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# taz.de -- Israelische Fußball-Liga: Krieg bis in die Stadien hinein
> Im israelischen Fußball wird so viel Gewalt und Rassismus dokumentiert
> wie nie. Am Samstag beginnt die Saison, schon jetzt droht eine
> Unterbrechung.
Bild: Maccabi-Tel-Aviv-Fans beim Europa-League-Spiel in Amsterdam 2024, nach de…
Berlin taz | Unter den israelischen Nationalspielern gilt Ariel Harush als
liberaler Geist. Der Torhüter des FC Ashdod im Süden des Landes hatte sich
für eine friedliche Koexistenz von Juden und Arabern ausgesprochen. Doch
dadurch fühlten sich etliche Fans von ihm provoziert.
Diese Haltung bringen vor allem die Ultras von Beitar Jerusalem zum
Ausdruck, die stolz darauf sind, dass ihr Verein noch nie einen arabischen
Spieler verpflichtet hat. Bei ihrem Spiel in Ashdod in der vergangenen
Saison beschimpften die Ultras Harush, der selbst einmal für Beitar im
Einsatz gewesen war. Danach wollten sie ihn sogar attackieren.
Die Ultras von Beitar stimmten ihre üblichen Gesänge an. „Wir hassen alle
Araber.“ Und: „Die israelische Armee muss siegen.“ Mit dabei in der
aufgebrachten Masse war ihr Ehrengast, der sie vor einigen Jahren noch als
Anwalt vertreten hatte: Der rechtsextreme Minister für Nationale
Sicherheit, [1][Itamar Ben-Gvir], bekannt für rassistische und
gewaltverherrlichende Aussagen. Die Fans umarmten Ben-Gvir und küssten
seine Wangen.
„Durch den Krieg ist die politische Stimmung in Israel stark aufgeladen,
daher könnten solche Gewaltausbrüche in den Stadien zunehmen“, sagt Matan
Segal, Direktor der Anti-Rassismus-Initiative Kick It Out. „Wenn der
israelische Fußball das nicht in den Griff bekommt, dann drohen ihm
Sanktionen von der Uefa.“ Er hält sogar eine Unterbrechung der Saison, die
am Wochenende beginnt, für möglich.
## Pyrotechnik, Platzstürme, Faustkämpfe
Vor dem Krieg wurden in Israel fast nie Spiele wegen Gewalt abgebrochen,
doch allein in der vergangenen Saison waren es zwei. Pyrotechnik,
Platzstürme, Faustkämpfe. Zum dritten Mal hintereinander stieg auch die
dokumentierte Zahl von rassistischen Gesängen in den Stadien. Inzwischen
auf 367 Vorfälle, was einer Zunahme von 64 Prozent gegenüber der Spielzeit
davor entspricht.
Besonders im Blickpunkt: La Familia, eine rechtsextreme Fangruppe von
Beitar Jerusalem. Schon wenige Tage nach dem Terrorangriff der Hamas am 7.
Oktober 2023 stürmten Mitglieder von La Familia ein Krankenhaus in der Nähe
von Tel Aviv, und randalierten. In diesem Krankenhaus wurde angeblich ein
Hamas-Kämpfer versorgt, doch diese Meldung stellte sich als falsch heraus.
Andere Mitglieder der Gruppe waren als Soldaten in [2][Gaza] im Einsatz.
Vor zerstörten Gebäuden posierten sie mit Fahnen von Beitar. Diese Bilder
verbreiteten sich in sozialen Medien, sagt Matan Segal: „Es wurde auch
mehrfach auf Demonstrationen dokumentiert, dass La Familia die Gegner von
Ministerpräsident Netanjahu einschüchtert und angreift.“
Die Ultras von Beitar berufen sich auf Traditionen, die fast hundert Jahre
alt sind. Ab den 1930er Jahren war Beitar zunächst ein Treffpunkt der
Mizrachim, also von jüdischen Einwanderern aus arabischen Staaten, die sich
gegenüber den europäischstämmigen Juden im Nachteil sahen. In der
Gründungsphase Israels konkurrierten die Mizrachim mit den arabischen
Israelis, etwa um Niedriglohnjobs. „Bei Beitar etablierte sich eine starke
antiarabische und antimuslimische Haltung“, sagt der Politikwissenschaftler
Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in München.
## Netanjahu auf der Ehrentribüne
In den ersten drei Jahrzehnten seiner Geschichte wurde Israel von linken
Regierungen geführt. Beitar jedoch wuchs als Plattform der Nationalisten
heran und unterstützte 1977 Menachem Begin, den ersten israelischen
Ministerpräsidenten der Likud-Partei. Später nutzte auch Benjamin Netanjahu
die Ehrentribüne für politisches Netzwerken. Und sein Likud-Parteikollege
Reuven Rivlin, zwischen 2014 und 2021 Staatspräsident Israels, war bei
Beitar zuvor als Geschäftsführer tätig gewesen.
Offenbar auch mithilfe dieser politischen Verbindungen konnte Beitar
sechsmal die israelische Meisterschaft gewinnen. Insbesondere die Ultras
verschoben die Grenzen dabei immer weiter nach rechts. 2013, als Beitar die
Verpflichtung von zwei muslimischen Spielern aus Tschetschenien bekannt
gab, setzten Fans ein Vereinsbüro in Brand. „Einige Ultras sind auch bei
Organisationen wie Lehava aktiv, die jegliche Beziehungen zwischen Juden
und Nichtjuden ablehnen“, erläutert der Nahost-Experte Jan Busse.
Am Montag trifft Beitar zum Auftakt der israelischen Liga auf Bnei Sachnin
– eines der brisantesten Spiele des Jahres. Bnei Sachnin, zu Hause im
Norden Israels, ist der wichtigste Klub für die arabische Minderheit, die
etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Der Verein ist auch beliebt in
den palästinensischen Gebieten. Häufig melden sich seine Fans politisch zu
Wort, mitunter auch antisemitisch.
Mehrfach haben sich die Anhänger von Bnei Sachnin während der israelischen
Nationalhymne mit dem Rücken zum Spielfeld gedreht. Mehrfach haben sie
ihren gegnerischen Mannschaften in Gesängen „einen neuen Holocaust“
gewünscht. Der Stadionsprecher von Bnei Sachnin, Saeed Hasanein, zeigte
Anfang des Jahres in einem Fernsehinterview Sympathien für die Hamas. Er
kritisierte arabische Israelis, die sich dem israelischen Militär
anschlossen, der „Armee des Feindes“, wie er es formulierte. Bnei Sachnin
entließ Hasanein.
## Früher mal ein Symbol der Koexistenz
Über Jahrzehnte galt der Fußball in Israel als Symbol der Koexistenz.
Mitunter standen drei oder vier arabischstämmige Spieler in der Startelf
des Nationalteams. Inzwischen werden in sozialen Medien aber vor allem
sie als „Terroristen“ bezeichnet, Spieler wie Ramzi Safouri, Mohammad Abu
Fani und Dia Saba.
„Der gesellschaftliche und politische Druck in Israel ist so groß, dass
sich arabische Israelis kaum noch öffentlich zu Wort melden“, sagt der
Historiker Amir Theilhaber. „Und wenn sie es tun, dann werden ihre
Äußerungen schnell als Terrorunterstützung umgedeutet.“
Theilhaber ist auch für den New Israel Fund tätig. Diese NGO fördert
zivilgesellschaftliche Projekte in Israel, darunter „Kick It Out“. In den
vergangenen Monaten haben sich mehrfach Fangruppen und Vereine gegen
Rassismus positioniert. Sie zeigten auch [3][Transparente zum Gedenken an
Hersh Goldberg-Polin], einen Anhänger von Hapoel Jerusalem, der von den
Hamas am 7. Oktober entführt und später ermordet wurde.
Und die Klubs? Zunehmend werden Spiele an Freitagen auch tagsüber
angesetzt. So können mehr Familien mit ihren Kindern ins Stadion gehen, und
die Stimmung ist weniger aggressiv. Es gibt eine Hotline, um rassistische
Vorfälle zu melden.
## Ultras von Beitar und Netanjahu – eine Vision
Doch oft werden diese Vorfälle nicht angemessen geahndet, sagt Theilhaber,
auch das sei Sinnbild der politischen Verhältnisse: „Es gibt einige Gesetze
zur Bekämpfung von Rassismus, aber ich habe den Eindruck, dass diese
Gesetze nicht immer ausreichend umgesetzt werden.“
Zurzeit bereitet die israelische Regierung offenbar die Besetzung von
Gaza-Stadt vor. Netanjahu zeigte vor Kurzem in einem Interview sogar
Sympathien für ein „Groß-Israel“, also für die Vertreibung von Millionen
von Palästinensern. Die Ultras von Beitar Jerusalem bringen diese Vision im
Stadion seit Jahren zum Ausdruck.
Beim letzten Spiel gegen Bnei Sachnin riefen sie: „Ahmad Tibi ist tot.“ Man
konnte das als Morddrohung gegen den arabischstämmigen Politiker Ahmed Tibi
deuten, der seit 1999 dem israelischen Parlament angehört. Tibi genießt
auch bei vielen Juden Respekt. Für Beitar-Fans: eine unzumutbare
Provokation.
22 Aug 2025
## LINKS
[1] /Sanktionen-gegen-israelische-Politiker/!6101391
[2] /Israel-mobilisiert-fuer-Gaza/!6105160
[3] /Verantwortung-des-Sports/!6038201
## AUTOREN
Ronny Blaschke
## TAGS
Fußball
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Benjamin Netanjahu
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Schwerpunkt Rassismus
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