# taz.de -- Hornburger Synagoge im Museum: Ein kleines Heiligtum | |
> Vor 100 Jahren wurde ein Synagogeninventar aus Hornburg im | |
> Braunschweigischen Landesmuseum aufgestellt. Drei Ausstellungen feiern | |
> das Jubiläum. | |
Bild: Ein Schatz: Die Hornburger Synagoge in der Dauerausstellung | |
Spezialkenntnis jüdischer Museen ist nicht erforderlich, um den Schatz zu | |
erkennen, über den das Braunschweigische Landesmuseum an seinem Standort | |
Hinter Aegidien verfügt, nämlich wesentliche Teile der liturgischen | |
Ausstattung einer Synagoge aus der Barockzeit. Konkreter: die Bima, also | |
der erhöhte Platz, an dem aus der Thora gelesen wird, sowie der | |
überwölbende Baldachin, der Thora-Schrein mit zwei begleitenden | |
Kerzenwagen, die Brüstung der Frauenempore und die Zugangstür zum Raum, | |
zudem Sitzbänke, Hängeleuchter und Kultgerät. | |
Die Ausstattung stammt aus der Synagoge in Hornburg, einer Kleinstadt im | |
heutigen Landkreis Wolfenbüttel. Die dortige, ab 1642 nachweisbare, wenig | |
vermögende jüdische Gemeinde errichtete Mitte des 18. Jahrhunderts ein | |
bescheidenes Fachwerkhaus als Betraum. 1766 wurde der erste Gottesdienst | |
dort mit diesem Inventar gefeiert. 1882 fehlten der Gemeinde allerdings | |
schon wieder die für einen regulären jüdischen Gottesdienst erforderlichen | |
zehn mündigen Männer, die Synagoge verfiel. Mit dem Tod des letzten | |
Gemeindemitglieds 1923 erlosch das jüdische Leben Hornburgs. | |
Karl Steinacker, von 1910 bis 1935 Direktor des „Vaterländischen Museums“, | |
dem Vorläufer der heutigen Braunschweiger Institution, [1][konnte ab 1923 | |
das Inventar in sein Museum überführen], nach Aufmaß und Kartierung des | |
abgängigen Bauwerks durch Studierende der T. H. Braunschweig. 1925 wurde | |
das Interieur erstmals öffentlich präsentiert. In der profanierten | |
Aegidienkirche, die das Museum damals nutzte, entstand so das Kuriosum | |
eines interreligiösen Ortes: eine [2][ehemalige Synagoge] in einem ehemals | |
christlichen Gotteshaus. | |
## Jahrzehntelang eingelagert | |
Unter dem NS-Regime wurde das Ensemble antisemitisch uminterpretiert und | |
verhetzend konnotiert. Der 1935 zum Museumsdirektor ernannte überzeugte | |
Nationalsozialist Johannes Dürkop verstand sein Museum als | |
„nationalpolitische Erziehungsanstalt“, das Synagogeninventar diente ihm | |
als Anschauungsmaterial eines feindlichen Fremdkörpers in der arisch | |
deutschen Kultur. Bis 1944 verblieb alles an seinem Ort, wurde dann | |
abgebaut, um, Jahrzehntelang eingelagert, aus dem öffentlichen Bewusstsein | |
zu verschwinden. | |
Erst 1987 wurde das Synagogeninterieur nach einer Restaurierung wieder | |
Zentrum einer Sammlung nicht nur regionaler Judaica. In jener Zeit wuchs | |
allerorts das Interesse an der jüdischen Kultur. 1988, zum 50. Jahrestag | |
des Novemberpogroms, eröffnete Bundeskanzler Helmut Kohl das Jüdische | |
Museum in Frankfurt am Main, bereits 1971 war die Neugründung des Jüdischen | |
Museums Berlin beschlossen worden. | |
So manches aber, was damals in Braunschweig an Thoraschildern, | |
Chanukka-Leuchtern oder Sedertellern zu sehen war, hielt neuer Forschung | |
nicht stand. Es wurde nach und nach gekennzeichnet und entfernt. Eine | |
bereinigte und besonders um Aspekte des Antisemitismus erweiterte | |
Neuaufstellung folgte 2021, als Dauerausstellung zur deutsch-jüdischen | |
Geschichte und Kultur in Niedersachsen. | |
## Fotos, Grafik und Film | |
Aktuell feiert das Museum das 100-jährige Jubiläum der Aufstellung des | |
Hornburger Inventars, will vor allem aber den Jüdinnen und Juden für ihr | |
Vertrauen danken, das sie dem Haus seit 1925 entgegengebracht haben, um | |
ihre Objekte, ihre Geschichte und Geschichten zu bewahren, heißt es | |
offiziell. | |
Drei Sonderausstellungen sind zu sehen. Die israelische Künstlerin Iris | |
Hassid, geboren 1965, begleitete per Fotografie, Protokoll und Video sechs | |
Jahre lang vier palästinensische Studentinnen israelischer | |
Staatsbürgerschaft durch den Alltag, in dem ihnen Skepsis bis Ablehnung | |
entgegenschlug. Leider enden die Aufzeichnungen 2020. Die Situation nach | |
dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023: Sie lässt sich wohl kaum | |
erahnen. | |
Mit Ephraim Moses Lilien (1874–1925) wird ein Grafiker, Fotograf und | |
Buchgestalter gewürdigt. Aus der heutigen Ukraine gebürtig, heiratete | |
Lilien 1906 eine Braunschweiger Künstlerin aus dem assimilierten Judentum | |
und zog samt Familie 1920 an die Oker. In seiner Grafik suchte Lilien einen | |
„neuen jüdischen Stil“ in der Kunst. Ab 1907 verantwortete er Einband, | |
Typografie und Illustration für „Die Bücher der Bibel“ des | |
George-Westermann-Verlags und war vor 100 Jahren, als Jude wie wohl auch | |
Künstler, als Experte bei der musealen Aufstellung des Hornburger Inventars | |
gefragt. | |
Durch die Video-Intervention der Deutsch-Israelin Sarai Meyron, geboren | |
1995 und Absolventin der HBK Braunschweig, [3][erklingt eine junge Stimme] | |
in der Dauerausstellung: zu Identität, Heimat, Zugehörigkeit – und der | |
Hoffnung, die einst mit der Gründung des Staates Israel verbunden war. | |
25 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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