
berichtet die Kuratorin Sylvia Necker. So kamen Namen wie Rosenzweig oder | |
Apfelbaum zustande, die heute als „typisch jüdisch“ empfunden werden: „W… | |
da ein Baum vor dem Fenster stand, nannten sich die Leute eben danach.“ | |
Necker hat die Ausstellung ursprünglich für das Preußenmuseum des | |
Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Minden entworfen, deren Leiterin | |
sie ist. Dort standen ihr zehn Räume mit gut 600 Quadratmetern zur | |
Verfügung. | |
Viel Platz, den Necker mit extrem wenigen Objekten füllt: Ein Bierkrug mit | |
antisemitischen Bildern und Sprüchen steht dafür, dass anti-jüdische | |
Klischees und Beleidigungen stets als Grundrauschen in der Gesellschaft | |
vorkamen. Noten und das Bild einer Synagoge decken den Bereich Religion ab. | |
Ein wandgroßes Schwarz-Weiß-Foto zeigt die Schülerinnen einer jüdischen | |
Mädchenschule. Es entstand in den 1920er-Jahren in der Hamburger | |
Loewenbergschule, gegründet vom Reformpädagogen [2][Jakob Loewenberg] und | |
verweist auf die Frage, welche Chance auf Integration und Aufstieg eine | |
gute Bildung für jüdische Kinder bot. | |
Viele Fragen, wenige klare Antworten, schon gar nicht durch lange Texte: | |
„Wir wollten eine Ausstellung, die Luft und Platz zum Denken lässt“, sagt | |
Necker. Ihr sei es wichtig, Klischees zu brechen. „Jüdische Geschichte ist | |
bunt.“ | |
In Rendsburg ist die Ausstellung in einem Nebengebäude des Museums, dem | |
Haus der ehemaligen Talmud-Thora-Schule und Synagoge, untergebracht. Dort | |
ist der Platz begrenzt, die zehn Themenbereiche gehen nahtlos ineinander | |
über. | |
Mirjam Gläser, stellvertretende Leiterin des Rendsburger Museums, hat die | |
Exponate aus Minden zusätzlich um Bilder und Texte aus Schleswig-Holstein | |
ergänzt, so etwa ein großes Foto, das den Salon der Rendsburger Familie | |
Gotartowski um 1917 zeigt. Die Familie war wohlhabend und gut bürgerlich. | |
Von den drei Kindern, die auf dem Bild zu sehen sind, überlebten zwei den | |
[3][Holocaust]. Walter, der Älteste, kämpfte im Ersten Weltkrieg und starb | |
1941 bei der Zwangsarbeit. | |
Neben dem Bild des Salons steht ein runder Tisch mit mehreren Hockern. Er | |
ist eine Einladung an alle Besucher:innen, sich selbst mit Fragen, Ideen, | |
Kommentaren an der Debatte zu beteiligen – und um aktuelle Themen zu | |
ergänzen. | |
11 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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