# taz.de -- Fußball in der NS-Zeit: Bälle, Tore, Superjuden | |
> Eine Ausstellung in Rendsburg befasst sich mit jüdischen Spuren und | |
> Einflüssen im Fußball. Es geht ums Sichtbarmachen jüdischer Identitäten | |
> im Sport. | |
Bild: Hans Wächter, dritter von links, in der Jugendmannschaft des Hamburger S… | |
„Super Joden“, also „Superjuden“, nennen sich die Fans des Fußballclubs | |
Ajax Amsterdam, obwohl die meisten von ihnen nichts mit dem jüdischen | |
Glauben am Hut haben. „Superjuden“ lautet auch der Titel einer Ausstellung, | |
die sich mit jüdischen Spuren und Einflüssen im Fußball befasst. | |
Ursprünglich hat das Jüdische Museum Wien die Schau entwickelt und dabei | |
österreichische und internationale Vereine betrachtet. Das [1][Jüdische | |
Museum Rendsburg] hat sie nun übernommen und um Exponate und Geschichten | |
aus den Nordclubs Werder Bremen, HSV und St. Pauli sowie Holstein Kiel | |
ergänzt. | |
Auf dem Mannschaftsfoto schaut Walter Wächter ernst in die Kamera. Das Bild | |
aus den 1920er Jahren zeigt den Nachwuchskader des HSV, Wächter war ein | |
erfolgreicher und ehrgeiziger Spieler – bis 1929, als es für Juden | |
ungemütlich im Verein wurde. Denn einige Sportvereine, das zeigt die | |
Ausstellung in Rendsburg, passten bereits vor 1933 ihre Mannschaften an den | |
Geist der neuen Zeit an und drängten jüdische Spieler aus ihren Reihen. | |
Wächter, dessen Lebensgeschichte in der Ausstellung nachgezeichnet wird, | |
wechselte zum Freien Turn- und Sportverein „Fichte“ in Hamburg-Eimsbüttel, | |
bis der 1933 verboten wurde, dann zum Jüdischen Turn- und Sportverein Bar | |
Kochba. 1935 wurde der junge Hamburger als Antifaschist verhaftet. | |
## Flucht nach Schweden | |
Nach drei Jahren im KZ kam er frei, und 1938 gelang ihm die Flucht nach | |
Schweden. Dort gründete er eine Familie und machte Karriere als Psychologe | |
und Hochschulprofessor. Erst nach seinem Tod fand sein Sohn Torkel, ein | |
schwedisch-deutscher Schriftsteller, einen Stapel Briefe, die der Vater im | |
KZ Fuhlsbüttel geschrieben hatte. „Der Sohn ist mit dem Hass des Vaters auf | |
Deutschland aufgewachsen, ohne zu wissen, woher diese Wut kommt“, sagt | |
André Fischer, Fanbeauftragter des HSV, bei einer Presseführung im | |
Rendsburger Museum. | |
Der HSV hat sich seiner Vergangenheit gestellt, unter anderem mit der | |
Ausstellung „Die Raute unterm Hakenkreuz“ und einem Mahnmal. Für die | |
Ausstellung „Superjuden“, die seit Juli im Jüdischen Museum Rendsburg zu | |
sehen ist, stellte der HSV einige Dokumente aus der Vereinsgeschichte zur | |
Verfügung. | |
Die Bereitschaft, etwas beizusteuern, sei bei allen vier hochklassigen | |
Nordclubs groß gewesen, berichtet Museumsdirektor Jonas Kuhn. „Das | |
[2][Sichtbarmachen jüdischer Identitäten im Sport] – sowohl in der | |
Vergangenheit als auch in der Gegenwart – ist ein großes Anliegen, wir | |
freuen uns, ein Teil der Ausstellung zu sein“, schrieb der Präsident des SV | |
Werder Bremen, Hubertus Hess-Grunewald. | |
Der Bremer Verein schickte unter anderem ein Foto des „judenfreien“ Bremer | |
Kaders im Jahr 1934, auf dem die Spieler vor dem Anpfiff den Hitlergruß | |
zeigen. Vor allem aber stellt die Ausstellung einen Bezug zu aktuellen | |
Geschehnissen her. Im Zentrum steht Hersh Goldberg-Polin, ein israelischer | |
Fußball-Fan, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt wurde. | |
## „Rest in Peace, Hersh!“ | |
Da es enge Beziehungen zwischen Fußball-Fans in Deutschland und Israel | |
gibt, zeigte das Publikum im Werder-Stadium nach Goldberg-Polins | |
Geiselnahme immer wieder Flagge, etwa mit einem „Let Hersch free!“-Banner. | |
Inzwischen ist bekannt, dass Polin und der ebenfalls entführte Inbar | |
Haymann tot sind. Die Solidarität der Fankurve bleibt: „Rest in Peace, | |
Hersh!“, steht nun auf der Fahne, die im Stadion in Bremen gezeigt wird. | |
Die Sonderausstellung umfasst nur wenige Räume in einem Nebengebäude des | |
Jüdischen Museums Rendsburg. Doch der schmale Platz bietet einen guten | |
Überblick ü[3][ber Fan-Szenen und jüdische Identitäten im In- und Ausland], | |
die im Zentrum der ursprünglichen Sammlung aus Wien stehen. Neben den | |
niederländischen „Super Joden“ gibt es die Hooligangruppe „Yid Army“ in | |
Tottenham. | |
Beide Clubs galten, wie auch der FC Bayern München, als „jüdische“ Verein… | |
da in den Vierteln rund um ihre ersten Stadien viele Jüd:innen lebten. In | |
den Städten, in denen das NS-Regime seine Holocaust-Pläne in grausame Tat | |
umsetzen konnte, leben kaum mehr jüdische Menschen. | |
Etwas überspitzt drückt der niederländische Journalist Hans Knoop es so | |
aus: „90 Prozent der Ajax-Fans wissen gar nicht, wo Israel liegt. Wenn | |
sie,Juden! Juden!' oder,Superjuden!' rufen, geht es ihnen darum, ihr Team | |
anzufeuern – um nichts anderes“, lautet ein Zitat, das in der Ausstellung | |
hängt. | |
## FC Bayern als „Judenclub“ verunglimpft | |
Nicht nur Orte, auch Menschen prägten die Vereinsgeschichte und sorgten | |
dafür, dass ein Club als „jüdisch“ galt. Für Bayern München war Kurt | |
Landauer so eine prägende Figur. Viermal bekleidete der 1884 geborene | |
Landauer das Amt des Clubpräsidenten. Am Ersten Weltkrieg nahm er als | |
Soldat teil, ab 1933 wurde er als Jude diskriminiert und der FC Bayern | |
München als „Judenclub“ verunglimpft. | |
Landauer floh und überlebte das Dritte Reich. Zwischen 1947 und 1951 | |
übernahm er erneut den Präsidentenstuhl. Dennoch, auch das zeigt die | |
Ausstellung, dauerte es lange, bis der Verein seiner gedachte. Wieder | |
übernahmen Fans die Regie: Im Jahr 2009, zum 125. Geburtstag Landauers, | |
rollten die Ultras ein Plakat auf, mit dem sie an Landauer erinnerten. | |
Inzwischen wurde er posthum zum Ehrenpräsidenten ernannt. | |
Die Ausstellung ist noch bis Anfang Februar 2026 in Rendsburg zu sehen. | |
„Wir hoffen, dass das Thema Fußball auch die Menschen zu uns bringt, die | |
sonst vielleicht nicht in ein Museum gehen würden“, sagt Jonas Kuhn. | |
Dazu trägt auch ein Rahmenprogramm bei, bei dem – was sonst – auch Fußball | |
gespielt wird. Allerdings gibt es bei einem „Turnier im Zeichen der | |
Vielfalt“ am Sonntag, 7. September, auf dem Sportplatz Nobiskrug im | |
Rendsburger Stadtteil Schleife eine ganz besondere Variante. Beim | |
„dreiseitigen Fußball“ spielen drei Teams gleichzeitig auf drei Tore. | |
Mitmachen können Vereine, Gruppen, Firmen- oder Familienteams. | |
4 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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